Kritik an illegalen Mülltransporten nach Tschechien beweist steigende Sensibilität der Bürger

Aus den Medienberichten der vergangenen Wochen hätte man leicht den Eindruck gewinnen können, als wenn Tschechien angesichts der vermehrten Fälle von illegalen Mülltransporten aus Deutschland künftig die Mülldeponie Europas wird. Nicht nur diesem Thema, sondern auch der steigenden Sensibilität der Tschechen in Umweltfragen widmet sich Robert Schuster im folgenden Schauplatz.

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Der Müll aus deutschen Kommunen, der in den vergangenen Monaten illegal ins Land importiert und hier gelagert wurde, ist nach wie vor eines der beherrschenden Themen in Tschechien. Spätestens nachdem Anfang Februar eine dieser illegalen Mülldeponien in Flammen aufging, sind die möglichen Risiken offen zu Tage getreten. Auch der wahre Umfang dieser Mülltransporte scheint nun ersichtlich zu sein. So wird angenommen, dass in den vergangenen Monaten mehr als 600 Ladungen Müll von Deutschland nach Tschechien verschoben und an verschiedenen Orten - vor allem in Nordböhmen - abgeladen wurden.

Mittlerweile ist aus dem Ganzen auch ein wichtiges Politikum geworden. So hat die tschechische Regierung in der vergangenen Woche beschlossen, sich offiziell an die deutsche Bundesregierung zu wenden. Sie will damit erreichen, dass diese Transporte unterbunden werden.

Der Handel mit Müll, der dann von einem Staat in den anderen exportiert wird, mag zwar so manchen Beobachtern als moralisch verfänglich erscheinen, im Prinzip ist das jedoch eine legitime unternehmerische Tätigkeit in einem wichtigen Nischensektor. Umso notwendiger ist es aber dann, dass diesbezüglich klare Regeln und Schranken gelten, die auch von den Kontrollbehörden überwacht werden.

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Eine zentrale Rolle spielt dabei die Tschechische Umweltinspektion, die organisatorisch zum Umweltministerium gehört. Den Inspektoren obliegt es auch im aktuellen Fall der illegalen Mülltransporte die Ermittlungen zu leiten. Wie viele Fälle von illegalen Müll-Transporten nach Tschechien konnten in den vergangenen Wochen aufgedeckt werden? Wurden auch schon erste Strafen verhängt? Das fragten wir die Sprecherin der Tschechischen Umweltinspektion Eva Roleckova:

"Die ganze Angelegenheit ist bereits älteren Datums und reicht bis Ende Oktober, Anfang November vergangenen Jahres zurück. Damals haben sich erstmals die Auswirkungen einer schärferen Abfall-Verordnung bemerkbar gemacht, die in Deutschland im Sommer vergangenen Jahres in Kraft getreten ist. Es hat einige Monate gedauert, bis Wege gefunden wurden, wie man die Verordnung umgehen kann. Das führte dann zu den ersten illegalen Abfall-Exporten nach Tschechien. Gegenwärtig untersuchen wir 15 Orte, wo solche Abfälle deponiert wurden. In zehn dieser Fälle handelte es sich tatsächlich um Müll, der aus Deutschland importiert wurde, in fünf weiteren Orten sind die diesbezüglichen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt zwei Geldstrafen verhängt, verbunden mit der Auflage den ursprünglichen Stand wieder herzustellen. Die Höhe dieser Strafen betrug im ersten Fall 250 000 Kronen (umgerechnet 8500 Euro) und im zweiten Fall 300 000 Kronen, was etwas mehr als 10 000 Euro entspricht. Ich gehe aber davon aus, dass in den anderen Fällen diese Strafen schon höher ausfallen werden."

Frau Roleckova zu Folge ist Tschechien unter den neuen EU-Mitgliedsländern aus Mittel- und Osteuropa kein Sonderfall, was illegale Mülltransporte aus den alten Mitgliedsländern angeht. Auch in der benachbarten Slowakei wurden bereits einige solche Fälle festgestellt, ebenso auch in Polen. Auch aus diesem Grund versucht nun die Tschechische Umweltinspektion, mit den Partnerinstitutionen in diesen Ländern in Kontakt zu treten, um Informationen auszutauschen.

