Kunsthistoriker Damjan Prelovšek über Plečniks Kirche in Prag

Костел Святейшего сердца Господня

Die Herz-Jesu-Kirche im Prager Stadtteil Vinohrady gilt als der bedeutendste Sakralbau des 20. Jahrhunderts in Tschechien überhaupt. Der an die Mittelmeerkirchen erinnernde Bau ist ein Werk des namhaften slowenischen Architekten Josip Plečnik. Der Slowene beteiligte sich auf Wunsch von Präsident Masaryk zudem an der Gestaltung der Prager Burg in den 1920er und 1930er Jahren. Am 8. Mai sind 80 Jahre seit der Weihe der Prager Herz-Jesu-Kirche vergangen. Wie wir in unseren Sendungen bereits informierten wurde aus diesem Anlass eine Reihe von Veranstaltungen initiiert, zu denen auch Gäste aus Slowenien eingeladen wurden. Der slowenische Kunsthistoriker Damjan Prelovšek ist ein großer Kenner von Plečniks Architektur. In der Prager Herz-Jesu-Kirche hielt Prelovšek diese Woche einen Vortrag über Plečnik und Prag.

Foto: Archiv Radio Prag
Herr Prelovšek, wie kam es dazu, dass Josip Plečnik in Prag zu arbeiten begann?

„Plečnik ging nach Prag, um hier Professor zu werden. Mit Hilfe seines Bekannten Jan Kotěra, der auch bei Otto Wagner studiert hat, gelang es ihm, eine Stelle an der Kunstgewerbeschule in Prag zu bekommen. Plečnik hat sich etwa zehn Jahre lang nur mit Studenten beschäftigt und kaum etwa gebaut, nur die Kirche in Wien hat er fertig gestellt.“

Es ist bekannt, dass sich Plečnik für die Architektur der Antike interessierte. Wer hat ihn am stärksten beeinflusst?

Josip Plečnik
„Er war schon immer durch seinen Professor Otto Wagner beeinflusst. Otto Wagner war meiner Meinung nach kein Revolutionär, sondern er war imstande, die antike Kunst zu modernisieren. Und diese Modernisierung ist der Grundstein von Plečniks Architektur.“

Die Herz-Jesu-Kirche ist uns Pragern von Plečniks Werken am bekanntesten. Die Geschichte dieser Kirche ist verhältnismäßig lang, es hatte ja mehrere Jahre gedauert, bis sie fertig gebaut wurde. Warum wurde damals gerade Plečnik mit dem Bau einer so monumentalen Kirche für Královské Vinohrady beauftragt?

„Plečnik hatte sich beschwert, dass es auf einem so großen Stadtgebiet wie Vinohrady nur eine einzige Kirche gab. Dies war für ihn unbegreiflich. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein Wettbewerb für den Neubau einer Kirche ausgeschrieben, an dem Plečnik aber nicht teilnahm. Seine Studenten konnten jedoch den ersten und den zweiten Preis gewinnen. Die tschechischen Architekten haben dann dem Pfarrer von Vinohrady geschrieben, dass er Plečnik als Architekt ansprechen soll, da er der einzige sei, der so etwas bauen könne. Als Plečnik Pfarrer Škarda jedoch zum ersten Mal besuchte, war dieser von ihm nicht gerade begeistert. Der Pfarrer soll gesagt haben, Plečnik kenne die tschechische Seele nicht. Erst nachdem Plečnik Kaplan Alexandr Titel begegnet war, nahm er sich des Projektes an. Zuerst entwarf Plečnik einen Bau im Stil eines dorischen Tempels. Dieser war aber zu kostspielig und darum wurde das Projekt geändert. Hinzu kamen noch Probleme mit dem Grundstück. Erst nachdem Präsident Masaryk mit Hilfe der Juristischen Fakultät das Problem gelöst hatte, war es möglich, mit dem Kirchenbau zu beginnen.“

Foto: Autorin
Sollte die Kirche aber ursprünglich nicht anders aussehen?

„Ja schon. Die Kirche sollte viele Säulen haben und einen hohen Glockenturm im venezianischen Stil. Plečnik meinte aber später, dass die Kirche wegen der Akustik und der Heizung niedriger sein müsse. Der Turm sollte so breit wie die Kirche sein und zudem Blickmagnet von der Hauptachse des Kirchenbaus sein. Diesen Entwurf hat er in die Tat umgesetzt.“

Sehr beeindruckend ist die Fassade der Kirche, die an einen Hermelinmantel erinnert.

