Dombaumeister Hauck: Es gibt Parallelen zwischen Prager Veitsdom und Kölner Dom

Prager Kathedrale

Der Veitsdom auf dem Hradschin prägt das Stadtbild von Prag. Die Baugeschichte der Kathedrale ist recht lang, zwischendurch wurde der Bau des monumentalen Gotteshauses für mehr als 400 Jahre unterbrochen. Vollendet wurde der Dom erst 1929, der Grundstein wurde aber bereits vor 670 Jahren gelegt. Aus diesem Anlass veranstalteten die Karlsuniversität und das Prager Erzbistum in der vergangenen Woche eine internationale Konferenz. Während der Diskussion über Kathedralen in der Zeit des nationalen Erwachens wurde der Prager Veitsdom mit dem Kölner Dom verglichen.

Erzbischof Arnošt z Pardubic  (Büste im Triforium des Veitsdoms). Foto: Packare,  Wikimedia CC0 1.0
Am 21. November 1344 wurde der erste Prager Erzbischof Arnošt z Pardubic (Ernst von Pardubitz) feierlich in sein Amt eingeführt. Zugleich fand die Grundsteinlegung für den Veitsdom statt - in Anwesenheit des böhmischen Königs Johann von Luxemburg und seines Sohns, des späteren böhmischen Königs und römischen Kaisers Karl IV. Um den Bau der Prager Kathedrale hatte Karl IV. besondere Verdienste. Zu Beginn beauftragte er den französischen Baumeister Matthias von Arras mit dem gotischen Neubau. Nach dessen Tod im Jahre 1352 holte er Peter Parler an die Moldau. Bis zum Beginn der Hussitenkriege waren der Chor und der Grundstock des Turmes fertiggestellt, danach wurde der Bau abgebrochen. Jahrhundertelang blieb der Veitsdom unvollendet.

Václav Michal Pešina
Der Initiator des Weiterbaus im 19. Jahrhundert war der Domkanoniker Václav Michal Pešina (1782-1859). Ausschlaggebend dafür war zunächst die erwachende tschechische Nationalbewegung. Auch die Frömmigkeit der Barockzeit und die deutsche Romantik beeinflussten die Bestrebungen zum Weiterbau des Gotteshauses. Zudem gab es die Beispiele weiter Kathedralen in Europa, deren Bau zu dieser Zeit ebenfalls nach mehreren Hundert Jahren wieder aufgenommen wurde. Kanoniker Pešina ließ sich vom Kölner Dom inspirieren. In seinen Erinnerungen heißt es außerdem, eines Nachts habe er von der Vollendung des Veitsdoms geträumt. Nach einigen Jahren der Vorbereitung wurde 1859 der Dombauverein (Jednota pro dostavbu chrámu sv. Víta) gegründet. Der erste Dombaumeister der zweiten Bauphase der St.-Veit-Kathedrale war Josef Kranner. 1873 wurde dann Josef Mocker mit der Fertigstellung des Sakralbaus beauftragt, dessen Arbeit setzte wiederum Kamil Hilbert fort. 1929 wurde der Veitsdom anlässlich des tausendjährigen Todestags des heiligen Wenzel feierlich eröffnet.

Michael Hauck  (Foto: Elke Wetzig,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Der Weiterbau der Prager Kathedrale und des Kölner Doms sind historisch sehr ähnlich einzuordnen. Der Kölner Dom wurde nach Jahrhunderten im Jahr 1880 vollendet. Michael Hauck ist der heutige Kölner Dombaumeister. Während der Prager Konferenz über die Kathedrale zur Zeit des nationalen Erwachens entstand das folgende Gespräch.

Her Hauck, sehen Sie bestimmte Parallelen zwischen der Vollendung des Baus des Kölner Doms und des Prager Veitsdoms?

„Der Ausbau gestaltete sich zuletzt ganz ähnlich. In Köln baute man das Langhaus fertig und am Ende die Westfassade mit der Zweiturmfassade, und in Prag passierte im Grunde genommen das Gleiche. Das ist eine sehr deutliche Parallele.“

Gibt es auch Parallelen in der Baugeschichte der beiden Gotteshäuser, also warum in Prag wie auch in Köln der Bau abgebrochen und nach Jahrhunderten fortgesetzt wurde?

Prager Veitsdom | Foto: Kristýna Maková,  Praha křížem krážem
„Mit der Vollendung wurde in beiden Städten zu einer Zeit begonnen, als die Nationen entstanden. Insofern brauchte man einen Identifikationspunkt. Das ist das Eine. Das Andere ist der Hintergrund, dass in beiden Fällen die Bauunterbrechung im Zusammenhang mit den Reformationsbestrebungen zu sehen ist. Zu dieser Zeit geriet der Bauvorgang zunächst ins Stocken und wurde schließlich ganz eingestellt. Es wurde aber auch weiter immer noch etwas an den Domen gearbeitet. Man konnte das Bauwerk in Köln nicht 320 Jahre ohne Pflege stehen lassen. Aber was gemacht wurde, war sehr eingeschränkt.“

Der Veitsdom wird immer noch von einem Teil der tschechischen Gesellschaft eher als Nationalsymbol denn als Gotteshaus wahrgenommen. Dies hat sich vor einigen Jahren gezeigt, als Kirche und Staat darum stritten, wem der Veitsdom eigentlich gehört. Dass die Kathedrale eher als nationales Kunstwerk wahrgenommen wird, gründet sich ebenfalls im 19. Jahrhundert, also in der Zeit, als die Bauarbeiten am Dom fortgesetzt wurden. Hatte denn auch der Kölner Dom einst eine Bedeutung als Nationalsymbol?

Kaiser Karl IV. | Foto: Kristýna Maková,  Radio Prague International
„Beim Kölner Dom kann man, glaube ich, nicht davon sprechen, dass es ein nationales Symbol war. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, nach den Napoleonischen Kriegen, hat man in dieser Euphorie, die über die unterschiedlichen Staaten hereingebrochen ist, ein nationales Symbol gesucht. Es war ein Gedanke, der nachvollziehbar war, er ist aber dann in Vergessenheit geraten. Mit den Zwistigkeiten, mit politischen und sozialen Problemen, die es gab, ist das in Vergessenheit geraten. Bei Prag sehe ich das ein bisschen anders, weil schon zur Zeit der ursprünglichen Erbauung der Kathedrale es tatsächlich auch in der Zielsetzung von Karl IV. ein nationales Symbol werden sollte.“

Kölner Dom  (Foto: Thomas Wolf,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Ein Symbol der Stadt ist der Kölner Dom aber geblieben…

„Ich bin Präsident der Europäischen Dombaumeistervereinigung und kenne viele der Kathedralen. Es ist egal, ob sie klein oder groß sind, aber sie spielen alle für die Region und die Stadt, in der sie stehen, eine außerordentlich wichtige Rolle. Jede einzelne ist ein Identifikationspunkt für Menschen, die mit ihrem Dom immer auch Heimat und Ortsgebundenheit verbinden. Das gilt für Prag und Köln, das ist überall so.“

Wie sehr spielt der Glauben dort hinein?

„Man kann sagen, dass es mit dem Glauben nichts zu tun hat. In einer Zeit, in der alles anonymer und uniformer wird, sind diese herausragenden Baudenkmäler etwas wie ein Leuchtturm, an dem man sich orientiert und festhält.“