Perchta und Nikolaus im Museum der Karlsbrücke

Perchta (Foto: Martina Schneibergová)

Gegenstände, die zu Volksbräuchen der Weihnachtszeit gehören, sind im Museum der Karlsbrücke zu sehen.

Weihnachtskrippe aus Stroh  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Prager Karlsbrücke hat ein eigenes Museum. Vor zehn Jahren wurde es in den Gewölben des Kreuzherren-Klosters eröffnet. Dort ist aber nicht nur eine Dauerausstellung über die Geschichte der populärsten Prager Brücke zu sehen. Sondern jedes Jahr wird dort im Dezember auch eine weihnachtliche Sonderausstellung eröffnet. Diesmal stehen alte tschechische Weihnachtsbräuche im Blickpunkt.

Die schmale, aber ständig überfüllte Karlsgasse in der Prager Altstadt mündet am Fuße der Karlsbrücke in einen kleinen Platz: den Křižovnické náměstí – zu Deutsch Kreuzherrenplatz. Neben der mächtigen Barockkirche des Heiligen Franziskus von Assisi führen ein paar Treppen hinunter zum Museum der Karlsbrücke. Gleich gegenüber dem Eingang weckt eine ungewöhnlich gestaltete Weihnachtskrippe die Aufmerksamkeit der Passanten, denn anstelle von Hirten huldigen verschiedene Fische dem Jesuskind. Im Foyer des Museums sind gleich mehre Krippen zu sehen. Die größte davon hat der polnische Künstler Andrzej Wrzecionek aus Stroh gestaltet. Aus dem Hauptgang geht es nach rechts in die neue Sonderausstellung. Michal Cihla ist Kurator der Schau:

Zdeněk Bergman und Michal Cihla  (Foto: Martina Schneibergová)
„Wir haben uns mit Bräuchen beschäftigt, die mit dem Weihnachtsfest verbunden sind. Es kann durchaus sein, dass unsere Urgroßeltern diese Traditionen im 19. Jahrhundert noch miterlebt haben. Einige der Gestalten, die bei den Bräuchen eine Rolle spielten, haben ihre Wurzeln noch in der vorchristlichen Zeit im 5. Jahrhundert.“

Die Exponate stammen vor allem aus den Sammlungen des Ethnographischen Nationalmuseums und des Regionalmuseums in Roudnice nad Labem / Raudnitz an der Elbe, erzählt der Kurator:

„Die Illustrationen der Bräuche haben wir aus Roudnice geliehen. Es sind alles Originalbilder aus dem 19. Jahrhundert. Sie zeigen Bräuche, die der Ethnograph und Begründer des Museums in Roudnice, Karel Rozum, gezeichnet hat.“

Lucka fegt das alte Jahr weg

„Lucka“  (Foto: Martina Schneibergová)
Eine der Traditionen ist mit dem Fest der heiligen Lucia verbunden. Verbreitet war sie auf dem Lande noch vor etwa 150 Jahren. Am Vorabend des Festes sind weiß gekleidete Frauen mit einer Gänsefeder in der Hand von Bauernhaus zu Bauernhaus gezogen. Mit der Feder fegten sie den Schmutz aus jeder Ecke. Die weiß gekleideten Gestalten habe man „Lucka“ genannt, erklärt Michal Cihla:

„Wir nehmen an, dass es sich ursprünglich um einen heidnischen Brauch handelte. Dieser wandelte sich mit der Zeit in einen Brauch mit Bezug auf die heilige Lucia. Das Wesen in Weiß kontrollierte vor Weihnachten, ob alles sauber war in den Häusern und ob am Sonntag niemand arbeitete. Mit der Gänsefeder wurde auch das alte Jahr symbolisch weggefegt.“

Die Luckas sollten auch alles Schlechte, vor allem Krankheiten, von den Bewohnern des Bauernhofs wegfegen. Neben der Lucka habe es noch eine andere mystische Gestalt gegeben, die die Dorfbewohner vor Weihnachten besuchen kam – das sei die sogenannte „Peruchta“ gewesen, erzählt der Kurator.

„Eine Peruchta oder Perchta trug die Maske, die ebenfalls hier in der Ausstellung zu sehen ist. Sie sah recht schrecklich aus. Diese Perchtas sind am Heiligabend vom Haus zu Haus gegangen, um zu kontrollieren, ob die Bewohner wirklich fasteten. Die bösen Perchtas haben vor allem Kindern gedroht, wenn sie nicht brav sein werden, ihnen den Bauch mit Erbsen zu stopfen. Aber schließlich haben sie ihnen doch etwas Gutes beschert.“

Perchta  (Foto: Martina Schneibergová)
Auch dieser Brauch, der bis Mitte des 19. Jahrhunderts aufrechterhalten war, stammt aus der vorchristlichen Zeit. Ähnliche gespenstische Wesen mit anderen Namen waren schon bei den Kelten bekannt, und noch heute gibt es in Bayern und Österreich die sogenannten Perchten. Die furchteinflößenden Gestalten sind dabei immer ein Symbol der Reue.

