Regierung will weiter Kohle und Atom – Umweltschützer kritisieren Energiekonzept

Foto: Archiv Radio Prag

Wenn Vertreter aus Deutschland und aus Tschechien über Fragen der Energie sprechen, dann klingt das sehr unterschiedlich. Gezeigt hat sich dies vor kurzem wieder rund um den EU-Klimagipfel. Während Berlin zum Beispiel auf ambitioniertere Ziele bei den erneuerbaren Energien drängte, wollte sich Prag in dem Bereich nichts vorschreiben lassen. Letztlich setzte sich die tschechische Position durch. Dies ist der Hintergrund, vor dem die Regierung hierzulande derzeit an einem neuen Energiekonzept arbeitet. Doch schon jetzt ist Kritik an diesem Konzept laut geworden.

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Eigentlich hat Tschechien bei der Energieversorgung dieselben Probleme wie Deutschland. Im aktuellen Mix dominieren Mineralöl, Kohle und Erdgas. Hier lautet die Frage also: Wie lassen sich die fossilen Brennstoffe ersetzen? Doch weitaus brisanter ist die einseitige Ausrichtung bei der Stromerzeugung: Denn mehr als die Hälfte der elektrischen Energie wird mit Kohle produziert, vor allem mit Braunkohle. Eigentlich besteht noch aus Wendezeiten eine Art moralisches Versprechen, die Anlagen mit der Zeit abzuschalten. Mittlerweile sind die Kraftwerke jedoch schon längst entschwefelt. Ist also die Abschaltung der Kohlekraftwerke überhaupt noch ein Ziel? Und wenn ja, wie können sie ersetzt werden?

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Die Antworten darauf sollte eigentlich das Energiekonzept geben. Mit der Arbeit daran wurde bereits vor einigen Jahren begonnen, noch unter der konservativen Regierung Nečas. Das neue Mitte-Links-Kabinett hat den entsprechenden Entwurf geerbt und will bis kommendes Jahr ein Ergebnis präsentieren. Die ersten Entwürfe wurden von mehreren Seiten vor allem deswegen kritisiert, weil sie weiterhin von einem Anwachsen des Energieverbrauches in Tschechien ausgehen. Dabei sind hierzulande noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um Energie zu sparen. In dem Bereich aber plant Industrie- und Handelsminister Jan Mládek gewisse Änderungen. Sein Ressort ist federführend für das Energiekonzept. Bei einer Talkshow im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen sagte der Sozialdemokrat:

Jan Mládek  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Einsparung von Energie soll weitaus stärker betont werden. Dies ist schließlich auch das Prinzip für die Nutzung europäischer Fördergelder. Derzeit steht bei den tschechischen Umweltprojekten die Wärmedämmung im Vordergrund. Hier werden die Ergebnisse also besser sein als erwartet.“

Auch Umweltschützer und weitere Kritiker der derzeitigen Energiepolitik begrüßen diese Änderung. Dennoch sind sie insgesamt nicht zufrieden mit den Zielen der Sobotka-Regierung. Ladislav Miko ist ehemaliger tschechischer Umweltminister und leitet mittlerweile die Generaldirektion „Gesundheit und Verbraucherschutz“ bei der Europäischen Kommission:

Ladislav Miko  (Foto: Archiv Radio Prag)
„Man muss anerkennen, dass die derzeitige tschechische Regierung die Energieeffizienz erhöhen will. Auf der anderen Seite will sie aber keine Verpflichtungen eingehen und definiert daher kein konkretes Ziel beim Energiesparen. Das wäre aber sicher sinnvoll. Schließlich gibt es die Mittel, um gewisse Ziele zu erreichen. Bei der erwähnten Wärmedämmung zum Beispiel lassen sich bis 2030 etwa 22 Prozent Energie einsparen. Das ist sehr viel, und damit ließe sich auch unsere Abhängigkeit von den Gasimporten aus Russland reduzieren.“

Die Abhängigkeit von russischem Gas wird hierzulande nicht erst diskutiert, seitdem der Konflikt im Osten der Ukraine ausgebrochen ist. Schon zu Zeiten der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2009 war dies ein Thema. Deswegen sagt Mládek, dass die Regierung insgesamt sechs Varianten für einen zukünftigen Energiemix durchgespielt habe:

