Papst Benedikt XVI. besucht den Wenzel-Wallfahrtsort Stará Boleslav

Papst Benedikt XVI. (Foto: ČTK)

Vielen Bewohnern von Stará Boleslav / Altbunzlau ist es kaum mehr bewusst. Doch die mittelböhmische Kleinstadt an der Elbe war Jahrhunderte lang das Zentrum des St.-Wenzel-Kults. Tausende Pilger strömten früher jedes Jahr zu der Stätte, an der der böhmische Landesfürst im Jahr 935 n. Chr. den Märtyrertod starb. Vor kurzem wurde die Wallfahrtstradition erneuert. Und nun nimmt erstmals in der Geschichte sogar das Oberhaupt der Katholischen Kirche an der Wenzel-Wallfahrt teil. Papst Benedikt XVI. beschließt seine dreitägige Tschechienreise am 28. September, dem Namenstag des hl. Wenzel, in Stará Boleslav. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren – doch wie steht die Bevölkerung zum Papstbesuch?

Elbe  (Foto: Autorin)
13 Kilometer nordöstlich von Prag schmiegt sich Stará Boleslav ans rechte Ufer der Elbe. Es ist ein unauffälliges altes Städtchen, bekannt als Einkaufszentrum der Region. Eine Brücke über die Elbe führt ins benachbarte Brandýs nad Labem / Brandeis an der Elbe. 1960 wurden die beiden Orte zur Doppelstadt Stará Boleslav-Brandýs nad Labem zusammengeschlossen. Rund 16.000 Einwohner leben hier. Doch am 28. September dürfte die Zahl der Menschen in der Stadt um rund 40.000 Pilger anschwellen. Hat man in Stará Boleslav jemals Ähnliches erlebt?

„Es mag Sie verwundern, doch Stará Boleslav hat in seiner Geschichte als ältester tschechischer Wallfahrtsort schon früher so viele Besucher gesehen. Und zwar im 18. Jahrhundert. Wir haben Aufzeichnungen aus jener Zeit, die belegen, dass hier damals bei den Wallfahrten bis zu 55 000 Pilger zusammenkamen. Doch der Papst ist in der ganzen, tausendjährigen Geschichte der Stadt noch nie hier gewesen“, erläutert Milan Novák, der den Papstbesuch für den Magistrat vorbereitet.

Schloss von Brandýs  (Foto: Autorin)
Seit sich Papst Benedikt XVI. in Stará Boleslav angekündigt hat, besinnt sich das Städtchen auf die bedeutende Rolle, die es einst in der Geschichte gespielt hat. Die Besucher sollen vom einstigen Glanz und der Größe der Stadt den besten Eindruck mitnehmen. An Kirchenfassaden wird noch in letzter Minute frischer Putz aufgebracht, Denkmäler werden renoviert, Gehwege ausgebessert und ein Stück der Straße, die der Papst nehmen wird, baut man sogar in Windeseile ganz neu.
St.-Wenzel-Basilika  (Foto: Autorin)
„Die Pilger können die St.-Wenzel-Basilika besuchen. Sie können dort die bedeutendste Reliquie des heiligen Wenzel verehren, seinen Schädel. Und zwar genau an demselben Ort, den der Papst selbst am frühen Morgen betritt. Sie können auch die Mariä-Himmelfahrt-Kirche besichtigen, in der das böhmische Palladium aufbewahrt wird. Und schließlich können sie über die Brücke nach Brandýs hinüber gehen, wo das Schloss geöffnet sein wird. Das Schloss hat den Habsburgern gehört und ist auch mit dem letzten böhmischen König, dem seligen Karl I. verbunden.“

Das Palladium ging verloren, doch wurde es später in Stará Boleslav wieder aufgefunden und am Beginn des 17. Jahrhunderts zum Schutzbild Böhmens erklärt. Daraufhin setzten – neben den Wenzelwallfahrten – auch Marienwallfahrten nach Stará Boleslav ein und machten die Stadt zu einem der bedeutendsten böhmischen Wallfahrtsorte. Eine Kopie des Palladiums sei folglich auch das einzig passende Geschenk der Stadt an den Papst, findet Milan Novák. In der kommunistischen Ära unterbrochen, wurde die Tradition der Wallfahrten vor sieben Jahren neu belebt. Die Pilger beten jedoch nicht nur, sie dürfen sich auch vergnügen. Milan Novák:

„Auf dem Marktplatz werden eine ganze Reihe von Konzerten aufgeführt. Und um acht Uhr abends zieht wie jedes Jahr der Fackelumzug mit dem heiligen Wenzel an der Spitze durch die Stadt, der mit einem Feuerwerk beendet wird.“

