Friedhof Olsany

Grab des Hauptmanns Wilhelm Freiherr von Watlet

Am 2. November wird traditionell aller Verstorbenen gedacht, viele Menschen pilgern eben an diesem Tag auf Friedhöfe, um dort Kerzen anzuzünden und Gräber zu schmücken. So verwandelt sich auch der größte Prager Friedhof Olsany, der sonst eine ruhige grüne Oase unweit des Stadtzentrums darstellt, in einen turbulenten Platz. Mehr über den Friedhof Olsany erfahren Sie im folgenden Spaziergang durch Prag von Martina Schneibergova und Katrin Sliva.

Die schlechten hygienischen Bedingungen an den Friedhöfen im Mittelalter, die sich inmitten der Städte befanden, trugen zur Verbreitung der Epidemien bei. Aus diesem Grund begann man Friedhöfe außerhalb der historischen Prager Städte zu errichten. Die Pestepidemien von 1680 und von 1713-1715 waren für die Errichtung der Pestfriedhöfe in der Gemeinde Olsany ausschlaggebend - des Altstädter Friedhofs bei der noch heute stehenden St. Rochus-Kirche und des Neustädter Friedhofs bei der einstigen Kreuzkirche beide im heutigen Stadtteil Zizkov.

Der heute größte Prager Friedhof, der Friedhof Olsany, ist aus dem bereits erwähnten ehemaligen Altstädter Pestfriedhof mit der St. Rochus-Kapelle entstanden. Der Haupteingang zum Friedhof liegt an der Vinohradská-Strasse. Heute liegen auf dem Friedhofsgelände zehn Kirchen- und zwei Gemeindefriedhöfe, wobei die beiden ältesten Friedhöfe längst nicht mehr benutzt werden. Die Gesamtfläche des Friedhofs Olsany umfasst 50,17 Hektar. Im April 1999 waren dort an die 112.000 Bestattete verzeichnet. Seit der Entstehung des Friedhofs wurden dort jedoch weit mehr Menschen bestattet, man schätzt, dass es etwa zwei Mio. Menschen sind.

Für die älteste erhalten gebliebene Gruft wird die der Familie Zelenka gehalten, die 1799 errichtet wurde. Als das größte Grabmal gilt die Gruft der Familie Hrdlicka, die sich direkt neben dem Haupteingang befindet. Sie wird von einer Marmorplastik des Bildhauers Frantisek Rous geschmückt Das Kunstwerk stellt den Traum des jungen Hrdlicka dar, in dem er Kaiser Franz Josef begegnet und ist angeblich auf Initiative der Mutter des Jungen entstanden. Das prächtige Grabmal soll die Familie ein ganzes Vermögen gekostet haben.

Der Friedhof, der heute die Nummer eins trägt, war ursprünglich der Altstädter Pestfriedhof, der am 29. Januar 1680 von Jan Václav Olomoucký, dem Pfarrer beim Hl. Martin, eingeweiht wurde. Im Jahre 1682 wurde dort eine Kapelle erbaut, die einigen Heiligen geweiht wurde. Diese sollten die Menschen vor der vor Pest schützen. Zu diesen Schutzheiligen zählten der Hl. Rochus, Hl. Sebasitan und der Hl. Rosalia. Nach der Schließung der Pfarrkirche von Olsany - der Kirche des heiligen Kreuzes - im Jahre 1842 ist die Rochus-Kapelle zur Pfarrkirche von Olsany geworden. Der Friedhof Olsany wurde als Friedhof für die Alt- und die Neustadt seit 1786 benutzt.

Seit 1860 fanden keine Bestattungen mehr auf dem I. und dem II. Friedhof statt. Der Friedhof ist inzwischen stark beschädigt, einige wertvolle Grabmale gelang es seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts dank den Vereinsmitgliedern des Klubs für das alte Prag zu retten. Die anderen sieben Kirchenfriedhöfe, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts eingeweiht wurden, dienen bis heute ihrem Zweck. Der zehnte konfessionelle Friedhof wurde 1910 eröffnet. Der erste - unkonfessionelle - Gemeindefriedhof wurde 1896 errichtet, der zweite, der sich im Stadtteil Stare Strasnice befindet, im Jahre 1917. Der zweite Gemeindefriedhof mit dem X. kirchlichen Friedhof sind von den übrigen Friedhofsteilen durch die Straße Zelivskeho getrennt.

Auf dem II. Gemeindefriedhof wurde neben den Militärgräbern eine russisch-orthodoxe Kirche erbaut. In deren Umgebung wurden viele Angehörige russischer Familien bestattet, die nach 1917 aus Russland emigrierten. Die Kirche wurde nach den Vorbildern von Kirchen von Pskovsk und Novgorod aus dem 16. Jahrhundert erbaut. Neben russischen Emigranten ist in der Kirche auch der tschechische Politiker Karel Kramar bestattet, der der erste Ministerpräsident der Tschechoslowakei war, sowie seine Gattin Nadeshda, die sich um den Bau der Kapelle verdient machte.

Unweit der Kirche findet man Militärgräber aus dem Ersten Weltkrieg, darunter das Ehrengrab ehemaliger Angehöriger der österreichisch-ungarischen Marine und Gräber der hingerichteten russischen und italienischen Legionäre. Symbolische Gräber der Prager, die während des Ersten Weltkriegs im Ausland gefallen sind und deren sterbliche Überreste nicht in die Heimat überführt wurden, findet man an der Mauer, wo Tabellen mit Namen der Toten angebracht sind und dem Ort, wo sie fielen.

Militärgräber aus dem Zweiten Weltkrieg befinden sich entlang des nördlichen Teils des X. Friedhofs und des II. Gemeindefriedhofs. Am westlichsten liegt der Prager Commonwealth-Friedhof, wo 198 Angehörige der britischen Streitkräfte, 9 Kanadier, 2 Australier, 14 Neuseeländer, 19 Südafrikaner, ein Inder und 9 Polen bestattet wurden. Auf dem Friedhof findet man des Weiteren einen Ehrenfriedhof für Soldaten der Roten Armee, die 1945 in Prag gefallen sind.

Eine Grabstätte der Russischen Befreiungsarmee, der sogenannten Vlasow-Armee, wurde 1993 unweit der russischen Kapelle mit einem russisch-orthodoxen Kreuz gekennzeichnet. Dort wurden Angehörige der Russischen Befreiungsarmee bestattet, die im Mai 1945 in Prag fielen, als sie bei der Befreiung der Stadt von den Nazis halfen und zugleich versuchten, vor der Roten Armee zu flüchten.

Der Prager Olsany-Friedhof ist bestimmt einen Besuch wert, nicht zuletzt wegen der zahlreichen Kunstwerke, die die Grüfte und Grabmale schmücken. Für die Bewohner Prags stellt Olsany, als eine der Grünanlagen der Stadt, ein beliebtes Ziel für ausgiebige Sonntagsspaziergänge. Mit dieser Empfehlung endet unser heutiger Spaziergang durch den Friedhof Olsany.