Mühsame Umsetzung von tschechisch-deutscher Initiative im Erzgebirge

Les Monts des Géants

Nur noch wenige Tage trennen uns von dem Ereignis, auf das weltweit viele Sportler und Sportfans warten - auf die 20. Olympischen Winterspiele in Turin. Eine Woche davor kommt auch bei uns im nun folgenden Regionaljournal der Wintersport, wenn auch nicht der olympische, zur Sprache. Und wohin führt Sie diesmal Jitka Mladkova? Zwei Orientierungspunkte kann man schon im Voraus nennen: Der Klinovec, deutsch Keilberg, und der Fichtelberg. Und dazu gehören Bozi Dar, deutsch Gottesgabe, und Oberwiesenthal. Jetzt funkt es bestimmt bei den Meisten! Klar, in unserem Regionaljournal geht es ins Riesengebirge, wo sich Vertreter der Region beiderseits der Grenze für die Umsetzung eines gemeinsamen Projektes einsetzen.

"Ziel des Projektes ist die Errichtung eines großen Skisportzentrums durch die Vernetzung der Gebiete Oberwiesenthal, Klinovec Nord, Klinovec Süd und Bozi Dar-Neklid. Das ganze Skigelände mit etwa 20 Beförderungseinrichtungen hätte dann kaum seinesgleichen in irgendeiner anderen Grenzregion Mitteleuropas."

So skizziert der Bürgermeister von Bozi Dar, Jan Hornik, eine tschechisch-deutsche bzw. deutsch-tschechische Vision. Die Idee, aus den Skigebieten beiderseits der Grenze ein gemeinsames zu machen, sei keineswegs neu, sagt er. Immer mehr Skiläufer und Snowboarder seien im Laufe der Zeit nach Bozi Dar gekommen, und so beschäftige man sich hüben wie drüben seit geraumer Zeit mit dem Gedanken, die Qualität des gesamten Areals über die Grenze hinweg auf ein höheres Level zu bringen. Schließlich gehe es beim Skilaufen nicht nur um den Sport allein, denn dieser sei mehr oder weniger auch eine gesellschaftliche Angelegenheit, meint Hornik.

Dabei hat er aber keineswegs verschiedene Schickimickigesellschaften im Sinn, die - mehr als ihre Skikunst - vor allem ihr Outfit und ihr Equipment präsentieren wollen. Hornik denkt vielmehr an Familien mit Kindern, die sich gerne, sozusagen zur Abwechslung, im ganzen Areal bewegen möchten.

"Und zwar mithilfe der Bretter, das heißt, ohne diese abschnallen zu müssen! Das wäre doch toll, sich in Bozi Dar eines Skiliftes bzw. einer Seilbahn zu bedienen und dann auf einen Sprung nach Oberwiesenthal auf einen Kaffee zu fahren!"

In der Tat eine tolle Idee! Aber eine, die offenbar nur mühsam umgesetzt werden kann. Der Zeitpunkt ihrer Entstehung ist irgendwann nach der Wende 1990 zu suchen, und zwar auf der anderen Seite der Grenze, wie Jan Hornik gesteht:

"Die Initiative entstand 1990 auf der deutschen Seite. Es sind damals sogar österreichische Investoren gekommen, um ein Monitoring des gesamten Grenzgeländes durchzuführen. Sie waren auch bereit, auf beiden Seiten der Grenze das Projekt finanziell zu unterstützen. Damals ist es aber nicht gelungen, mit den Besitzern der einzelnen Grundstücke zu einem Konsens zu gelangen."

Unter diesen Bedingungen winkten die potentiellen Investoren bald ab. Doch die Tschechen wollten nicht so schnell aufgeben und schlugen den mühsamen Weg der Verhandlungen mit den Grundstückinhabern bzw. mit den Besitzern der Sporteinrichtungen ein. Im Unterschied zu ihren deutschen Kollegen ist es ihnen allerdings bis heute nicht gelungen, alle in der Gegend befindlichen Skiareale quasi unter ein Dach zu kriegen.

