Nicht nur ein Staatsakt - Krönungen der böhmischen Herrscher auf der Prager Burg (II.)

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Was der König am Tag vor seiner Krönung machen sollte, wie er am Krönungstag geweckt wurde oder was er bei der Zeremonie versprechen musste: Dies alles steht in der Krönungsordnung, die von Karl IV. herausgegeben wurde, und die den Krönungsritus bedeutend beeinflusst hat. An dieses einzigartige Dokument wird in einer Ausstellung erinnert, die auf der Prager Burg zu sehen ist. Als begleitende Sonderausstellung wird sie im Rahmen der Dauerausstellung gezeigt, die unter dem Titel "Die Geschichte der Prager Burg" vor zwei Jahren im alten königlichen Palast eröffnet wurde. In der letzten Ausgabe des Spaziergangs durch Prag haben wir Sie in diese Schau eingeladen und versprachen, unsere Führung durch die Krönungsgeschichte fortzusetzen. In den Turm Wenzels IV. laden Sie Martina Schneibergova und Gerald Schubert ein.

"Am Vorabend der Krönung trifft der Prager Bischof mit Prälaten und Fürsten zusammen, und die Adeligen begleiten den Fürsten, der zum König gekrönt werden soll, auf den Vysehrad. Nach Gebeten kehren alle vom Vysehrad in die Prager Kirche zur Vesper zurück und begleiten danach den Herrscher in seinen festlich geschmückten Schlafraum."

So lautet der einleitende Absatz der Krönungsordnung für die böhmischen Könige, die von Karl IV. zusammengestellt wurde. Mit dieser ausführlichen Anleitung für die Krönungszeremonien hat der Herrscher die Krönungen seiner Nachfolger bedeutend beeinflusst. Die jetzige Ausstellung betrifft nur die Krönungen der Premysliden, der Luxemburger und der Jagiellonen, sagt der Archäologe Jan Frolik. Eine neue Schau über die Habsburger Herrscher wird es erst nächstes Jahr geben.

Jan Frolik
"Bei den Vorbereitungen der Ausstellung, als wir die verschiedensten Daten und Informationen gesammelt haben, zeigte sich, dass die Krönungen nicht nur einen staatlichen Akt darstellten, mit dem man sie meistens verbindet. Mit den Krönungen sind auch zahlreiche Geschichten aus dem Alltagsleben verbunden. Unter den sechzehn gekrönten Herrschern, von denen dreizehn hier in Prag gekrönt wurden, und den einundzwanzig böhmischen Königinnen, von denen siebzehn nachweisbar in Prag gekrönt wurden, sind auch ungarische und polnische Könige, römische Kaiser sowie lombardische Könige. Dies zeugt davon, dass die böhmischen Herrscher an verschiedenen Teilen Europas interessiert waren."

Anhand der Krönungsgeschichte, so Frolik, sei gut zu sehen, wie sich der böhmische Staat einst entwickelte. Dem Archäologen zufolge ist es kein Zufall, dass die ersten Herrscher nur im Ausland und nicht noch einmal in Prag gekrönt wurden. Erst seit König Premysl Ottokar II. war die Krönung eine sozusagen "einheimische Angelegenheit".

Eine recht komplizierte Zeremonie war das Wecken des künftigen Herrschers am Krönungstag. Der Erzbischof und weitere hohe kirchliche Würdenträger begaben sich in einem Festumzug von der Metropolitenkirche in den Palast, um den Herrscher abzuholen und ihn in die Kirche zu begleiten. Wie in der Krönungsordnung vorgeschrieben wurde, wurde an der Spitze des erwähnten Festumzugs auch das Schwert des heiligen Wenzel getragen. Der Herrscher wurde vom höchsten Kämmerer des Königtums festlich gekleidet. Nach dem Gebet wurde er von zwei Bischöfen in die Kirche geführt. In der Krönungsordnung schrieb Karl IV. auch vor, was während der Prozession in die Kirche gesungen werden sollte. Beim Glockengeläut trugen die Adeligen vor dem künftigen König die Krönungsinsignien, die sie dann auf den Altar des heiligen Veit legten. Der Kämmerer hatte ihnen mit einem Stock den Weg gezeigt. Die ganze Krönungszeremonie war eigentlich bis ins kleinste Detail vorgeschrieben. Und dennoch konnte dieses hochoffizielle Ereignis manchmal auch spontan gestaltet werden, wie aus Jan Froliks Forschungen hervorgeht:

"Ich möchte an die letzte Krönung, die in der jetzigen Ausstellung beschrieben wird, erinnern. Ludwig Jagiello wurde 1509 gekrönt. Seine kleine Schwester Anna war auch dabei. In der St. Wenzelkapelle begann sie zu heulen und bestand darauf, ebenfalls gekrönt zu werden. Sie wurde also damals als kleines Mädchen gekrönt, und die böhmischen Adeligen haben ihr gehuldigt. Es war damit eine rechtsgültige Krönung. Sie war aber die einzige böhmische Königin, die dann noch einmal gekrönt wurde - als sie volljährig war, gemeinsam mit ihrem Mann."

Jan Frolik machte auf noch eine interessante Geschichte aufmerksam, die sich 1471 zwischen Matthias Corvinus und dem päpstlichen Gesandten Rovarella in Jihlava / Iglau abgespielt hat. Matthias Corvinus hatte nicht gerade erfolgreich gegen Georg von Podiebrad gekämpft. Nach Podiebrads Tod erwartete Corvinus, dass sich die römische Kurie bei ihm für die Unterstützung, die er ihr gewährte, revanchieren wird. Dazu kam es jedoch nicht, sagt Frolik:

"In Iglau gab es eine fast hysterische Szene, als Matthias Corvinus dem päpstlichen Gesandten vorgeworfen hat, er habe so viel Mühe und Geld investiert, um Böhmen zu beherrschen, habe aber eigentlich nichts davon. In den folgenden Tagen spielte sich in der Kirche in Iglau etwas ab, was eine Art Krönung war, obwohl dabei keine Krönungsinsignien benutzt wurden. Wir müssen also Matthias Corvinus zu den gekrönten böhmischen Königen zählen. Dadurch entstand die seltsame Lage, dass Böhmen fast zwanzig Jahre lang zwei legal gekrönte Herrscher hatte. So etwas hat sich nie mehr wiederholt."

Über dieses Ereignis sowie weitere Geschichten, die mit den Krönungen zusammenhängen, können die Besucher in der Ausstellung mehr erfahren. Jan Frolik zufolge werden hier die jüngsten Erkenntnisse präsentiert, die noch nicht hundertprozentig bestätigt wurden. Die Besucher haben aber seiner Meinung nach das Recht, auch über die aktuellen Forschungsergebnisse etwas zu erfahren.

Die Ausstellung über Geschichte der Krönungen ist in der gotischen Etage des alten königlichen Palastes auf der Prager Burg täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Der letzte König, von dem dort die Rede ist, ist Ludwig aus der Jagiellonendynastie, der in der Schlacht bei Mohacs starb. Falls Sie wissen, wann sich diese Schlacht abspielte, können Sie es uns schreiben. Denn so lautet die heutige Frage zur Sendung, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Vor einem Monat fragten wir Sie nach dem Jahr, in dem Kaiser Rudolf II. den Majestätsbrief unterschrieb. Es war 1609. Ein Buch geht diesmal an Günter Kastner aus Salzburg.