Entdeckungen im Riesengebirge: Kunstschnee und Kulturen

In unserer Ausgabe des 'Regionaljournals' wendet sich Oliver Engelhardt noch einmal dem tschechisch-polnischen Grenzgebiet zu. Diesmal können sie mit ihm das "Haus der drei Kulturen" im Riesengebirge besuchen. Im Gespräch mit den Betreibern geht es dabei nicht nur um den Tourismus.

Mindestens stündlich verkehren die Busse zwischen Prag und den Ortschaften im Riesengebirge und wer jetzt im Winter den großen Busbahnhof Cerný most im Nordosten von Prag an einem Freitagnachmittag besucht, weiß genau warum: Skifahrer mit ihrer Ausrüstung drängeln sich an den Abfahrtsstellen. Das Riesengebirge ist eines der beliebtesten Ausflugsziele für viele Tschechen und als Skigebiet längst international anerkannt. Über 1602 Meter hoch ist der Gipfel der Schneekoppe, direkt unterhalb liegt die Ortschaft Pec pod Snezkou (Petzer). Noch größere Wintersportzentren etwas weiter westlich sind Spindleruv Mlyn (Spindlermühle) und Harrachov (Harrachsdorf). Auf polnischer Seite sind es vor allem die Ortschaften Karpacz (Krummhübel) und Szklarska Poreba (Schreiberhau). Die touristischen Landkarten enden im Osten bei der Ortschaft Zacler (Schatzler).

In dieser Gegend, kurz hinter der Grenze auf polnischer Seite wohnt Grzegorz Potoczak. Er holt weit aus und beginnt von der Geschichte der Region zu erzählen.

"Das Dorf und die Umgebung, in der wir uns hier befinden, wurde früher von Deutschen bewohnt, die nach 1945 alle weggeschickt wurden. Es kamen neue Siedler aus der heutigen Ukraine oder Litauen und Weißrussland. Das waren Polen, die dort ihre Heimat verloren haben. Auf der tschechischen Seite war die Situation ähnlich: die deutschen Bewohner mussten die Gebiete verlassen, es kamen neue Siedler aus anderen tschechischen Gebieten. Bis heute leben wir in diesem traumatischen Zustand. Die Landschaft wurde noch nicht vollkommen in das Bewusstsein der Bewohner integriert. Wir haben hier mit diesem Vertreibungssyndrom zu kämpfen. Viele Menschen sind hier nicht richtig sesshaft geworden. Auf der tschechischen Seite kann man das sehr gut beobachten: die Dörfer sind praktisch nicht belebt. Dort stehen nur Wochenendhäuser und Hotels, aber feste Einwohner gibt es nicht."

Grzegorz Potoczak betreibt zusammen mit Beata Justa eine Pension in Niedamirow, im äußersten Osten des Riesengebirges. Dort, wo auf den Wanderkarten die Zeichenerklärung beginnen. Die Pension heißt Haus der Drei Kulturen 'Parada'. Warum dieser Name?

"Drei Kulturen weil wir im Grenzgebiet leben, wo die deutsche, polnische und tschechische Kultur schon seit Jahrhunderten ineinander verflochten sind. Die Einflüsse waren sehr stark. Wir möchten uns zu dieser Tradition bekennen und die Kontakte untereinander entwickeln und pflegen."

Mindestens genauso passend ist auch der zweite Teil des Namens 'Parada', ein tschechisches Wort, dass etwas herrliches meint und Begeisterung ausdrückt. In der Tat überrascht das Haus in jedem kleinen Detail. In jedem Zimmer sind die Wände mit anderen Farben und Motiven bemalt. Im Kaminzimmer wachsen phantasievoll gestaltete Lampen wie Pflanzen aus dem Deckengewölbe. Der Baumstamm, der zur Dachrinne wurde, war nicht ganz gerade gewachsen und so musste sich auch das Dach der natürlichen Wellenlinie anpassen. Ähnlich die Treppengeländer aus verschiedenem Holz, die Gestaltung von Terrasse und Garten, der Fußboden in der kleinen aber feinen Bibliothek, der Herd in der Küche. Wie ein Märchenreich erscheint dieses Haus beim ersten Besuch - voller Phantasie und feinem Stil. Woher kommt all die Kreativität frage ich Beata Justa:

"Ich bin freischaffende Künstlerin. Ich habe Malerei studiert. Eigentlich habe ich erst hier das Gefühl bekommen, so viel Raum zu haben, so viele Möglichkeiten, um mich als Künstlerin zu realisieren. Das nutze ich aus. Bei der Gestaltung des Hauses, der Räume, bei der Bemalung der Fassade kann ich mich richtig ausleben. Die Ideen kommen einfach. Natürlich inspirieren mich viele Sachen, die habe ich in mir und realisiere sie hier ...

