Korruption oder Komplott? Aufstieg und Fall des Jiri Cunek

Jiri Cunek (Foto: CTK)

Nur noch wenige Stunden im Amt bleiben dem stellvertretenden Regierungschef und Minister für Regionalentwicklung Jiri Cunek. Wie Radio Prag berichtet hat, wird Cunek auf der Regierungssitzung am Mittwoch offiziell seinen Rücktritt bekannt geben. Ob er auch den Parteivorsitz der tschechischen Christdemokraten (KDU-CSL) und sein Amt als Senator liederlegt, das ist derzeit noch offen. Zum Verhängnis wurde Cunek eine angebliche Schmiergeldaffäre, garniert mit dem Vorwurf des Missbrauchs staatlicher Sozialhilfe. Wurde Jiri Cunek Opfer eigener Korrumpierbarkeit oder eines Komplotts politischer Gegner?

Jiri Cunek  (Foto: CTK)
Straßenumfrage im ostmährischen Städtchen Vsetin, wo Jiri Cunek früher einmal Bürgermeister war. "Ich denke mir überhaupt nichts mehr", sagt ein Passant. "In der ganzen Causa Cunek ist schon so viel gesagt worden, dass ich einfach nicht mehr weiß, was ich denken soll."

"Das, was hier passiert ist, war schlecht", meint eine Frau. "Wahrscheinlich war jemandem daran gelegen, Cunek auszuschalten."

"Ich glaube, die ganze Sache ist konstruiert und verzerrt dargestellt", ärgert sich auch ein anderer Befragter. "Meiner Meinung nach gibt es eine Clique, und zwar eine Prager Clique, die das alles organisiert."

In Vsetin - dort, wo voriges Jahr sein kometenhafter Aufstieg zum Senator, zum Parteichef der Christdemokraten und schließlich zum Vizepremier und Minister für Regionalentwicklung begann - dort genießt Jiri Cunek also noch einiges an Vertrauen. Doch bei der Affäre, die sich um den 48-Jährigen rankt, geht es um weit mehr als um mährisches Misstrauen gegenüber dem glatten politischen Parkett im fernen Prag, auf dem Cunek letztlich ausgeglitten ist.

Als Cunek im Oktober 2006 erstmals landesweite Aufmerksamkeit auf sich zog, wurde er sofort zur kontroversen Figur. Als Vsetiner Bürgermeister warf er 36 Roma-Familien, die ihre Mieten nicht bezahlt hatten, aus ihren Kommunalwohnungen und siedelte sie teils in Containersiedlungen am Stadtrand, teils in weiter entfernten Gemeinden an. Umstritten war vor allem die rhetorische Begleitmusik - etwa als Cunek sagte, er habe nur ein Geschwür entfernt, so wie es auch Ärzte tun. Im März dieses Jahres setzte Cunek noch eins drauf: Man müsse sich erst bräunen lassen, zusammen mit der Familie Krach schlagen und auf dem Marktplatz Feuer machen - erst dann würden sich einige Politiker um einen kümmern.

Nun wird Cunek vorgeworfen, er habe vor seiner politischen Laufbahn selbst Sozialgelder bezogen, gleichzeitig aber Millionenbeträge auf diverse Konten eingezahlt. Cunek weist jede Schuld von sich. Sein Geld habe er ehrlich verdient, und auch der Bezug staatlicher Unterstützung sei korrekt gewesen:

"Ich hatte damals nicht die leiseste Ahnung, dass ich einmal Politiker werden würde", so Cunek. "Ich war ein normaler Bürger wie jeder andere auch und habe mich gesetzestreu verhalten. Ich hatte vier Kinder und eine Frau zu Hause, und mit meinem Gehalt hatte ich Anspruch auf Sozialleistungen. Irgendjemand will das heute aber gegen mich verwenden und aus mir einen Menschen machen, der irgendwie anders ist als alle anderen Bürger dieses Landes."

Das, was er vor seiner Zeit als Politiker getan hat, gehe außerdem niemanden etwas an, so Cunek. Hat er sich damit selbst den politischen Giftcocktail aus schlechter Optik und ungeschickter Verteidigung gemixt? Wie dem auch sei: Ausschlaggebend für Cuneks Rücktritt war gar nicht die Frage, ob er irgendwann zu unrecht Sozialhilfe empfangen hatte, sondern eine angebliche Korruptionsaffäre jüngeren Datums, aus seiner Zeit als Vsetiner Bürgermeister.

