Wellness aus Hopfen und Malz – das Bierbad in Hořelec

Foto: www.hbl.cz

Anfang der 90er Jahre konnten die tschechischen Bürger auf ihren Wahlzetteln unter anderem auch die Partei der Bierfreunde finden. Obwohl jeder Tscheche ungefähr 160 Liter Bier pro Jahr trinkt, blieb diese Partei bei den Wahlen erfolglos. Welchen Stellenwert Bier in Tschechien hat, zeigt sogar das Arbeitsrecht. Demnach dürfen zum Beispiel Metallarbeiter an Hochöfen oder Beschäftigte an anderen Orten, an denen es heiß ist, auch auf der Arbeit Bier mit geringem Alkoholgehalt trinken. Selbstverständlich gilt Bier zudem als Zutat in der böhmischen Küche. Eine neuere Errungenschaft sind Bierbäder. In Tschechien gibt es sie mittlerweile an vier Stellen. Das neueste Bierbad wurde Anfang Februar in Hořelec, einer kleinen Gemeinde in Ostböhmen, eröffnet. Martin Karlík hat sich bei dieser Gelegenheit dort in Behandlung gegeben - und das natürlich mit dem Mikrophon.

Es duftet so schön und ist angenehm warm. Ich lege mich in die hölzerne Badewanne, die aber nicht mit Wasser gefüllt ist - sondern mit Bier. Normalerweise sollte Bier ja kühl sein, aber in diesem Fall ist es anders: 35 Grad Celsius ist die Temperatur. Die Anwendung soll 20 Minuten dauern.

Ich bin in einem speziellen Badezimmer in der Pension U Čtyřlístku (Zum Kleeblatt) in Hořelec. Ich liege in einer der zwei Badewannen, in der anderen meine Freundin, und wir genießen den Raum. Die Wände sind mit Steinen bedeckt. Es sieht hier aus wie in einer Bierstube. Das Badezimmer ist ziemlich groß. Hätten wir doch so ein Zuhause.

„Schatz. So ein Badezimmer. Es gibt hier kein Waschbecken. Wo würdest du deine Zähne putzen?“, fragt meine Freundin.

Das Waschbecken fehlt zwar, aber es gibt einen Ersatz: den Zapfhahn. Ich bin jetzt schon durstig, Ich stelle mir gerade vor, wie es schmeckt und erfrischt: zwölfgradiges Hefebier. Da kommt sich jeder Bierfan wie im Paradies vor. Aber die Prozedur ist wirklich hilfreich, egal ob Sie Bier mögen oder nicht. Die Heilwirkung beschreibt Marek Tesař, der das Bierbad im ostböhmischen Hořelec errichtet hat:

„Der Grund für die Anwendung des Bierbades ist, dass man so eine Verjüngung und Regeneration der Haut erzielt. Man kriecht in die Wanne bei einer Temperatur von 35 bis 36 Grad. Das Herz schlägt schneller, die Blutgefäße weiten sich. In dem Moment saugt der Körper aus dem Bad alle Stoffe auf wie die B-Vitamine, Proteine, Sacharide und die Bierhefen. Die werden absorbiert. Und das trägt zur gesamten Reinigung des Blutkreislaufes sowie der Haut und damit zur Entspannung des Körpers bei. Da das Wasser 35 Grad Celsius hat, entspannen sich auch die Muskeln, Gelenke und der ganze Bewegungsapparat.“

Bierbad bedeutet also Wellness, ähnlich wie der Gang in die Sauna oder eine Massage. Das Bierbad ist zudem gut für das Herz.

„Wenn die Temperatur der Umgebung mit der Temperatur des Körpers übereinstimmt, schlägt das Herz schneller, der Blutkreislauf beschleunigt und die Gefäße weiten sich - es passiert also das, was ich gerade eben schon beschrieben habe.“, so Marek Tesař.

Das Bierbad befindet sich im Untergeschoss einer Pension im Gebirge Železné hory, auf Deutsch Eisengebirge, in Ostböhmen. Die Berge sind nicht sonderlich hoch, in ihrem höchsten Punkt, dem Vestec, erreichen sie maximal 668 Meter über dem Meeresspiegel. Nur etwa 30 Kilometer liegt die Pension von der Kreisstadt Pardubice entfernt. Doch so ein Bierbad nach einer Wanderung in den Wäldern der Umgebung ist angenehm. Ich könnte mir eine Wanne voller Bier auch öfter vorstellen.

