Auf Václav Havels Spuren: Rašín-Kai und Mánes

Foto: Archiv der Václav-Havel-Bibliothek

„Praha Václava Havla“ zu Deutsch „Das Prag von Václav Havel“ – so heißt ein neuer Bildband des Kunsthistorikers Zdeněk Lukeš. Der Untertitel lautet „Ein Führer durch jene Gebäude, die mit dem Leben des Dramatikers, Dissidenten und Präsidenten verbunden sind“. Insgesamt 69 Orte werden porträtiert, einige davon möchten wir Ihnen näher vorstellen.

Foto: Archiv der Václav-Havel-Bibliothek
Václav Havel verbrachte den Großteil seines Lebens im Haus seines Großvaters in Prag. 1904 hatte der Unternehmer Vácslav Havel es am heutigen Rašín-Kai bauen lassen. Das Haus U Dvou tisíc (Zu den Zweitausend) galt damals als ein sehr modernes Gebäude, sagt Kunsthistoriker Zdeněk Lukeš.

„Es wurden eigentlich zwei Häuser erbaut, die wie Zwillinge aussehen. Sie stehen jedoch erstaunlicherweise nicht nebeneinander. Havels Großvater gelang es vermutlich nicht, zwei Grundstücke direkt nebeneinander zu kaufen. Deswegen stehen zwischen den beiden Häusern noch drei ältere Gebäude. Aber die beiden Häuser sind identisch. Auf dem Dach haben sie eine Kuppel, auf der wiederum jeweils eine Erdkugel steht. Anfang des 20. Jahrhunderts waren sie ein Beispiel für die architektonische Avantgarde, dank der Raumgestaltung, den großen Fenstern und Loggias und einem herrlichen Blick auf das Stadtpanorama.“

Das Tanzende Haus  (links) und das Haus U Dvou tisíc  (rechts). Foto: Jolana Nováková,  Archiv des Tschechischen Rundfuks
In jeder Etage befand sich eine große Wohnung. In einer der Wohnungen lebte auch Havels Großvater mit seiner Familie. Die anderen Häuser, die er in Prag bauen ließ, verkaufte er dann, als er finanzielle Mittel für den Bau des Lucerna-Palastes brauchte. Aber eines der beiden Häuser am heutigen Rašín-Kai, behielt er. Dort wohnten später auch seine beiden Enkelsöhne, der spätere Staatspräsident Václav Havel und dessen Bruder Ivan. Nur für kurze Zeit zog Václav Havel in den Stadtteil Dejvice um, kehrte aber wieder in das Haus am rechten Moldauufer zurück. Dort lebte er bis in die Mitte der 1990er Jahre, erzählt Zdeněk Lukeš.

„Havels Haus ist im Jugendstil erbaut. Der Entwurf stammt vermutlich vom berühmten Architekten Osvald Polívka. Dieser hat sich auch an den Entwürfen für das Prager Repräsentationshaus und andere Jugendstilgebäude beteiligt. Belegt ist in jedem Fall, dass Polívka mit dem Bauunternehmer Havel zusammengearbeitet hat: beispielsweise im Falle einiger Häuser in den Straßen Resslova und Haštalská. Diese Häuser weisen sehr ähnliche Details auf wie die beiden Häuser am Rašín-Kai.“

Das Tanzende Haus

Vlado Milunić  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Neben dem Haus „Zu den Zweitausend“ steht das populäre „Tanzende Haus“. Es wurde in den 1990er Jahren nach dem Entwurf von Vlado Milunić und Frank O. Gehry erbaut.

„Zuvor war dort ein unbebautes Grundstück. Das Gebäude, das dort einst stand, war während des Kriegs von Bomben getroffen worden. Václav Havel hat sich schon vor der Wende gewünscht, dass auf diesem freien Grundstück ein Kulturzentrum entsteht. Damals konnte er das jedoch nicht beeinflussen. Nach der politischen Wende von 1989 wurde das Grundstück im Rahmen der Restitution den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben. Sie verkauften es an die niederländische Versicherungsanstalt Nationale-Nederlanden. Diese ließ dort das Tanzende Haus bauen. Der Investor hat das Gebäude inzwischen wieder verkauft. Heute besteht im Tanzenden Haus wenigstens eine Galerie.“

Restaurant unter Denkmalschutz

Rašín-Kai  (Foto: Chmee2,  CC BY-SA 3.0)
Das Moldauufer unter dem Rašín-Kai hat sich in den letzten Jahren in einen lebendigen und viel besuchten Ort verwandelt, mit zahlreichen Restaurants und Cafés. Zdeněk Lukeš:

