Kommunale Willkür und die Willkür der anderen

ods_cssd07.jpg

Zufall oder nicht? Die Kommentarspalten der tschechischen Tageszeitungen jedenfalls befassten sich auch am Freitag mit den zwei Themen, die viele ihrer Leser derzeit sehr wohl emotional beschäftigen: der Ausgang der Koalitionsverhandlungen in mehreren Stadtkommunen, allen voran im Prager Rathaus, sowie die Rede von Präsident Václav Klaus zum Staatsfeiertag am Mittwoch.

Stanislav Balík  (Foto: www.wikimedia.org)
„Kommunale Willkür“, so betitelt die Mladá fronta Dnes ihren groß aufgemachten Kommentar zu den Kommunalwahlen, in dem Autor Stanislav Balík sich nach dem Untertitel „Alte Kumpanei zählt mehr als ideologische Nähe“ wiederholt kritisch zum Ergebnis der Prager Koalitionsverhandlungen auslässt. Bei diesen Verhandlungen war ja – wir haben mehrfach darüber berichtet – die Partei TOP 09 als Wahlsieger letztlich auf der Strecke geblieben. Und zwar deshalb, weil die beiden großen Parteien, die sonst oft konträr argumentierenden Bürger- und Sozialdemokaten ein Abkommen miteinander geschlossen haben, um wieder an die Macht zu kommen beziehungsweise den alten Machtanspruch zu waren. Dazu schreibt Balík:



Nationale Front
„Die Koalition haben alte Bekannte geschlossen, auch wenn sie sich gestern noch scheinbar als ideologische Feinde gegenüberstanden. Oft wird solch eine Liaison verteidigt mit den Worten: dem Bürgersteig ist es egal, von wem er gebaut wird. Warum kandidieren diese Leute dann aber für eine politische Partei? Warum werden dann nicht in den Gemeinden die Einheitskandidaten der Nationalen Front aufgestellt?“

Unter dem Deckmantel der „Nationalen Front“ wurden in der sozialistischen Zeit die Einheitskandidaten der Kommunisten aufgestellt, auch wenn sie angeblich „allen Schichten des werktätigen Volkes“ angehörten.

Die tendenziösen, weil ziemlich eindeutigen Kommentare der Mladá fronta Dnes und anderer Zeitungen zu diesem Thema aber geben der Hospodářské noviny sehr zu denken. In einem selbstkritischen Kommentar zur eigenen Branche schreibt Petr Honzejk unter anderem:

„Die Editoren der Tageszeitungen lassen sich von ihrer eigenen Meinung leiten und zwingen den Lesern auf, was sie denken sollen. Nämlich, dass die Liaison der Bürger- und der Sozialdemokraten eine kleine Verbrechergemeinschaft ist.“


Václav Klaus
Mit den Verbrechen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich in seiner Rede zum Staatsfeiertag auch Präsident Klaus auseinandergesetzt. Die von Klaus dabei aufgemachte Rechnung, dass die Verbrechen der deutschen Nazis in keiner Relation zu den nach dem Krieg von Tschechen an Deutschen verübten Gewalttaten stehen, stößt bei mehreren Kommentatoren auf Kritik. In der Lidové noviny schreibt Politologe Bohumil Doležal dazu:

„Und wenn der Herr Präsident behauptet, dass auf unserem Gebiet im letzten Monat der Okkupation von den Okkupanten mehr Menschen ermordet wurden als Leute, die im ersten Monat nach Kriegsende umgekommen sind, dann gibt es immer noch zu bedenken: Wenn jemand mordet, hat der andere nicht das Recht, auch zu morden, auch wenn er das etwas weniger tut. Und ganz besonders dann nicht, wenn die dann Ermordeten in übergroßer Mehrheit zu denen zählen, die vorher nicht gemordet haben.“