Tschechiens Umwelt heute: Zwei Studien über Fortschritte mit Rückschlägen

Publikace Životní prostředí v České republice 1989 - 2004
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Wer an das Erbe des Kommunismus in den Staaten des ehemaligen "Ostblocks" denkt, dem fällt neben der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Transformation vielleicht auch das Thema Umwelt ein. Riesige Braunkohlegruben und Schlote, die im Dienste der Planwirtschaft und ohne Rücksicht auf die natürlichen Ressourcen vor sich hin qualmen, gehören auch in den Erinnerungen an die ehemalige kommunistische Tschechoslowakei zu den Horrorbildern. Diese Woche wurden in Prag gleich zwei Studien zum Stand der Umweltqualität, der Umweltpolitik und des Umweltbewusstseins in Tschechien veröffentlicht. Mehr dazu hören Sie nun in einer neuen Ausgabe unserer Rubrik "Schauplatz" von Gerald Schubert:

Karolina Sulova
1,66 Kilogramm Schwefeldioxid muss ein Tscheche im Schnitt in die Luft blasen, um 1000 Dollar zu verdienen. Zum Vergleich: Der OECD-Schnitt beträgt 1,2, der EU-Schnitt sogar nur 0,85 Kilogramm. Ursache dafür seien unter anderem die unzureichenden Investitionen in Umwelttechnologien. Das ist eines der Ergebnisse der OECD-Studie, die am Dienstag in Prag vorgestellt wurde und der Tschechischen Republik einen mehr als fünfzig Punkte umfassenden Katalog an Empfehlungen für den Umweltschutz mit auf den Weg gibt. Fortschritte sind in dem Bericht ebenso vermerkt wie die Rückschläge, die es in einigen Feldern gab. So sei etwa gerade im Bereich der Schadstoffemissionen Anfang der neunziger Jahre eine rasante Wendung zum Positiven verzeichnet worden, die Investitionen in umweltschonende Technologien seien später jedoch wieder zurückgegangen. Karolina Sulova, die Pressesprecherin des tschechischen Umweltministeriums, zu den Ursachen:

"Nachdem Anfang der neunziger Jahre der erste sehr kostenaufwändige Schritt getan war und eine Reihe unproduktiver, umweltschädlicher Betriebe geschlossen worden waren, ist es nicht gelungen, die Schadstoffemissionen weiter zu senken, weil damit größere Investitionen verbunden gewesen wären. Hinzu kommt erschwerend, dass der Autoverkehr seitdem rasant angewachsen ist und eine der Hauptquellen für die hohe Stickstoff- und CO2-Konzentration in der Luft ist. Das ist ein Bereich, um den sich Tschechien jetzt kümmern sollte."

Was die Industrieemissionen angeht, so gibt es eine neue Entwicklung: Seit Donnerstag können nun auch tschechische Unternehmen über eine eigene Internetplattform am Handel mit Luftverschmutzungsrechten teilnehmen. Hintergrund: Jede Firma, die in Umwelttechnologien investiert und den erlaubten Emissionsumfang nicht in Anspruch nimmt, kann den verbleibenden Rest gewinnbringend verkaufen. Ein weiterer Impuls für eine saubere Umwelt könnte, ähnlich wie in Deutschland, die Einführung einer Öko-Steuer sein. Karolina Sulova vom tschechischen Umweltministerium:

"Ein entsprechender Entwurf wird gerade vorbereitet und soll bis Ende des Jahres der Regierung vorgelegt werden. Die Öko-Steuer soll nicht nur zu einer Senkung der Umweltverschmutzung, sondern auch zur Belebung des Arbeitsmarktes führen. Denn sie soll mit einer Senkung der Sozialabgaben verbunden sein, es wird für Arbeitnehmer also vorteilhafter, Beschäftigte einzustellen."


Jiri Hradec  (Foto: Autor)
Nicht als Konkurrenz, sondern allenfalls als Ergänzung zur OECD-Studie versteht sich die Publikation "Umwelt in der Tschechischen Republik 1989-2004", die nur einen Tag später der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Verfasst wurde sie von der Tschechischen Umweltinformationsagentur CENIA. CENIA-Direktor Jiri Hradec:

"Wir wollen mit diesen Informationen dem Umweltministerium nicht sagen, was es tun soll. Wir sind die, die die Fakten zusammentragen, damit die Verantwortlichen ihre Entscheidungen auf einer qualifizierten Basis treffen können."

