Neuer Skandal im Verteidigungsministerium erschüttert Regierungskoalition

Martin Barták (Foto: Kristýna Maková)

Entschlossen werde man gegen Korruption und schmutzige Geschäfte beim Kauf von Rüstungsgütern vorgehen, hatten Verteidigungsminister Alexandr Vondra und Premierminister Petr Nečas (beide ODS) auf ihrer gemeinsamen Antrittspressekonferenz im Sommer dieses Jahres versichert. Zum Beweis dafür, dass es die Regierung ernst meint mit der Trockenlegung des großflächigen Korruptionssumpfes im Verteidigungsministerium erhielten mehrere Spitzenbeamte des Ressorts ihr Kündigungsschreiben. Kurz drauf veröffentlichte die Tageszeitung "Mladá fronta dnes" neue Korruptionsvorwürfe. Bereits damals geriet auch der Verteidigungsminister der Übergangsregierung von Jan Fischer und langjährige Ministerstellvertreter Martin Barták in ein schiefes Licht. Doch es gelang dem mittlerweile als Stellvertreter von Finanzminister Miroslav Kalousek (TOP 09) wirkenden Barták, die Vorwürfe zu entkräften. Seit Ende vergangener Woche allerdings genießt Herr Barták bis auf Weiteres Urlaub. Unbezahlt und womöglich nicht ganz freiwillig.

Martin Barták  (Foto: Kristýna Maková)
Martin Barták, der Stellvertreter von Finanzminister Miroslav Kalousek, ist seit Ende der vergangenen Woche auf Urlaub. Eine Tatsache, die nicht weiter berichtenswert wäre, hätte Barták diesen Urlaub unter gewöhnlichen Umständen und zu den üblichen Bedingungen angetreten.

„Irgendwann nach zehn Uhr hat mich mein Stellvertreter Barták aufgesucht und mich um unbezahlten Urlaub gebeten. Ich habe das genehmigt. Das war die freie Entscheidung von Herrn Barták, ohne jede Intervention“, so Finanzminister Miroslav Kalousek am Freitag. Dieser Darstellung widersprach allerdings wenige Stunden später Premierminister Petr Nečas:



Miroslav Kalousek  (Foto: ČTK)
„Nachdem Finanzminister Kalousek am Vormittag erklärt hat, er wolle über den Verbleib von Herrn Barták im Amt erst nach dem Abschluss der Ermittlungen in dieser Causa entscheiden, habe ich mich sofort mit ihm in Verbindung gesetzt. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich es für inakzeptabel halte, dass Barták im Amt bleibt, während die schwerwiegenden Verdachtsmomente gegen ihn untersucht werden.“

William J. Cabaniss
Einmal mehr sind also die als potenzieller Konfliktherd in der Regierungskoalition bekannten Herren Nečas und Kalousek aneinandergeraten. Doch das ist nur die Auswirkung, die Ursache liegt in einem neuen Korruptionsverdacht gegen Martin Barták begründet. Aufgedeckt haben die Causa allerdings nicht etwa die Ermittlungsbehörden, sondern erneut Journalisten der Tageszeitung „Mladá fronta dnes“.

Vorgebracht werden die Vorwürfe von niemand geringerem als dem ehemaligen US-Botschafter in Prag, William J. Cabaniss. Der damalige stellvertretende tschechische Verteidigungsminister Martin Barták soll Cabaniss im Februar 2008 bei einem konspirativen Treffen auf einem Schießplatz in der Nähe von Washington angeboten haben, Probleme bei der Beschaffung von Lkw der Marke Tatra aus der Welt zu schaffen. Der traditionsreiche tschechische Fahrzeughersteller, der seit Jahren einem US-amerikanischen Unternehmen gehört, bekam im Jahr 2006 den Auftrag zur Lieferung von 555 Armeelastwagen. Streitigkeiten mit dem als Subunternehmer eingebundenen unterlegenen Konkurrenten Praga drohten das Geschäft platzen zu lassen. Barták soll versprochen haben, in diesem Streit vermittelnd einzugreifen. Gegen Geld freilich, die Rede ist von Millionenbeträgen. In US-Dollar wohlgemerkt. Auch der damalige Tatra-Manager Ronald Adams ist nach Informationen der „Mladá fronta Dnes“ bereit, gegenüber den tschechischen Ermittlungsbehörden Einzelheiten zu dem Deal zu nennen.

Der Chef der Firma Praga-Export, Petr Ptáček, erhob am Montag in der Tageszeitung „Právo“ wiederum schwere Vorwürfe gegen Ex-Botschafter Cabaniss und den ehemaligen Tatra-Manager Adams. Es sei verdächtig, dass die beiden ihre Vorwürfe erst jetzt, beinahe drei Jahre später, äußerten. Womöglich wollten die beiden Herren nur von eigenen Straftaten ablenken. Einen entsprechenden Verdacht hege sein Unternehmen schon seit längerer Zeit, so Ptáček.