... aber die Ideen kommen auch mit den Menschen in unser Haus. Wir versuchen ihnen Raum zu geben für deren Kreativität. Wir arbeiten sehr gerne mit anderen Menschen. Viele Sachen die im Haus oder um das Haus entstanden sind, sind von Menschen erschaffen worden, die zu uns gekommen sind oder ein eigenes Projekt durchgeführt haben, das hier geblieben ist."

Ein Beispiel ist die so genannte Laterna futuri, ein aus alten Glasflaschen errichteter Leuchtturm, auf dem sich ein Windrad dreht, das Strom erzeugt. In windigen Nächten scheint die Laterne dann durch das Glas in vielen Farben.

Nächtliche Beleuchtung ganz anderer Art gibt es ca. 10 Kilometer weiter westlich: dort bietet die Betreibergesellschaft des Skigebiets in Pec pod Snezkou ihren Kunden die Möglichkeit auch abends die Pisten zu benutzen. Der Hang Javor ist "das längste und am besten beleuchtete Areal zum Abendskilauf in der Tschechischen Republik" heißt es auf den Internetseiten von SkiPec. Frantisek Vambera ist der Direktor der Gesellschaft und erklärt:

"Momentan sind vier Skilifte in Betrieb und eine Sesselbahn zum Hnedy vrch. Wir haben eine Kunstschneeanlage an den Pisten Javor, Zahrádky und Vysoky svah, das sind ca. 70 Prozent des ganzen Areals."

Die Gesellschaft SkiPec bietet verschiedene Kombinationsmöglichkeiten etwa den kostenlosen Transfer zum Skigebiet Jánské Lázne, das auch nur 30 Minuten entfernt ist. Das Skigebiet in Pec ist bei 2500 Skifahrern bequem zu benutzen.

"Selbstverständlich wenn Schnee ist werden an Weihnachten noch mehr Leute kommen, aber es ist auf jeden Fall besser als früher, wo die Schlange an den Skiliften länger war. Maximale Wartezeit ist bei uns auch zu Weihnachten nicht länger als 15 Minuten."

Zurück im Haus der drei Kulturen frage ich Grzgorz Potoczak, wie er den Tourismus und den Wintersport im Riesegebirge beurteilt.

"Wir sind sehr froh, dass dies nicht bei uns stattfindet. Das müssen wir ehrlich zugeben. Aber die Situation ist nicht einfach. Die anderen Gebiete sind seit vielen vielen Jahren touristisch erschlossen. Vor dem Krieg waren das bereits große touristische Zentren. Die Menschen, die dort leben, leben vom Tourismus. Das ist die Wahrheit und das Problem liegt darin, dass man ein Gleichgewicht findet, dass man diese Natur noch so lange wie möglich erhält, aber trotzdem zusammen mit der Natur wirtschaftet. Aber das ist ein sehr komplexes Thema. Das Riesegebirge ist wirklich riesig. Hier am Rande ist die Situation anders als in Karpacz und Szklarska Poreba und es ist auch etwas anders auf der tschechischen Seite. Das was uns verbindet und was wir gemeinsam machen müssen ist: wir müssen diese Berge als gemeinsame Verantwortung empfinden und Wege suchen, die beide Seiten zufrieden stellen."

Liebe Hörerinnen und Hörer, dort, wo die Landkarte aufhört, gibt es also viel zu entdecken. Wenn sie mehr über das Haus der Drei Kulturen erfahren wollen, besuchen sie im Internet die Seite www.parada.de. Sie hörten das Regionaljournal von Oliver Engelhardt.