Dennoch steht in diesem Zusammenhang die Frage im Raum, ob es möglich gewesen wäre, dieser Entwicklung vorzubeugen? In wie weit hängt das Ganze mit dem EU-Beitritt Tschechiens zusammen bzw. dem Wegfall der Grenzkontrollen zwischen Tschechien und Deutschland? Dazu sagt Frau Roleckova von der Tschechischen Umweltinspektion:

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"Die Beseitigung der gemeinsamen Grenzen hat das sicherlich erleichtert, aber ich würde das nicht mit dem EU-Beitritt in Verbindung bringen, weil das wirklich in erster Linie mit den neuen strengeren Regeln in Deutschland zusammenhängt. Es war also eine Frage der Zeit, wann so genannte Unternehmer und Geschäftemacher auf beiden Seiten der Grenze versuchen würden, so etwas auszunutzen. Neu für uns ist, dass es sich um Kommunalmüll handelt. Davor hatten wir uns zum Beispiel den Kopf zerbrochen, wie man die illegale Einfuhr von alten Autoreifen, oder sogar Auto-Wracks eindämmen könnte. Mit kommunalem Abfall hatten wir jedoch keine Erfahrungen. Es gab keinen Präzedenzfall und niemand konnte ahnen, dass das solche Ausmaße annehmen würde."

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Abseits dieser großen Fälle wie den eben beschriebenen illegalen Mülldeponien befasst sich die Tschechische Umweltinspektion generell mit der Ahndung aller Verstöße gegen geltendes Recht im Umweltbereich in Tschechien. Handelt es sich dabei um Verstöße großen Ausmaßes, wird die Behörde mittels ihrer Zweigstellen selber aktiv. Ansonsten, vor allem auf kommunaler Ebene, ist die Inspektion auch auf Anregungen von Seiten der Bürger angewiesen. In welchem Bereich werden in Tschechien die Umweltgesetze am häufigsten umgangen oder nicht eingehalten? Eva Roleckova:

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"Ein großes Unternehmen ist sicher einer stärkeren öffentlichen Kontrolle ausgesetzt, als ein Kleinunternehmen. Auch die Folgen für die Umwelt sind dann natürlich bedeutend größer. Bei lokalen Umweltsündern sind häufig örtliche Organe und Institutionen zuständig, wie etwa die Gemeindeämter. Die Schwierigkeit besteht aber dann oft darin, dass es in diesem kleinen und überschaubaren Rahmen oft länger dauern kann, bis Verstöße gegen geltende Umweltbestimmungen geahndet werden. Schließlich kennen sich dort alle und so ist es für einen örtlichen Bürgermeister immer schwerer, dem eigenen Nachbarn eine Verwaltungsstrafe zu erteilen, als wenn das jemand von der Tschechischen Umweltinspektion - also einer übergeordneten Stelle - tun würde. Dabei geht es oft um Kleinigkeiten, die das Zusammenleben in einer Gemeinde gefährden, wie zum Beispiel die Belastung durch erhöhten Lärm. In diesem Zusammenhang ist also sicherlich die Frage zulässig, ob gerade diese auf den ersten Blick kleineren, aber oft häufigeren Verstöße, im Endeffekt nicht schwerer wiegen, als die Umweltverschmutzung, die von großen Unternehmen begangen wird. Gerade bei solchen Fällen ist dann gerade das Interesse der Medien besonders groß, wie zuletzt, als in Kolin aus einem Unternehmen kyanidhaltige Abwässer in die Elbe gerieten und ein großes Fischsterben zur Folge hatten. So etwas passiert allerdings nicht so oft."

Dem Schutz der Umwelt wird von den meisten Tschechen ein konstant hoher Stellenwert beigemessen. Zumindest zeigen das verschiedene regelmäßig veröffentlichte Umfragen. Ob das aber auch der Wirklichkeit entspricht, ist natürlich eine ganz andere Frage, deren Beantwortung schon mit so scheinbaren Kleinigkeiten, wie der richtigen und konsequenten Trennung des Haushaltsmülls beginnt.

Wie hat sich in den vergangenen Jahren das Umweltbewusstsein der Tschechen entwickelt? Lässt sich eine Tendenz zum Besseren feststellen? Das war unsere abschließenden Frage an Frau Eva Roleckova von der Tschechischen Umweltinspektion:

"Ich denke, dass sich das sehr stark verbessert hat. Unmittelbar nach dem Jahr 1989 ließ sich die Tendenz feststellen, dass sich die Menschen in diesem Land mehr darum kümmerten, wie sie am schnellsten zu einem neuen Auto gelangen können, als um den Stand der Umwelt. Sie wollten sich eben etwas leisten und gönnen. Obwohl diese Konsum-Welle immer noch andauert, denke ich doch, dass eine gesunde Umwelt für eine immer größere Zahl der Bewohner dieses Landes immer wichtiger wird. Es ist zum Beispiel bemerkenswert, wie stark sich in den letzten Jahren viele Bürger für die Erhaltung von Grünflächen eingesetzt haben und uns auf Fälle aufmerksam machten, wo diese in Gefahr waren. Es ist auch ein verstärktes Interesse an einer guten Wasser- und Luftqualität festzustellen. Das alles hatte zur Folge, dass sich auch die Lage der Umwelt wirklich wesentlich verbesserte. Einer der Gründe, warum das eingetreten ist, ist sicherlich die bessere Kontrolle, die nun vorhanden ist und die Menschen wollen ganz einfach, dass sich das noch mehr verbessert."