„In der Zeit, als Václav Havel klein war, war das Ufer jedoch fast leer. Man begegnete dort höchstens einigen Fischern. Trotzdem hatte der Ort eine besondere Atmosphäre, die die renommierte tschechische Fotografin Dagmar Hochová auf ihren Bildern festgehalten hat. Und der Maler Jiří Chadima schuf Bilder, auf denen das im Nebel versunkene Moldauufer mit Brücken und Dampfern zu sehen ist. Auf diesem Moldauufer haben Václav und Ivan Havel gespielt. Ivan Havel schrieb in seiner Jugend sogar eine Novelle, die sich auf dem heutigen Rašín-Kai abspielte.“

Restaurant „Vltava“  (Foto: Ian Willoughby)
Am rechten Moldauufer steht bis heute Havels beliebtes Restaurant „Paroplavba“, das heute aber „Vltava“ heißt. Das aus Holz gebaute Haus hat dabei sowohl das Hochwasser als auch die Maßnahmen zum Hochwasserschutz überlebt.

„Das ist wirklich ein Glück. Denn in den 1990er Jahren ordnete der Stadtrat an, dass sämtliche Bauten am Moldauufer beseitigt werden müssen. Dies galt auch für dieses traditionelle Fischrestaurant. Die Eigentümer waren unglücklich, denn es war ein Familienunternehmen, das alle politischen Regime überlebt hatte. Sie baten damals Präsident Havel um Hilfe. So wurde erreicht, dass der Holzpavillon zum Kulturdenkmal ausgerufen wurde und seitdem unter Denkmalschutz steht. Václav Havel ist mit seinen Freunden gern in dieses Restaurant gegangen. Genauso gern besuchte er eine kleine Gaststätte namens ‚Rybárna‘. Diese befand sich im selben Häuserblock, in dem er wohnte. Der Eingang war von der Gorazdova-Straße. Heute gibt es die Gaststätte nicht mehr.“

Spitzel im Wasserturm

Gebäude des Künstlervereins Mánes mit dem Wasserturm  (Foto: Barbora Němcová)
Vom Tanzenden Haus geht es weiter entlang der Moldau stromabwärts Richtung Nationaltheater. Auf dem Masaryk-Kai steht das funktionalistische Gebäude des Künstlervereins Mánes. Dort befand sich während der Samtenen Revolution eines der Zentren des Bürgerforums. Im Wasserturm nebenan hatte zuvor der kommunistische Geheimdienst StB einen Posten eingerichtet, um von dort aus Václav Havels Wohnung zu beobachten. Das Gebäude Mánes hatte der gleichnamige Künstlerverein Ende der 1920er Jahre erbauen lassen. Zdeněk Lukeš:

„Das Haus bildet eine Brücke zwischen der Slawischen Insel und dem Masaryk-Kai. Es ist ein funktionalistischer Bau von Otakar Novotný. Der Architekt war Vorsitzender des Mánes-Vereins. Neben dem schönen großen Ausstellungssaal gab es dort früher ein französisches Restaurant, ein Café, einige Geschäfte sowie Büros des Künstlervereins. Heute wird das Gebäude von einer Stiftung der tschechischen bildenden Künstler verwaltet. Während der gründlichen Instandsetzung des Gebäudes hat sich aber die Stiftung verschuldet, und heute ist unklar, wer wirklich der Eigentümer des Mánes ist.“

Foto: Barbora Němcová
Mit Václav Havel hängt das Haus aus mehreren Gründen zusammen – auch wegen der StB-Spitzel im Wasserturm. Zdeněk Lukeš hat die Räumlichkeiten im Turm besucht:

„Es war ein höchst obskurer Raum, dessen Wände mit Polystyrolplatten gedämmt und mit vielen Exemplaren der Tageszeitung der kommunistischen Partei, Rudé právo, beklebt waren.“

Václav Havel besuchte schon in den 1960er Jahren die Galerie Mánes. Das Haus spielte zudem eine wichtige Rolle während der Samtenen Revolution. Künstler und Architekten trafen sich dort ab dem 17. November, um das Bürgerforum mitzubegründen.

„Plakate wurden dort gemalt und Flugblätter gedruckt. Auch Transparente wurden dort angefertigt. Das Mánes verwandelte sich in ein Informationszentrum für Menschen, die auf dem Weg waren zu den großen Demonstrationen auf dem Wenzelsplatz. Im Mánes tagte am 20. November auch die Führung des Bürgerforums mit Václav Havel an der Spitze. Später zog das Bürgerforum in die Laterna magika um.“

Die Führung zu Orten, die mit Präsident Václav Havel verbunden sind, werden wir in einer der nächsten Ausgabe unseres Spaziergangs durch Prag fortsetzen. Dabei besuchen wir unter anderem das Café Slavia und das „Theater am Geländer“.