„Einmal ums Eck“ für 28.000 Kronen

28.000 Kronen sind ungefähr 1140 Euro. Das ist etwas weniger als der monatliche Brutto-Durchschnittslohn in Prag. Diese 28 Tausender bekommen Abgeordnete zum Tschechischen Parlament als Benzingeld – pro Monat wohlgemerkt und steuerfrei. Und ganz egal, ob sie mit dem Auto oder mit der Bahn ins Parlament fahren.

Der Anteil der Bahnfahrer ist unter den Abgeordneten übrigens ziemlich hoch: Kein Wunder, genügt doch das Vorzeigen des Abgeordnetenausweises und man fährt kostenlos. Das ganze Jahr über, quer durchs Land und natürlich standesgemäß in der 1. Klasse. Auch Straßenbahnen und Linienbusse sind für Parlamentarier kostenlos. Die Mitte-Rechts-Koalition hat versprochen, diese in den Augen vieler steuerzahlender Bürger unverschämten Privilegien rasant zu kürzen. Doch während man der Bevölkerung im Namen der Haushaltssanierung zum Teil empfindliche Einschnitte zumutet, zeigen sich die Abgeordneten bei der Trockenlegung des eigenen Subventionssumpfes weit weniger ambitioniert. Dazu schreibt Petr Honzejk in der wirtschaftsorientierten Tageszeitung Hospodářské noviny:

„Der Verdacht scheint sich zu bestätigen? Die Maßlosigkeit bei der Inanspruchnahme der Abgeordnetenspesen wird nicht so schnell der Vergangenheit angehören. Nur ihrer Versteuerung werden sie sicher zustimmen. Allein die Ergriffenheit über so viel Selbstopferung (‚Ja, auch ICH werde für mein Einkommen Steuern zahlen’) ist so groß, dass die Abgeordneten unter dieser Last keine Kraft für weitere Schritte haben werden.“

Niemand – außer den Abgeordneten selbst – verstehe etwa, dass Parlamentarier nicht nur gratis mit Bahnen und Bussen fahren, sondern auch noch reichlich Benzingeld kassieren. Kommentator Honzejk erinnert an jenen Abgeordneten der konservativen Regierungspartei TOP 09, der vor Kurzem in einem Interview erklärt hatte, stets mit dem Zug aus dem ostböhmischen Česká Třebová / Böhmisch Trübau nach Prag zu fahren. Mit dem Auto fahre er höchstens einmal ums Eck. Petr Honzejk bemerkt dazu in der Hospodářské noviny:

„Nehmen wir an, ‚einmal ums Eck’ bedeutet eine Strecke von etwa 500 Metern. Dann könnte der Herr Abgeordnete für die monatlichen 28.000 Kronen etwa 32.000 Mal ‚ums Eck’ fahren. Davon dürfte nicht nur ihm schwindelig werden… Ganz ähnlich verhält sich eine Reihe weiterer Abgeordneter. Sie verhalten sich wie ein Musterbeispiel für den bekannten Spruch: ‚Ich kämpfe so lange für meine Ideale, bis sie meine eigene Tasche betreffen würden.’ Oder trivialer: ‚Blöd ist, wer gibt. Noch blöder ist, wer nichts nimmt’.“

Es gebe einige Abgeordnete, die sich tatsächlich für die Abschaffung der Spesenprivilegien einsetzten, schreibt Zeitungskommentator Honzejk. Etwa den Fraktionsvorsitzenden der TOP 09. Die seien aber bisher immer an den Obstruktionen ihrer Kollegen gescheitert. Dem Vorhaben drohe daher das selbe Schicksal wie der seit 20 Jahren geplanten Einschränkung der parlamentarischen Immunität, die in der Vergangenheit immer wieder zur Abwendung von Verkehrsstrafen und ähnlichem missbraucht wurde. Nach dem Motto ‚Man würde ja gerne, aber leider, es sei alles sehr kompliziert. Ach, diese Prozeduren!’ versuchten die Abgeordneten, die Sache auszusitzen. Doch Petr Honzejk hat in der Hospodářské noviny eine Warnung für die zögerlichen Abgeordneten parat:

„Es gibt eine Sache, an die wir die Parlamentarier erinnern können und es auch tun werden: Ihr habt einen befristeten Job. Und zu eurem Unglück könnt ihr dann ohne die Angabe von Gründen gefeuert werden. Machen wir uns keine Illusionen, aber vielleicht kommt am Ende die Mehrheit drauf.“

Die Mehrheit der Abgeordneten oder die Mehrheit der Bürger? Diese Frage lässt Honzejk offen. Spätestens nach den nächsten Wahlen wissen wir’s.