Eine der Autorinnen der umfangreichen Broschüre ist Rut Bizkova. Die Ausgangssituation für den großen Bogen, den die Studie bis in die Gegenwart geschlagen hat, beschreibt sie so:

"Die Verbesserung der Umweltqualität war im Vergleich mit dem Rest Europas hierzulande viel radikaler. Wenn wir uns aber mit den anderen neuen EU-Staaten vergleichen, dann ist der Unterschied schon nicht mehr so groß. Denn schmutzig waren wir im Jahr 1990 alle."

Eine andere Mitarbeiterin, Jana Cermakova, hat sich in ihrem Teil mit dem Meinungsbild in der Bevölkerung und dem Informationsstand der Bürgerinnen und Bürger bezüglich der Umweltproblematik befasst:

"Leider muss man sagen: Unmittelbar nach der Wende des Jahres 1989, als die Umweltqualität hierzulande die schlechteste in Europa war, nahmen die Bürger dieses Thema noch als eine sehr dringliche Problematik wahr, die unbedingt gelöst werden muss. Das war sogar ein Mitgrund für die ersten Proteste gegen das frühere Regime. Seit damals aber nimmt die Wahrnehmung dieses Problems ab."

Mit dieser Entwicklung wird auch ein Kommunikationsmanko in Tschechien sichtbar, meint Cermakova. Denn was als Aufbegehren gegen sichtbare Sünden des ungeliebten Regimes begann, ging später nur allzu oft im Kampf um individuellen Wohlstand unter. Und gerade in dieser Situation fehlten dann meist die entsprechenden Bürgerinitiativen, die den gesellschaftlichen Diskurs hätten steuern können:

Jana Cermakova  (Foto: Autor)
"Beim Studium des Materials über das Engagement der Gesellschaft bin ich auf folgendes Problem gestoßen: Hierzulande wurden viele Formen der Vereinstätigkeit gewaltsam unterbrochen. Leider nicht nur während des Zweiten Weltkriegs unter der Naziherrschaft, sondern danach auch durch das kommunistische Regime. Wenn wir das etwa mit der Bundesrepublik Deutschland vergleichen, dann sehen wir: Dort gab es natürlich auch die Naziherrschaft, aber danach konnte sich die Gesellschaft auf natürliche Art entwickeln. Hier in Tschechien gibt es hingegen ein Problem mit der Kommunikation. Die Gesellschaft kommuniziert schlecht. Egal, um welches Thema es sich handelt: Wenn es ein Problem gibt, dann scheitert die Lösung oft daran, dass uns die Kommunikationsinstrumente fehlen."

Vielleicht liegt es genau daran, dass sich heute ganz andere Bevölkerungsschichten von Umweltfragen betroffen fühlen als noch vor fünfzehn Jahren. Jana Cermakova von der Tschechischen Umweltinformationsagentur CENIA:

"In diesem Bereich gibt es noch eine weitere interessante Entwicklung: Am Anfang unseres Untersuchungszeitraums, also in den Jahren 1989/90, waren die, die sich am meisten für Umweltthemen interessierten bzw. mit der Qualität der Umwelt in ihrer Umgebung unzufrieden waren, meist Bürger mit niedriger Bildung und niedrigem Einkommen. Gegenwärtig sind es jedoch eher Bürger mit Hochschulbildung und höherem Einkommen, die diese Problematik wahrnehmen."


Petr Saifrid  (Foto: Autor)
Heute ist es nicht nur die tschechische Regierung, die ein Auge auf die heimische Umwelt wirft, sondern auch die Europäische Union. Einheitliche Standards müssen eingehalten werden, auch im Umweltbereich. Doch EU-weite Bestimmungen finden sich nicht nur in verbindlichen Regelwerken, sagt CENIA-Mitarbeiter Petr Saifrid, der sich in der Studie um den Bereich "Freiwillige Aktivitäten im unternehmerischen und öffentlichen Sektor" gekümmert hat:

"Die Europäische Union hat ihr Programm, mit dem umweltschonende Produkte und Dienstleistungen gekennzeichnet werden. Dieses Programm ist auch in diversen tschechischen Vorschriften implementiert. Das sind aber natürlich keine Gesetze, sondern es handelt sich um ein freiwilliges Programm zur Erteilung eines Ökozeichens. Das Äquivalent in Deutschland wäre der Blaue Engel, mit dem umweltfreundliche Erzeugnisse versehen werden."


Wer mehr zum Thema wissen möchte: Die Studie "Umwelt in der Tschechischen Republik 1989-2004" ist, in einem Band zusammengefasst, auf Tschechisch und Englisch verfügbar. Kontakt im Internet: www.cenia.cz