Koalition: Čunek-Streit statt Advents-Harmonie

Jiří Čunek (Foto: CTK)

Zwei Wochen sind es noch bis Weihnachten, und in den Geschäftspassagen rieselt aus allen Lautsprechern Familiensinn und Harmonie. Offensichtlich unbeeindruckt davon ist die Regierungskoalition – hier wird kräftig gestritten: derzeit vor allem um die Frage, ob der umstrittene Christdemokraten-Chef Jiří Čunek ins Kabinett zurückkehren darf.

Jiří Čunek  (Foto: CTK)
Wer angenommen hat, dass es auch in der tschechischen Politik in der Adventszeit besinnlich und konfliktarm zugehen wird, wurde in den letzten Tagen eines Besseren belehrt. Doch nicht etwa der von den oppositionellen Sozialdemokraten in der vergangenen Woche eingeleitete Misstrauensantrag gegen die Regierung von Premier Mirek Topolánek trübte die Stimmung in dessen Drei-Parteien-Koalition aus Bürgerdemokraten, Christdemokraten und Grünen.

Vielmehr war es die Entscheidung der Christdemokraten ihren Vorsitzenden und früheren Minister für Regionalentwicklung Jiří Čunek wieder in die Regierung zu nominieren. Dabei musste der Politiker erst vor einem Monat zurücktreten, weil seit mehr als sechs Monaten gegen ihn wegen Korruptionsverdacht ermittelt worden war. Čunek saß die Affäre lange aus, doch als bekannt wurde, dass die Oberste Staatsanwaltschaft die bereits im Sommer gegen ihn eingestellten Ermittlungen wieder aufnehmen wollte, gab er auf und reichte Anfang November seinen Rücktritt ein. Kurze Zeit später kam es aber in der Angelegenheit zu einer erneuten Wende und der ermittelnde Staatsanwalt beschloss, diesmal endgültig den Fall des früheren Vizepremiers zu den Akten zu legen und die Ermittlungen einzustellen.

Die Christdemokraten beschlossen daraufhin umgehend, ihren Chef wieder in die Regierung zu entsenden, provozierten dadurch aber insbesondere die mitregierenden Grünen zu einer scharfen Reaktion, die für den Fall von Čuneks Rückkehr ihren Auszug aus der Regierung ankündigten. Auch wenn sich die Gemüter innerhalb der Mitte-Rechts-Koalition seither ein wenig beruhigt haben, bleibt dennoch die Frage im Raum stehen, wie real die Gefahr ist, dass die tschechische Regierung wegen Čuneks Rückkehr tatsächlich scheitern könnte. Ist die Koalition unmittelbar bedroht? Das haben wir den Politikwissenschaftler Bohumil Doležal von der Prager Karlsuniversität gefragt:

"Unmittelbar nicht, aber es wird gewiss bedeuten, dass die Regierung noch viel labiler werden wird als zuvor und vor allem dass die Spannungen, die es innerhalb der Grünen gibt, sich dramatisch vertiefen - und das kann in der Perspektive von einigen Monaten wirklich das Ende für die Regierung bedeuten."

Gesetzt den Fall, dass alle Minister der Grünen - unter anderem also auch Außenminister Karl Schwarzenberg - bei Čuneks Rückkehr an den Kabinettstisch zurücktreten würden, würde das das endgültige Aus für die Regierung nach sich ziehen, oder wären die Grünen bereit eine Minderheitsregierung von Premier Topolánek zu tolerieren?

"Das ist selbstverständlich eine Frage, auf die man jetzt sehr schwer antworten kann. So ist zum Beispiel Außenminister Schwarzenberg nicht unmittelbar Mitglied der Partei und mit ihr nicht so eng verbunden. Ganz im Gegensatz der Bildungsminister Liska, der zu den wichtigsten Personen in der Partei gehört. Das heißt, wenn Liska zurücktritt, dann begeben sich die Grünen auf den besten Weg die Regierung und die Koalition zu verlassen. Ob sie dann die verbleibende Regierung unterstützen wollen oder nicht, das ist eine große Frage, denn selbstverständlich hat Oppositionschef Paroubek für sie in diesem Fall sehr viele günstige Angebote bereit."

Die Entscheidung der tschechischen Christdemokraten, ihren Chef erneut in die Regierung zu schicken, war abzusehen. Genauso aber auch die Haltung der Grünen, die sich schon nach dem Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe gegen Jiří Čunek im Frühjahr dieses Jahres auf ihn eingeschossen haben. Dennoch hat aber Regierungschef Topolánek zunächst verkündet, dass Čunek - sollten sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht bestätigen - ins Kabinett zurückkehren könne. Jetzt ist jedoch auch er zurück gerudert. Was waren die Motive für die ursprüngliche Haltung des Regierungschefs? Wollte er sich dadurch vielleicht die Loyalität der Christdemokraten bei der bevorstehenden Präsidentenwahl und die Unterstützung für die Kandidatur des Amtsinhabers Václav Klaus sichern?

"Das kann selbstverständlich auch eine Rolle spielen, aber ich glaube, dass es schon aus formalen Gründen eine natürliche und normale Lösung ist, denn es ist ja so, dass die Partei mit einem Vorschlag kommt, wer Minister werden soll, und dem Premier bleibt nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren, weil er an den Koalitionsvertrag gebunden ist. Ich denke aber, dass Herr Topolánek den Hintergrund der ganzen Angelegenheit stark unterschätzt hat. Und zweitens hat er nicht damit gerechnet, dass auch in seiner eigenen Partei sehr bedeutende Leute und bedeutende Kreise stark dagegen sein werden. Interessant ist zum Beispiel, dass die vorgesehene Rückkehr von Čunek in die Regierung im Kabinett selber quer durch die Parteien auf Widerstand stößt. So war zum Beispiel auch Minister Jehlicka dagegen, der die Christdemokraten in der Regierung vertritt."

Die jetzige Regierung Topolánek ist ungefähr ein Jahr im Amt, womit sich auch bereits eine erste Bilanz ziehen lässt. Was ist dem Kabinett in dieser Zeit gelungen, was wiederum misslungen? Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Politikwissenschaftler Bohumil Doležal von der Prager Karlsuniversität:

"Auf den ersten Blick ist die Regierung nicht so erfolglos, wie sie es eigentlich sein sollte, wenn man deren schwache Basis im Abgeordnetenhaus betrachtet. Die Regierung hat problemlos ihr Reformkonzept durchgesetzt - die andere Sache ist natürlich, wie dieser Entwurf aussieht, denn er ist nicht besonders radikal. Aber es ist besser, als wenn die Regierung nichts getan hätte. Das ist schon ein Plus für die Regierung. Zweitens gelang es der Regierung den Haushalt im Abgeordnetenhaus durchzubringen, was ein großer Erfolg ist, denn der Opposition ist es nicht gelungen die Regierung zu stürzen. Eigentlich der Versuch dem Kabinett das Misstrauen auszusprechen eine leere Geste, die eher zur Schwächung der Opposition und ihres Rufes beigetragen hat. Damit möchte ich sagen, dass die Regierung erfolgreicher ist, als es auf den ersten Blick aussieht. Sie kann natürlich nicht mit den radikalsten Vorschlägen kommen, aber manchmal ist es gut Kompromisse zu machen, als eine einseitige und dickköpfige Politik zu verfolgen."