Essgewohnheiten in der k.u.k. Monarchie - Ausstellung im Prager Musaion

Foto: Archiv des Nationalmuseums

Dorfbewohner, Bürger in der Stadt und Adlige – welche Beziehung hatten sie im 19. Jahrhundert zum Essen? Was wurde in den Arbeiterfamilien oder auf dem Land am meisten gekocht? Antworten auf diese Fragen bietet eine Ausstellung, die im ethnografischen Museum in Prag zu sehen ist.

Foto: Archiv des Nationalmuseums
Essgewohnheiten und Geschmack zeigen immer auch die soziale Herkunft eines Menschen. Dies war auch schon bei unseren Vorfahren so, wie Petr Janeček bestätigen kann. Janeček leitet die ethnografische Abteilung des Prager Nationalmuseums. Und er ist Kurator der Ausstellung mit dem Titel „Krmě, jídlo, žrádlo“ – zu Deutsch etwa „Festessen, Essen, Futter“.

Die Ausstellung beschreibt auf drei Ebenen, wie unsere Vorfahren mit dem Essen umgegangen sind, sagt Janeček und erklärt den Titel der Ausstellung.

Petr Janeček  (Foto: Archiv des Nationalmuseums)
„Wir zeigen, wie unter Kaiser Franz Josef I. gegessen wurde, also von 1848 bis 1916. Das Wort krmě steht für ein raffiniertes Gericht, für die hohe Gastronomie in den Adeligenkreisen. Wir beschreiben, was beispielsweise am Kaiserhof in Wien serviert wurde. Jídlo bedeutet das übliche Essen, so wie wir uns ernähren. Und žrádlo ist beispielsweise das Essen in Zeiten der Krise. Während des Ersten Weltkriegs herrschte Not, die Leute nutzten damals Ersatzlebensmittel: So gab es zum Beispiel Mehl aus Eicheln oder Bucheckern.“

Die Ausstellung beginnt mit den Essgewohnheiten auf dem Lande. Zu sehen ist unter anderem eine Skulptur aus Blätterteig, sie ist mit kleinen Baby-Figuren verziert. Petr Janeček dazu:

Foto: Archiv des Nationalmuseums
„Das ist ein Hochzeitskuchen, ein ritueller Gegenstand, der bei Hochzeiten überreicht wurde. Diesen Kuchen gibt es heutzutage nicht mehr, er wurde durch die Hochzeitstorte ersetzt. Die Hochzeit war immer das größte Familienfest und dauerte einige Tage lang. Auch in den ärmeren Bevölkerungsschichten gab es zu diesem Anlass ausreichend Essen. An dem Hochzeitskuchen sind noch bestimmte vorchristliche Elemente zu erkennen: Die Babyfiguren, die den Kuchen verzieren, haben mit dem Fruchtbarkeitskult zu tun.“

Schweineschlachtung  (Foto: ŠJů,  Wikimedia Creative Commons 3.0)
Zum Dorfleben gehörten im 19. Jahrhundert auch Hausschlachtungen. Die traditionelle Schweineschlachtung ist daher eines der Themen der Ausstellung. Wer konnte sich auf dem Land solch eine Schweineschlachtung leisten?

„Nur reichere Leute auf dem Land konnten sich eine Hausschlachtung leisten. Ärmere Menschen haben nach einer Schlachtung immer etwas von ihren reicheren Nachbarn bekommen. Ein Schwein war im 19. Jahrhundert nicht gerade billig, es zu mästen hat einiges gekostet. Meistens fanden die Schweinschlachtungen im Dezember statt. Es gibt sogar eine Theorie, dass die tschechische Bezeichnung des Monats Dezember etwas mit den Hausschlachtungen zu tun hat.“

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Der Dezember heißt auf Tschechisch heute „prosinec“, das Schwein „prase“. Es kann sein, dass der Monat einst „prasinec“ hieß. Petr Janeček hält diese Vermutung aber für unwahrscheinlich. Dem Kurator zufolge wurde der Begriff „prosinec“ wahrscheinlich anders abgeleitet: vom Verb „prosit“, auf Deutsch „bitten“.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zogen viele Bewohner vom Land in die Stadt, um dort nach Arbeit in den Fabriken zu suchen. Mit dem Ortswechsel änderten sich auch die Essgewohnheiten, sagt Petr Janeček:

Foto: Archiv des Nationalmuseums
„Zu sehen ist hier eine typische Arbeiterwohnung. Die Haushalte in der Stadt waren meist schon mit einem Herd ausgestattet. Das Geschirr unterschied sich nicht so sehr vom Geschirr, das auch heutzutage benutzt wird. Das Essen war in einer Arbeiterfamilie indes bescheidener, nur wenig Fleisch wurde gegessen. Meist gab es nur Knödel mit Sauce. Fleisch kam höchstens zweimal in der Woche auf den Tisch.“