„Die Fassade soll an den Hermelinpelz erinnern. Denn der Hermelin war schon immer ein Zeichn der königlichen Würde. Die Kirche ist Christus dem König geweiht und steht auf dem Platz, der nach dem böhmischen König Georg von Podiebrad benannt wurde. Zudem wurde die Kirche im Stadtteil Königliche Weinberge erbaut. Der Name ist in der Fassade einfach mit enthalten.“

Der Glockenturm ist im Inneren sehr ungewöhnlich. Stimmt es, dass es möglich wäre, mit einem Fahrrad bis hinauf zu fahren?

„Ja tatsächlich. Die äußere Fassade des Glockenturms wurde der Fassade der Kirche angepasst. Aber innen ist er sehr funktionell und modern gebaut worden. Man fühlt sich an ähnliche Architektur aus derselben Zeit erinnert, z. B. an die Villa Savoye von Le Corbusier. Plečnik wollte damit zeigen, dass er auch imstande ist, so etwas zu bauen. Eigentlich aber war es ihm zu wenig. In seinen Augen war es keine Architektur, nur ein Handwerk. In Prag musste er zeigen, dass er auch modern sein kann. Es ist interessant, dass der Kunsttheoretiker Karel Teige, der eine führende Persönlichkeit der Moderne in Prag war, Plečnik als einen Ochsen bezeichnete.“

Wie waren die weiteren Reaktionen auf Plečniks Kirche in Vinohrady?

„Ich meine, dass die modernen Architekten Plečnik geschätzt haben. Sie waren schon immer seine Anhänger.“

Plečnik achtete sehr darauf, dass auch das Interieur nach seinen Vorstellungen gestaltet und geschmückt wurde. Sollte das Interieur eigentlich nicht anders aussehen?

„Die Idee von Plečnik war, in der ganzen Kirche Ziborienaltäre zu platzieren. Er war davon überzeugt, dass sich der Mensch während der heiligen Messe in der Nähe eines besonders geweihten Ortes befinden sollte. Leider war diese Idee den Tschechen allzu fremd und wurde nicht in die Tat umgesetzt.“

Wie war es mit der abschließenden Gestaltung des Interieurs? Entsprach es Plečniks Vorstellungen oder war es eher eine Kompromisslösung?

„Ich meine schon, dass alles nach Plečniks Vorstellungen gestaltet wurde. Die Altäre in den beiden Ecken neben dem Hauptaltar erinnern mit ihren Säulen an Plečniks Schusterbrücke in Ljubljana. Die beiden anderen Altäre entwarf Otto Rothmayer, aber er hat den Entwurf mit Plečnik bestimmt konsultiert, denn es sind daran ´Plečniksche´ Formen zu sehen.“

Foto: Autorin
Mit wem hat Plečnik bei der Gestaltung des Interieurs zusammen gearbeitet, vor allem bei den Staturen sowie bei den zahlreichen Sakralgegenständen?

„Plečnik hatte einen Kreis von Künstlern und Handwerkern gehabt, die er während seiner Arbeit auf der Prager Burg sowie an der Kunstgewerbeschule kennen lernte. Die Bildhauerwerke stammen alle von Damjan Pešan, der ein guter Freund von Plečnik war. Von den Architekten arbeitete Otto Rothmayer eng mit Plečnik zusammen.“

Es gibt Bemühungen in Zusammenarbeit mit Slowenien, die Herz-Jesu-Kirche in die Unesco-Weltkulturerbeliste eintragen zu lassen. Wie sehen Sie die Chancen?

„Das wäre natürlich sehr schön. Für diese Kirche wäre es gut, wenn sich auch die Österreicher mit Plečniks Kirche in Wien dem Antrag anschließen würden. Man könnte eventuell auch Plečniks Kirche in Belgrad mit einbeziehen. Eine solche Kooperation hätte Chancen, aber dass wir Slowenen das allein durchsetzen, das ist heutzutage nicht mehr möglich. Ich würde mich darüber sehr freuen, wenn es klappen würde. Denn Plečnik hätte es verdient.“