Eine halbe Million Kronen Schmiergeld, das sind etwas mehr als 18.500 Euro, soll er damals von einer Immobilienfirma bekommen haben. Erst vor wenigen Wochen war die Causa als gegenstandslos zu den Akten gelegt worden, nun hat die Oberste Staatsanwältin doch weitere Untersuchungen angeordnet. Das immer undurchsichtigere Gestrüpp aus Anschuldigungen und Gegendarstellungen, dem auch bereits Vertreter von Staatsanwaltschaft und Polizei zum Opfer gefallen sind, wurde schließlich auch der Hauptfigur der Causa, Jiri Cunek selbst zum Verhängnis.


Zur aktuellen Situation haben wir unseren freien Mitarbeiter, den Politologen Robert Schuster um eine Einschätzung gebeten:

Radio Prag: Jiri Cunek gibt wie gesagt zwei seiner insgesamt vier politischen Ämter ab. Er wird nicht mehr stellvertretender Regierungschef sein und auch nicht mehr Minister für Regionalentwicklung. Allerdings ist er immer noch Vorsitzender der Christdemokratischen Partei (KDU-CSL) und gewählter Senator. Diese beiden Funktionen will er behalten. Ist das realistisch?

Robert Schuster: "Ich fange mit dem Mandat im Senat an. Im Herbst vergangenen Jahres wurde er mit einer sehr großen Mehrheit gewählt. Und wenn man in den letzten Monaten die Reaktionen seiner Wähler im Vsetiner Wahlkreis verfolgt hat, dann hat man das Gefühl, dass sie ihrem Senator und früheren Bürgermeister nach wie vor die Stange halten. Das heißt, selbst wenn er als Senator zurücktreten würde, um vielleicht noch einmal anzutreten, wäre seine Wahl wohl wieder sicher. Was den Parteivorsitz angeht, so muss man die Entwicklung in den nächsten Tagen abwarten. Es steht fest, dass Cunek in den einzelnen Kreis- und Bezirksverbänden seiner Christdemokraten erstmals keine Mehrheit hinter sich hat. Dort sitzen Politiker, die im kommunalen Bereich sehr engagiert sind und einen ziemlichen direkten Draht zur Bevölkerung haben. Sie geben die Stimmungslage natürlich auch weiter, und dieser Druck könnte Cunek letztlich das Parteiamt kosten."

 Jiri Cunek  (Foto: CTK)
Radio Prag: Eigentlich wurden wir dieser Tage mit zwei Affären rund um Jiri Cunek konfrontiert. Das eine ist wie gesagt eine alte Korruptionsaffäre, die eigentlich schon auf Eis gelegt worden war, das andere ist eine neue Causa, die im Tschechischen Fernsehen hochgekommen ist. Dabei geht es darum, dass Cunek vor seiner Zeit als Spitzenpolitiker Millionenbeträge auf seine Konten eingezahlt und gleichzeitig Sozialgelder empfangen hat. Die alte Korruptionsaffäre aber wurde jetzt von der obersten Staatsanwältin Renata Vescka auch wieder neu auf den Tisch gelegt. Ist diese Gleichzeitigkeit ein Zufall?

Robert Schuster: "Ich denke, das ist kein Zufall. Bereits in den vergangenen Wochen und Monaten wurden ja von unabhängigen Beobachtern starke Zweifel an der Art und Weise geäußert, wie die örtlichen Polizeibehörden die Ermittlungen führen. Da sind ja einige Dinge passiert - etwa als ein hoher Polizeiermittler mit der Kronzeugin Mails ausgetauscht hat, oder als gezielt Informationen aus dieser Ermittlungsakte an die Medien gelangt sind. Bei diesen Durchleuchtungsaktionen sind wahrscheinlich auch Belege gefunden worden, wo diese dreieinhalb Millionen Kronen auftauchen. Das ist jetzt zum richtigen Zeitpunkt an die Medien gelangt und wurde veröffentlicht. Ich würde da schon einen ziemlich starken Zusammenhang sehen."