Historische Puppentheater im Fokus

Marionettenmuseum in Prag-Letná (Foto: Martina Schneibergová)
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Im Prager Kaffeemuseum verbirgt sich eine Dauerausstellung über historische Marionetten und das Puppentheater.

Marionettenmuseum in Prag-Letná  (Foto: Martina Schneibergová)
In unseren Sendungen haben wir Sie bereits in das Prager Kaffeemuseum eingeladen. Seit März vergangenen Jahres besteht in den Kellerräumen des Museums aber auch eine Dauerausstellung zur Geschichte des Marionettentheaters.

Das Kaffeemuseum befindet sich im Stadtteil Letná in der Straße Jana Zajíce, nahe dem Fußballstadion von Sparta Prag. Kateřina Ebelová hat das Museum vor fast zehn Jahren gegründet. An Regalen und Vitrinen mit Kaffeeservice, Kaffeemühlen und Dosen vorbei geht es in die Kellerräume. Dort habe sie im vergangenen Jahr ein Marionettenmuseum eingerichtet, erzählt Ebelová.

„Die Dauerausstellung trägt den Titel ,Marionetten und Puppentheater‘. Die ältesten Marionetten stammen von 1850. Es handelt sich um eine Sammlung von Kasperl-Marionetten von Wandertruppen, die Puppentheater spielten. Die ältesten Handpuppentheater, die hier gezeigt werden, stammen von 1913. Die gedruckten Papierkulissen wurden auf einen Karton oder auf Furnierplatten geklebt. Es gab aber auch die Möglichkeit, ein gebautes Puppentheater zu kaufen. Die Marionetten wurden in Größen zwischen 15 und 30 Zentimetern hergestellt.“

Köpfe aus Gips und Pappmaché

Kateřina Ebelová  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Marionetten bestanden aus mehreren Teilen. Weniger wohlhabende Familien kauften nur ein paar Figuren, bei denen sie bei Bedarf die Köpfe austauschen konnten. Frauen hätten oft selbst die notwendige Bekleidung für die Marionetten genäht, erzählt Kateřina Ebelová. Sie hat eine enge Beziehung zum Puppentheater. Denn zunächst studierte sie Kunsterziehung an der Karlsuniversität und anschließend Theaterpädagogik an der Theaterakademie. Und sie spielte in einem studentischen Puppenspieltheater. Die Entwürfe für die Puppen seien oft von renommierten Künstlern angefertigt worden, sagt Ebelová.

„Eine bedeutende Persönlichkeit, die sich an der Entwicklung des Puppentheaters beteiligt hat, war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Maler Mikoláš Aleš (1852-1913, Anm. d. Red.). Während seines Studiums an der Prager Kunstakademie wohnte er bei einer Familie. Damals bastelte er für die Kinder der Familie einige flache, kolorierte Puppen. Ähnliche Puppen fertigte er später auch für seine eigenen Töchter an. Die Zeichnungen von Aleš dienten dem Bildhauer Karel Koberle als Vorlage, um die Köpfe zu formen. Diese wurden aus Gips oder Pappmaché hergestellt.“

Hölle und Karlstein

Foto: Martina Schneibergová
Namhafte Künstler entwarfen auch die Kulissen für die Puppentheater. Ebelová macht auf die Kulissen des Graphikers und Malers František Kysela (1881-1941, Anm. d. Red.) aufmerksam. Kysela arbeitete auch mit Glas und entwarf eines der Fenster für den Prager Veitsdom. Besonders beeindruckend ist eine Kulisse, die die Hölle darstellt.

„Die Höllenbühne stammt vom Maler und Graphiker Josef Váchal (1884-1969 Anm. d. Red.). Er hat auch Möbel bemalt und Spielkarten entworfen. Es ist ein wirklich wertvolles Exemplar. Vom Maler Ferdinand Engelmüller (1867-1924 Anm. d. Red.) stammen wiederum Kulissen mit der Burg Karlštejn – damals wurde sie Karlův Týn genannt.“

Die Größe der Kulissen war an die Größe der Marionetten angepasst. Ebelová zufolge wurden die von einem Künstler entworfenen Kulissen praktischerweise gleich in mehreren Größen hergestellt.