Aber auch auf der deutschen Seite hapert es derzeit, wenn auch aus anderen Gründen. Kurz um, den Weg zwischen Bozi Dar und Klinovec auf "den Brettern zu passieren, ohne sie abzuschnallen", ist bisher immer noch nicht möglich. Dafür bräuchte man nämlich einen beiderseits der Grenze gültigen Tagesskipass, wie ich von Mike Kerstin, dem Bürgermeister der deutschen Partnerstadt von Bozi Dar, Oberwiesenthal, erfahren habe. Zunächst aber wollte ich von ihm wissen, warum die Umsetzung des Projektes auch auf der deutschen Seite ins Stocken geraten ist:

"Das ist eine politische Entscheidung aufgrund der Finanzsituation. Ich glaube, dass es ein Problem ist, den Klinovec mit dem Fichtelberg zu verbinden. Die Idee, denke ich, ist in allen Köpfen vorhanden. Dem Management der Stadt geht es im Moment darum, die Finanzlage wieder so zu gestalten, dass vielleicht in ein paar Jahren Geld dafür zur Verfügung steht. Im Detail kann ich kaum etwas dazu sagen. Der Verantwortungsträger ist eine kommunale Firma, die Fichtelberg-Schwebebahn, bzw. ihr Geschäftsführer."

Immerhin, Sie sind Oberbürgermeister von Oberwiesenthal. Wenn das Projekt doch eines Tages umgesetzt wird, was versprechen Sie sich von der Vernetzung der Skigebiete auf der tschechischen und auf der deutschen Seite?

"Ich glaube, dass wir dann als gemeinsames Skigebiet wenig Konkurrenz in der Region hätten. Hier gibt es die beiden höchsten Berge des Erzgebirges, wir haben auch eine gute Infrastruktur, wir verfügen über Beschneiungsanlagen, so dass wir bis in den bayrischen Raum Werbung machen könnten, und natürlich auch in den norddeutschen bzw. in den restlichen deutschen Raum. Was ich aber von der deutschen Seite aus sehe, ist die große Stadt Prag samt ihrem Einzugsgebiet."

Wie funktioniert es gegenwärtig? Zwischen den beiden Schigebieten besteht derzeit nicht die Möglichkeit, nur mit einem Skipass von der einen Seite zur anderen zu kommen. Stimmt das?

Keilberg | Foto: Miloš Turek,  Radio Prague International
"Nein, das stimmt nicht. Wir haben schon Testversuche gemacht. Was nicht geht, ist ein Tagesskipass. Dieser stellt ein Problem dar, denn wenn die Kontrollen an der Grenze sind, manchmal gibt es sie ja noch in größerem Umfang, dann dauert das zu lange, so dass man den Skipass nicht entsprechend benutzen kann. Es kann passieren, dass man später zum Skifahren kommt, egal, auf welcher Seite auch immer. In den letzten Jahren haben wir aber einen Voucher angeboten, mit dem man den Skipass für oder sechs Tage auf beiden Seiten benutzen kann."

Wie sehen Sie das Interesse der tschechischen und der deutschen Skifahrer, in das jeweils andere Land zum Skifahren zu kommen?

"Das Interesse ist sehr groß. Der normale Skifahrer möchte nicht jeden Tag auf derselben Abfahrtpiste fahren, sondern er möchte in seinem Urlaub so viele verschiedene Pisten und Schwierigkeitsgrade wie möglich testen. Das Interesse zu wechseln ist auf beiden Seiten sehr groß. Man sieht es an der Grenze, wie oft deutsche Autos zum Keilberg oder umgekehrt tschechische Autos zum Fichtelberg fahren und diese Gelegenheit nutzen."

Zeichnet sich eine der beiden Seiten durch ein größeres Interesse aus?

"Das kann ich nicht sagen, weil ich auch keine Unterschiede machen will. Es ist, denke ich - je nach den finanziellen Mitteln - für beide Seiten interessant, auf den beiden Bergen Ski zu fahren."


Bozi Dar / Gottesgabe
Wie aus dem Gesagten ersichtlich, ist die Situation an der tschechisch-deutschen Grenze eher kompliziert, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Auf der tschechischen Seite, konkret auf den Bergen Neklid, Bozi Dar und Klinovec, gibt es zurzeit insgesamt fünf unterschiedliche Pistenbetreiber, die, wie Bürgermeister Hornik sagt, nur schwer unter einen Hut zu bringen wären, was die gerechte Aufteilung des im ganzen Skiareal erzielten Finanzertrags anbelangt. Er träumt von einer Möglichkeit, die er aus den italienischen Dolomiten kennt. Dort kann man auf etwa 600 Skiliften mit einem einzigen Superskipass beliebig oft hin und her fahren.

Der engagierte Bürgermeister sieht aber ein Licht am Ende des Tunnels: Er blickt dem Jahr 2007 hoffnungsvoll entgegen, von dem an weitere Gelder aus den europäischen Töpfen nach Tschechien und damit auch in seine skisportorientierte Region fließen dürften. Na, dann halten wir die Daumen!