Papst Benedikt XVI.  (Foto: ČTK)
Stará Boleslav ist die letzte Station der dreitägigen Tschechienreise Papst Benedikts XVI. Zuvor besucht der Heilige Vater Prag und Brünn. In Stará Boleslav hält er am Morgen des 28. Septembers einen Gottesdienst unter freiem Himmel. Ort der Messe ist die Probstwiese am Stadtrand, die zigtausend Menschen Platz bietet. Große Bildschirme sollen dafür sorgen, dass auch die zuletzt Gekommenen die Messfeier mitverfolgen können. Nach dem Gottesdienst wendet sich der Papst mit einer Ansprache an die katholische Jugend. Für die Jugendlichen ist schon am Vorabend der Ankunft des Papstes ein Programm vorbereitet.

„Ort der Veranstaltung am Vorabend ist der Marienplatz. Wir gehen davon aus, dass etwa drei bis fünftausend Jugendliche teilnehmen werden. Thema ist die Heiligkeit. Die jungen Leute setzen sich mit ihren Vorstellungen von Heiligkeit auseinander. Im zweiten Teil des Programms wird ein Theaterstück aufgeführt, das, sagen wir, einen besinnlichen Charakter hat.“ So Vít Zatloukal, der für die Jugendarbeit der Tschechischen Bischofskonferenz zuständig ist.

Foto: Autorin
Statistiken des Heiligen Stuhls zufolge sind über 30 Prozent der Tschechen Katholiken. Doch solche Zahlen seien mit Vorsicht zu genießen, meint Vít Zatloukal. Es gebe in der tschechischen Bevölkerung eine Grauzone der Religiosität. Viele Menschen stünden der Kirche nahe, auch wenn sie ihr nicht angehörten. Dass der Papstbesuch solche zögernden Seelen in den Schoß der Kirche führen werde, glaubt er aber nicht. Der Papst komme schließlich nicht, um zu missionieren, sondern um diejenigen zu bestärken, die bereits glauben. Eine solche moralische Unterstützung kann nicht schaden. Denn hört man sich bei den Einwohnern von Stará Boleslav um, so entsteht – allen hektischen Baumaßnahmen und organisatorischem Eifer zum Trotz – der Eindruck einer Glaubenswüste.

Kirche Mariä Himmelfahrt  (Foto: Autorin)
„Ich bin nicht gläubig. Daher gehe ich nicht hin, wenn der Papst kommt. In Tschechien ist das schwierig, denn der Glaube ist bei uns ziemlich verdreht. Und in der jetzigen Situation bräuchten wir das Geld eher für unsere Kinder. Einen solchen Aufwand zu treiben und Millionen für den Papstbesuch hinauszuwerfen, das halte ich für überflüssig“, meint ein Rentner.

Er steht mit seiner Meinung nicht alleine. Auch viele Jugendliche lässt der Papstbesuch eher kalt:

“Ich gehe nicht zum Papst, denn ich bin nicht gläubig. Ohne Zweifel ist der Besuch ein großes Ereignis, aber ich fahre über den Feiertag weg", erklärt ein junger Mann. Und ein junges Mädchen meint:

„Mich interessiert der Papst nicht. Natürlich habe ich mitbekommen, dass er kommt, denn hier wird alles repariert. - Und Sie, glauben Sie denn an Gott?“

Dieses Mädchen macht der Papstbesuch immerhin neugierig. Doch man muss schon recht viele Passanten ansprechen, um auf solche Begeisterung zu stoßen, wie sie diese beiden Frauen ausdrücken:

Stará Boleslav / Altbunzlau  (Foto: Autorin)
„Es ist phantastisch, dass der Papst kommt. Er geht direkt vor unserem Fenster vorbei. Ich glaube, viele Menschen in Stará Boleslav sind begeistert. Alle freuen sich schon und bereiten sich auf den Papstbesuch vor.“

„Ich habe mir schon immer gewünscht, dass der Papst kommt. Lange erschien mir dieser Wunsch nicht realistisch, doch nun geht mein Traum in Erfüllung.“

Mindestens 40.000 Pilger werden am 28. September in Stará Boleslav erwartet. Sonderbusse holen sie an den nördlichen Endstationen der Prager U-Bahn ab. Jugendliche, die in der Zeltstadt übernachten wollen, sollten Schlafsack und Liegematte dabei haben, empfiehlt Milan Novák. Vor allem aber sollten sie um schönes Wetter beten.

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