Foto: Martina Schneibergová
Für besonders wertvoll hält Kateřina Ebelová ihre Sammlung von deutschen, österreichischen und französischen Dekorationen für das Puppentheater:

„Sie wurden in den ersten Puppentheatern tschechischer Familien im 19. Jahrhundert benutzt. Die Dekorationen stammen aus den Jahren 1850 bis 1870. Zu den Kulissen gehörten auch Puppen, die aus Papier ausgeschnitten waren.“

Theaterworkshops für Kinder

Kateřina Ebelová hat in der Dauerausstellung auch an Kinder gedacht. Denn oft kommen ganze Familien oder auch Kindergärten zu Besuch.

Garten im Innenhof des Hauses  (Foto: Martina Schneibergová)
„Wir haben hier Kopien von historischen Marionetten. Mit ihnen können die Kinder lernen, selbst Puppentheater zu spielen. Zudem können sie hier Theaterdekorationen basteln. Und wir organisieren auch Puppentheater-Workshops für Schulklassen sowie Workshops für Senioren, die lernen wollen, Kostüme für Marionetten nach Originalvorbildern aus dem 19. Jahrhundert zu nähen.“

Nach der Besichtigung des Kaffeemuseums und der Dauerausstellung über Puppentheater lädt das benachbarte Café Alchymista zur Erfrischung ein, es gehört zum Museum. Im Sommer kann man sich zudem in den Garten im Innenhof des Hauses setzen.

„Im Garten befindet sich ein Podium, auf dem im Sommer nicht nur Puppentheater gespielt wird, sondern es treten dort auch Schauspielensembles und Musiker auf.“

Künstlerviertel aus der Ersten Republik

Der Stadtteil sei früher ein Künstlerviertel gewesen, erzählt Ebelová. In den Jahren 1897 bis 1903 entstand dort das Gebäude für die Prager Akademie der bildenden Künste.

Josef Mařatka  (Foto: Archiv der Galerie Plastik Hořice,  CC BY 3.0 CZ)
„Das ,Montmartre der Letná‘ wurde das Viertel nach der Eröffnung der Kunstakademie genannt. Das ganze Viertel entstand vor etwa 100 Jahren in relativ kurzer Zeit. Für viele Immobilien-Eigentümer war es eine Ehre, wenn in ihrem Haus ein Künstler wohnte. In vielen Häusern, vor allem in den Straßen Nad Královskou oborou, Na Výšinách sowie in unserer Straße Jana Zajíce entstanden damals Ateliers auf den Dachböden. In den Höfen der Miethäuser gab es Ateliers für Bildhauer und Keramiker.“

Gleich um die Ecke, in der Straße Na Výšinách, hatte der Bildhauer Josef Mařatka (1874-1937) sein Atelier. Er war Schüler von Auguste Rodin. Dank Mařatka wurde 1902 eine Ausstellung von Rodins Werken in Prag veranstaltet. Über die Geschichte des „Montmartre der Letná“ hat Kateřina Ebelová vor einigen Jahren eine eigene Ausstellung zusammengestellt.

„Ich habe mich mit den Künstlern beschäftigt, die an der Akademie unterrichtet oder dort studiert haben. Bei dieser Gelegenheit habe ich mehrere Fotos aus den Ateliers der Kunstakademie sowie aus den Ateliers der Häuser in der Umgebung zusammengetragen. Bei den Recherchen bin ich auf einzigartige Fotos gestoßen aus dem Atelier des Bildhauers Jan Štursa. In meiner Ausstellung habe ich auch das Leben tschechischer Künstler in Paris gezeigt. Nicht zuletzt ging es auch um die Architektur des Jugendstils und des Art déco.“

Nicht weit vom Museum befand sich früher übrigens das Café Belvedere, es war ein beliebter Treffpunkt von Künstlern während der Ersten Tschechoslowakischen Republik.


Das Museum befindet sich in der Straße Jana Zajíce 7. Dazu gehört gleich nebenan das Café Alchymista mit einem Garten im Hof des Hauses. Das Museum ist täglich von 12 bis 18 Uhr geöffnet, am Wochenende von 11 bis 18 Uhr. Im Sommer ist es täglich von 11 bis 18 Uhr zugänglich.