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Zum Frühstück gab in den Arbeiterfamilien meist Kaffee und Brot. Das Mittagessen unterschied sich nach Wochentag. Am Sonntag wurde eine Suppe gekocht und als Hauptgericht beispielsweise Rindfleisch mit Kartoffeln und Sauce. Unter der Woche wurde hingegen mittags oft nur eine Suppe gegessen, erzählt der Kurator:

„Es hing davon ab, ob der Familienvater gerade den Lohn bekommen hatte. Um den Zahltag herum kauften die Familien mehr ein als sonst. Damals gab es noch keine Kühlschränke, und so sind die Hausfrauen oft auch dreimal am Tag auf den Markt gegangen, um Lebensmittel zu kaufen. In den Arbeiterkolonien war es manchmal möglich, auch kleine Haustiere zu halten, zum Beispiel Kaninchen. Kantinen gab es zu der Zeit noch nicht, gekocht wurde zu Hause - und die Frau brachte dann das Essen dem Mann auf die Arbeit.“

Foto: Archiv des Nationalmuseums
Von einem Arbeiterhaushalt geht es wieder aufs Land in eine Dorfküche. Der Tisch ist gedeckt, in der Mitte steht die Bratpfanne mit einer Gans:

„Dies ist die so genannte Martinsgans. Wir befinden uns bei reichen Bauern im Chodenland in Westböhmen und sehen, wie eine Küche auf dem Land früher eingerichtet war. Der Tisch stand damals noch nicht in der Mitte des Raums, sondern befand sich im so genannten Herrgottswinkel. Dies war die heiligste Stelle im ganzen Haushalt. In der Ecke befand sich meist auch ein kleiner Schrank, in dem die wertvollsten Schriftstücke der Familie sowie die Bibel aufbewahrt wurden. Zu Tisch traf die ganze Familie zusammen, einschließlich des Personals, das auf dem Hof arbeitete.“

Archiv des Nationalmuseums
Die Menschen saßen auf Bänken, denn Stühle waren verhältnismäßig teuer. Der Herrgottswinkel war oft mit Hinterglasmalereien geschmückt. Dargestellt waren üblicherweise Szenen aus der Bibel, die auf das Essen bezogen waren. Das war in der Stadt anders, erläutert der Kurator:

„In den Arbeiterwohnungen hingen eher Bilder mit patriotischen Motiven – beispielsweise Porträts des Schriftstellers Karel Havlíček Borovský. Der Patriotismus löste allmählich den Glauben ab.“

Archiv des Magistrats der Hauptstadt Prag
Aus der Arbeiterküche geht es in einen bürgerlichen Haushalt. Zu bewundern sind zahlreiche ausgestellte Luxusgegenstände. Das Bürgertum habe versucht, im Geschmack mit dem Adel Schritt zu halten, sagt Petr Janeček:

„So wurden verschiedene spezielle Luxusgegenstände erfunden wie beispielsweise Hummerscheren, oder sie hatten dekoratives Geschirr. Wir zeigen hier auch Möbel, die im Vergleich mit denen des Adels ziemlich kitschig waren. Das Bürgertum wollte sich emanzipieren und das Niveau des Adels erreichen.“

Höhepunkt der Ausstellung sind Aufnahmen vom kaiserlichen Hof in Wien. Auf einem Foto ist das typische Abendessen von Kaiser Franz Josef I. abgebildet: Zu sehen ist auch ein Wiener Schnitzel. Der Legende nach soll Marschall Radetzky das Rezept aus Mailand mitgebracht haben. Der Kaiser aß sein Schnitzel angeblich am liebsten mit Kartoffelpüree. Auch ein Festessen am Hof in Wien ist durch Fotos dokumentiert. Es war wie die „Schlacht am kalten Büffet“:

„Eigentlich sah es damals ähnlich aus wie heute bei einem großen Empfang. Die Menschen versuchten, so schnell wie möglich an die besten Delikatessen heranzukommen. Vor mehr als hundert Jahren gab es also auch schon Menschenschlangen vor gedeckten Tischen.“

Die Ausstellung, die die Essgewohnheiten im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts dokumentiert, zeigt abschließend ein besonderes Exponat: das so genannte „Manöverservice“, das die Offiziere zu Militärübungen mithatten. Der Koffer mit dem Service wurde von Dienern geschleppt. Doch das ändert sich während des Ersten Weltkriegs. Da aßen dann auch die Offiziere aus Essschalen, sagt der Kurator:

„Mit dem Ersten Weltkrieg bricht die Monarchie und mit ihr die alte Welt zusammen. Die moderne Zeit beginnt, auch die Essgewohnheiten zu verändern. Es tauchen die ersten Kantinen auf - und Fastfood-Restaurants, wie wir sie heute kennen.“

Die Ausstellung über die Essgewohnheiten in der k.u.k. Monarchie ist im Musaion noch bis 28. Juli dieses Jahres zu sehen.