„Du willst also Bierflaschen kaufen und sie dann in unsere Badewanne gießen“, glaubt meine Freundin.

Ich probiere das Bier, in dem ich bade. Es schmeckt komisch. Ich frage wieder Herrn Tesař: Das ist wohl kein Bier zum Trinken?

„Es ist kein klassisches Bier. Es stammt aus der Brauerei Pernštejn in Pardubice und entsteht so: Wenn das 19-gradige dunkle Bier Porter gebraut wird, dann bleibt der beste Extrakt übrig, den benutzen wir. Der Extrakt wird mit zerstoßenem trockenem Hopfen und Kräutern gemischt. Das Bier ist also kein Abfall, sondern vielmehr speziell zum Baden gebraut“, sagt der Eigner des Bades.

Mein Freundin wirft ein:

„Na siehst du. Es ist ein spezielles Bier, das kannst du dir sowieso nicht kaufen.“

Doch so schwierig dürfte dies auch wieder nicht sein. Denn ich habe das gesehen. Bevor wir uns in die Wannen gelegt haben, hat das Personal das Bier aus einem Kanister hineingegossen und dann mit heißem Wasser nachgefüllt. Wenn ich diesen Kanister also hätte. Ist es möglich, ihn irgendwie zu bekommen, könnten wir da irgendwie handelseinig werden?

„Ja. Wir verkaufen Fünfliter-Kanister mit dem Badebier. Derzeit sind sie nur direkt bei uns zu bekommen, aber in Zukunft wollen wir sie auch in Geschäften anbieten. Für eine gewöhnliche Badewanne in einer Wohnung in einem Plattenbau genügen fünf Liter. Hier im Bad haben wir größere Wannen, deswegen brauchen wir zehn Liter, damit es den Effekt hat, den wir erzielen wollen“, erläutert Tesař.

Marek Tesař ist ein bescheidener Mensch, und deswegen sagt er mir nur bei ausgeschaltetem Mikrophon, dass er das Bierbad eigentlich allein aufgebaut hat. Schon sein Nachname lässt ahnen, dass er ein geschickter Handwerker ist. Denn Tesař ist das tschechische Wort für Zimmermann. Herr Tesař musste bei dem Bau aber nicht nur die Arbeiten eines Zimmermanns meistern, sondern auch die eines Fliesenlegers, Installateurs, Elektrikers sowie weiterer Handwerker. Inspiration hat er sich in Westböhmen gesucht. Denn auch in Chodová Planá / Kuttenplan gibt es ein Bierbad. In die Fluten aus Hopfen und Malz kann man zudem noch in Harrachov / Harrachsberg in Nordböhmen und im nordmährischen Písek u Jablunkova steigen, Das ostböhmische Hořelec, nicht weit des Stausees Seč, ist also die insgesamt vierte Einrichtung ihrer Art in Tschechien.

Die Zeit geht schon fast zu Ende. Aber man wird hier auf keinen Fall gestresst. Es ist wirklich entspannend. Nur Leute, die an Krampfadern oder Bluthochdruck leiden, oder Chemotherapiepatienten sollten auf das Bierbad verzichten oder mindestens sehr vorsichtig sein und sich mit ihrem Arzt beraten. Nun wirft aber meine Freundin ein:

„Ich muss gleich eine Dusche nehmen. Sonst fange ich an zu stinken.“

Das würde ich allerdings nicht tun. Marek Tesař sagt auch warum:

„Damit wir der gewünschte Effekt erzielt wird, sollte man zwei bis sechs Stunden nach dem Bad nicht duschen. Ideal ist es, bis zum nächsten Morgen auszuharren, falls es niemanden stört. So kann der Körper auch die letzten Reste der Hefen, Sacharide und weiterer Ingredienzien verarbeiten.“

Die 20 Minuten für die Anwendung sind um. Jetzt wickeln wir uns in warme Tücher und können uns in einem Nebenzimmer ausruhen. Marek Tesař hat mir noch verraten, dass er hier noch eine Salzhöhle einrichten möchte, in der man dann die Ruhe genießen soll.

Und jetzt? Hauptsache keine Dusche. Wir können an der Bar noch ein Bier trinken oder lieber schlafen gehen. Ehrlich gesagt, ich bin ziemlich müde. Aber angenehm müde.