Martin Barták, der nicht ganz freiwillig urlaubende stellvertretende Finanzminister, sagte gegenüber dem Tschechischen Fernsehen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen:

„Ich weise das kategorisch zurück, ich habe nie irgendjemandem ein derartiges Angebot gemacht. Ich erachte das als Fortsetzung der gezielten Hetzkampagne, die die ‚Mladá fronta dnes’ gegen mich führt. Ich hoffe, dass sich die Sache bald aufklärt; die Wahrheit ist auf meiner Seite. Trotzdem habe ich für die Dauer der Ermittlungen den Finanzminister um unbezahlten Urlaub gebeten, um weder dem Ministerium noch der Regierung zu schaden.“

Alexandr Vondra  (Foto: ČTK)
Doch warum hat Finanzminister Kalousek seinen Stellvertreter nicht gleich abberufen? Verteidigungsminister Vondra hat bereits mehrere Spitzenbeamte aus seinem Ressort gefeuert, nachdem sie in Verdacht geraten waren, an unsauberen Geschäften beteiligt gewesen zu sein oder zumindest davon gewusst zu haben. In der sonntäglichen Diskussionsrunde im Tschechischen Fernsehen warf der geschäftsführende Sozialdemokratenchef Bohuslav Sobotka Premier Petr Nečas Untätigkeit vor:

„Das, was wir im Moment beobachten können, ist meiner Meinung nach ein Autoritätsverlust des Premierministers. Es ist doch nicht möglich, dass der Premier in einer Situation nicht eingreift, wo der stellvertretende Finanzminister von zwei Zeugen der Korruption beschuldigt wird. Und trotzdem wird dieser Minister-Stellvertreter nicht umgehend aus seinem Amt abberufen.“

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Trotz des unbezahlten Urlaubes sei Martin Barták weiterhin Angestellter des Finanzministeriums und habe somit Zugang zu seinem Büro und Zugriff auf wichtige Unterlagen. Dadurch könne er belastendes Material verschwinden lassen, kritisiert der Sozialdemokrat Sobotka. Regierungschef Nečas entgegnete in der Fernsehdebatte:

„Herr Barták ist nicht in seinem Amt tätig. Er hat unbezahlten Urlaub und wird nicht in seine Amtsräume gehen. Er wird keinen Einfluss auf amtliche Entscheidungen des Finanzministeriums nehmen. Ich habe eindeutig gesagt, dass diese Sache gründlich untersucht werden muss. Und das sehrblock schnell und mit der größtmöglichen Objektivität. Ich halte über niemandem meine schützende Hand, allerdings werde ich auch niemanden beschuldigen, bevor nicht Beweise auf dem Tisch liegen.“

Illustrationsfoto: Barbora Kmentová
Bohuslav Sobotka empfahl Nečas Zurückhaltung, schließlich hätten auch seine Sozialdemokraten und er selbst als ehemaliger Vizepremier und Finanzminister „Butter auf dem Kopf“. Eine der skandalträchtigsten Beschaffungen im Verteidigungsressort, der gescheiterte Ankauf und die nachfolgende Anmietung von Gripen-Abfangjägern gehe auf das Konto der Sozialdemokraten. Dass dabei einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, hätte die britische Anti-Korruptions-Behörde eindeutig bestätigt, so Nečas. Darauf konterte der geschäftsführende Sozialdemokratenchef Sobotka:

Bohuslav Sobotka
„Die Regierung hat meiner Meinung nach die Möglichkeit zu einer unabhängigen Untersuchung verpasst. Wir hätten gemeinsam eine Untersuchungskommission im Parlament einrichten können. Ich habe eindeutig vorgeschlagen, dass dieser Ausschuss alle Vorgänge im Verteidigungsministerium seit dem Jahr 1993 untersuchen sollte. Ganz ohne Rücksicht darauf, wer gerade Minister war und wer die öffentlichen Ausschreibungen verfasst hat.“

Er wolle Polizei und Staatsanwaltschaft „nicht ins Handwerk pfuschen“, sagt Petr Nečas zur Erklärung, warum seine Mitte-Rechts-Koalition der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Abgeordnetenhaus nicht zugestimmt hat. Die Ermittlungsbehörden müssten absolut freie Hand haben bei der Aufklärung der Korruptionsvorwürfe.

Bleibt abzuwarten, ob die Ermittlungen diesmal auch zu einem Ergebnis führen und Konsequenzen für die Verantwortlichen nach sich ziehen. Dies wäre eine Premiere in der Geschichte der Tschechischen Republik, denn bisher sind die Untersuchungen von verdächtigen Vorgängen im Verteidigungsministerium stets im Sand verlaufen.