In der Ausstellung darf natürlich nicht die Figur des heiligen Nikolaus fehlen. Den weißbärtigen Bischof in Begleitung eines Engels und eines Teufels kennen viele Kinder in Tschechien auch heute noch. Der Kurator:

„Früher erschien der Nikolaus nicht nur gemeinsam mit Teufel und Engel, sondern mit einem ganzen Umzug von verschiedenen Gestalten. Mit dabei waren in der Regel Reiter auf Pferden oder Schornsteinfeger, oft begleiteten den heiligen Nikolaus auch Jungen, die als Bauern oder Gendarmen verkleidet waren. Dies war im 19. Jahrhundert üblich.“

Christbaum, eine tschechische Tradition aus Deutschland

Nikolaus-Kostüm und Weihnachtsbaum  (Foto: Martina Schneibergová)
Im Museum sind zahlreiche kleine Nikolaus- und Teufelsfiguren sowie Bilder des heiligen Mannes und seiner Begleiter zu sehen. Früher hat man in der Adventszeit dem Kurator zufolge seinen Haushalt mit diesen Illustrationen geschmückt. Sie erinnerten die Kinder daran, dass sie brav sein sollen. Der Brauch, einen Weihnachtsbaum zu Hause zu schmücken, stammt hingegen aus Deutschland. Von dort aus ist er in die Böhmischen Länder gekommen. Den überhaupt ersten Christbaum in Böhmen hat der Schauspieler und Direktor des Ständetheaters, Johann Karl Liebich, 1812 für seine Freunde auf Schloss Šilboch / Schildwache im Prager Stadtteil Libeň geschmückt. Die Tradition setzte sich hierzulande jedoch nur langsam durch. Erst in den 1840-Jahren wurden Weihnachtsbäume in den Prager Bürgerfamilien aufgestellt, geschmückt wurden sie zunächst nur mit Plätzchen und Obst. Weihnachtsschmuck habe es erst später gegeben, sagt der Kurator.

„Eine Vorstellung davon, wie der Weihnachtsschmuck einst ausgesehen hat, kann man sich in der Ausstellung machen. Wir zeigen hier beispielsweise Weihnachtsschmuck aus Papier, der mit feinen Glassplittern verziert ist. Weihnachtskrippen haben in den Böhmischen Ländern eine längere Tradition als der Weihnachtsbaum. Im Museum zeigen wir einige Beispiele von Kastenkrippen. Die Ensembles mit den winzigen Figuren stammen aus der Region um Králíky / Grulich. Die prunkvolle Krippe in ihrem reich geschmückten Kasten wurde im 19. Jahrhundert in Karlsbad geschnitzt.“

Foto: Martina Schneibergová
Bis heute ist vor allem auf dem Lande der Brauch verbreitet, dass die Kinder am Stephanstag, dem 26. Dezember, von Haus zu Haus gehen und Weihnachtslieder singen. Für ihre Darbietung bekommen die sogenannten „koledníci“ meist Süßigkeiten. Früher war es dem Experten nach üblich, auch an Neujahr durch die Straßen zu ziehen, und viel Gesundheit zu wünschen.

Im Zeichen von Assisi

Zdeněk Bergman ist Begründer und Leiter des Museums der Karlsbrücke. Jedes Jahr organisiert er eine Ausstellung zu einem anderen Weihnachtsthema.

Weihnachtskrippe aus Maisblättern  (Foto: Martina Schneibergová)
„Ich liebe Weihnachten sehr, denn es erinnert mich an meine Kindheit. Wir haben uns zu Hause immer im Advent auf das Weihnachtsfest vorbereitet und dann in der Familie groß gefeiert. Meine Mutter stellt bis heute hier im Museum ihre Weihnachtskrippe aus Maisblättern aus. Ich finde dieses Fest etwas geheimnisvoll und gleichzeitig romantisch.“

Es sei nicht so schwer, jedes Jahr ein neues Thema für die Weihnachtsausstellung zu finden, sagt Bergman.

„Weihnachten wird in den katholischen Regionen Mitteleuropas ähnlich gefeiert und mehrere der Bräuche haben denselben Ursprung – in Bayern, Österreich sowie in Böhmen oder Mähren. Unsere Ausstellung dauert jedes Jahr vom Advent bis zum 2. Februar. Ich freue mich immer auf den Duft von Heu und Räucherkerzen und auf die Kindechöre, die hier am Abend Weihnachtslieder singen.“

Fischkrippe  (Foto: Martina Schneibergová)
Neben der Sonderausstellung werden jedes Jahr die Weihnachtskrippen aus den Museumssammlungen gezeigt – darunter die riesengroße Krippe aus Stroh oder die sogenannte Fischkrippe. Der Museumsleiter:

„Als Begründer der Darstellung des Weihnachtsgeschehens in Form einer Weihnachtskrippe gilt der heilige Franziskus von Assisi. Dies ist für uns besonders wichtig. Denn das Museum befindet sich im Kloster der Kreuzherren mit dem roten Stern am Fuße der Kirche, die Franziskus von Assisi geweiht ist. 1223 hatte Franziskus im Dorf Greccio bei seiner Predigt die Weihnachtsgeschichte mit lebenden Menschen und Tieren nachgestellt. Der Brauch, Weihnachtskrippen aufzustellen, ist während der Jahrhunderte so beliebt geworden, dass heutzutage vermutlich alle Christen die Geburt Jesu vor einer Weihnachtskrippe feiern.“

Zdeněk Bergman lädt alle ein, die Weihnachtsatmosphäre im Museum der Karlsbrücke zu genießen.

„Wir servieren hier einen guten Glühwein und dazu Plätzchen, die die Borromäerinnen gebacken haben. Das einzigartige, was wir anbieten, ist eine Moldaufahrt mit dem Boot durch das sogenannte Prager Venedig – an der Karlsbrücke vorbei und durch den Kanal Čertovka. Die Moldaufahrt ergänzt den Museumsbesuch und ermöglicht die Eigenart dieses Ortes näher kennenzulernen.“


Das Museum der Karlsbrücke befindet sich auf dem Platz Křižovnické náměstí Nr. 3 in der Altstadt. Es ist täglich von 10 bis 18 Uhr, im Sommer bis 19 Uhr geöffnet.