Foto: Archiv Radio Prag
„Wir sagen, dass wir zwei der Varianten nicht wollen. Das eine ist die Variante, Gas als Primärenergiequelle einzusetzen. Und wir wollen auch nicht jene Variante, bei der extrem auf erneuerbare Energien gesetzt wird. Der Grund ist, dass dies für Tschechien zu teuer ist. In unserem Szenario sollen drei Ziele erfüllt werden: die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft, die Nachhaltigkeit und natürlich auch ein Beitrag zur Umwelt. Deswegen sagt diese Regierung, dass die Atomenergie ausgebaut werden muss. Dies senkt allgemein die CO2-Emissionen.“

Gegen diesen atomfreundlichen Kurs versuchen Umweltschützer schon seit vielen Jahren zu argumentieren. Dabei wenden sie sich vor allem gegen die Behauptung, erneuerbare Energien würden viel kosten, Atomkraftwerke seien hingegen billiger. Martin Mikeska von der Umweltorganisation Hnutí Duha (Bewegung Regenbogen) verweist dabei auf eine Entscheidung der tschechischen Regierung. Diese hat im April dieses Jahres verkündet, dass sie keine Preisgarantie für den Aufkauf von Strom aus dem Atomkraftwerk Temelín geben könne. Diese Garantie hatte der Energiekonzern ČEZ als Betreiber gefordert, um den Ausbau des Meilers um zwei weitere Reaktorblöcke vorantreiben zu können.

Martin Mikeska  (Foto: Archiv Hnutí Duha)
„Mittlerweile ist also klar, dass neue Akw-Blöcke weder in Tschechien noch sonstwo in der Welt ohne staatliche Hilfe gebaut werden. Diese Sache, die die Umweltorganisationen schon seit vielen Jahren sagen, ist seit diesem Frühjahr eine allgemeine Erkenntnis geworden. Darüber sind wir froh. Zudem haben die Atomkraftwerke – im Vergleich zu den Erneuerbaren Energien – in den Jahrzehnten ihres Betriebs ein Vielfaches mehr an staatlichen Zuschüssen erhalten, trotzdem sind sie nicht konkurrenzfähig. Zugleich stehen die erneuerbaren Energien noch ganz am Anfang ihres wirtschaftlichen Erfolgs und werden immer billiger.“

Letztlich bekennt auch Minister Mládek, dass die Kostenfrage bei neuen Atommeilern nicht geklärt ist. Doch bedeutet das für die tschechische Regierung kein Plädoyer für mehr erneuerbare Energien:

Braunkohle  (Foto: Archiv Czech Coal)
„Grundsätzlich diskutieren wir darüber, dass der Ausbau der Atomenergie nicht zu teuer werden darf für den Steuerzahler beziehungsweise für den Verbraucher. Deswegen muss ich erwähnen, dass wir auch eine heimische Energiequelle haben, und das ist die Braunkohle. Die wollen wir unter Berücksichtigung der Emissionslimits auch weiter nutzen. Dabei geht es auch um die Beschäftigungsmöglichkeiten in jenen Regionen, die einen Strukturwandel durchmachen, und das ist durchaus wichtig.“

Kohle soll also auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Weiter auf den traditionellen Energiemix zu setzen hält Ladislav Miko von der Europäischen Kommission jedoch für eine schlechte Idee. So fehle damit auch der Druck, mit den europäischen Trends Schritt zu halten und zum Beispiel die Energienetze zu modernisieren:

Foto: Europäische Kommission
„Der bisherige Weg lässt sich sicher noch eine gewisse Zeit beschreiten, aber nicht ewig. Das ist ja gerade der Witz an der Sache, wann welcher Staat auf die neue Struktur des Energiemix‘ vorbereitet sein wird. Ich denke, dahin sollte das Energiekonzept führen.“

Im Übrigen droht hierzulande so bald auch noch nicht, dass die Lichter ausgehen. Denn der Umfang der Stromproduktion ist gewaltig. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden in Tschechien insgesamt 41 Terrawattstunden Strom produziert, aber verbraucht wurden nur 31 Terrawattstunden. Das heißt, ein Viertel der elektrischen Energie wurde ganz einfach exportiert.