Ernten wie die Vorväter: Familie in Ostböhmen belebt alte Traditionen wieder

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Im Sommer staut sich manchmal der Verkehr, weil mal wieder ein langsam fahrender Mähdrescher den Weg versperrt. Diese großen Erntehelfer gehören heute schon zu unserem Alltag. Vor mehreren Jahrzehnten konnte man von so etwas nur träumen. In der Erntezeit musste man selbst Hand anlegen und das Getreide wurde mit der Sense gemäht. Wie unsere Vorväter Landwirtschaft betrieben, das haben einige Enthusiasten aus dem ostböhmischen Dorf Sebranice in Erfahrung gebracht.

Bund der Enthusiasten alter Bräuche (Spolek archaických nadšenců), so nennen sie sich. Im Frühjahr haben sie Roggen gesät und vor einer Woche wurde das Getreide geerntet – und zwar per Hand mit Sensen wie unsere Vorväter.

Treibende Kraft ist dabei Jiří Kmošek, der sich mit historischem Handwerk beschäftigt. Die Ernte beginnt für ihn damit, dass er seine Sense richtig scharf macht. Das Blech, aus dem sie besteht, wird durch das Mähen und auch das Wetzen immer dünner und stumpfer. Deswegen wird die Sense zuerst gedengelt. Nur dadurch wird die Schneide der Sense scharf wie eine Rasierklinge.

Danach kann es losgehen. Die Arbeit auf dem Feld beschäftigt dabei die ganze Familie. Der Mann muss mit der Sense das Getreide mähen. Das bleibt aber auf dem noch nicht gemähten Getreide liegen. Was damit passiert, erklärt Kmošek:

„Der Schnitter, der das Feld mäht, geht langsam. Dabei wirft er mit Sense das frisch gemähte Getreide auf das stehende Getreide. Hinter ihm geht eine Frau oder ein Kind und nimmt immer einen Armvoll auf. Nun wird das Getreide zu einem Gebinde geformt. Das erste Gebinde dient als Grundstein für einen Strohmann. Insgesamt besteht ein Strohmann aus neun Gebinden.“

Die Strohmänner bleiben danach für ein bis zwei Wochen auf dem Feld stehen. Nur so kann das Getreide gut austrocknen. Danach erst wird die Ernte in die Scheune gebracht, sagt Jiří Kmošek.

„Wenn man das letzte Gebinde auf dem Leiterwagen in die Scheune bringt, beginnt offiziell das Erntedankfest. Das Dreschen verschoben die Leute auf den Winter, wenn es nicht viel anderes zu tun gab. Gedroschen wurde in der Scheune, wenn es nicht fror, auf einer hölzernen Tenne. Dies machten die Familienmitglieder, die gerade Zeit hatten.“

Die Gruppe um die Familie Kmošek aus Sebranice, die Landwirtschaft wie unsere Vorväter betreibt, sucht Inspiration vor allem in der alten Literatur. Manche Tricks müssen sie neu entdecken oder sich von den Älteren beraten lassen. Die Aufgaben der Kinder auf dem Feld beschreibt Jiří Kmošeks Großvater František Votřel:

„Die Kinder drehen aus dem Stroh Garbenbänder. Die brauchte man für die Gebinde. Ich habe das damals auch gemacht. Ich beherrsche zwei Arten von Knoten, um die Strohhalme miteinander zu verknüpfen.“

František Votřel hat das Mähen mit der Sense nur noch als kleiner Junge mitbekommen. Schon damals um den Zweiten Weltkrieg herum wurden aber nur noch die Ecken und die Ränder der Felder gesenst, sonst wurde schon alles maschinell geerntet.

Mähen ist physisch anstrengend. Die Schnitter mussten also auch Energie schöpfen. Was es auf dem Feld zu essen gab, beschreibt Lenka Kmošková.

„Die Bäuerinnen hatten nicht viel Zeit, warme Speisen zuzubereiten. Sie buken also Buchteln, damit die Männer etwas Süßes bekamen. Sie machten so sechs Buchteln auf einem Blech oder vier auf einer Gansbratpfanne. Und darin war das, was gerade im Garten war. Sie hatten weder Kühlschränke noch Tiefkühltruhen. Zur Erntezeit wurden die Birnen reif. Die haben sie gekocht und so waren die Buchteln mit Birnenmus. Groß waren sie, damit die Frauen sie schnell machen konnten. Jeder bekam zwei oder drei Stücke mit. Für diejenigen, die süße Speisen nicht mochten, oder ganz allgemein zur Abwechslung machte man Liwanzen ohne Zucker, die mit Mohn bestreut waren. Man konnte sie auch mit Butter beschmieren oder mit gekochtem Fleisch essen.“

Die Schnitter arbeiteten tagsüber, häufig in der prallen Sonne. In der Hitze brauchten sie auch etwas zu trinken. Während zu kommunistischen Zeiten die Arbeiter der LPGs oft Flaschenbier tranken, setzten unsere Vorahnen auf alkoholfreie Getränke. Lenka Kmošková.

„Man benutzte zum Durstlöschen Essigwasser. Das gab der Erfahrung nach den Schnittern die benötigte Energie. Eine andere Möglichkeit war Ersatzkaffee.“

Essigwasser beinhaltet außer Essig noch Zucker und Salz. Das Wasser brachte man in großen Kannen bis an das Feld. Es wurde im Schatten gelagert oder in einem Bach gekühlt.

Angenehmer wäre es gewesen, wenn es ohnehin kalt gewesen wäre. Doch wenn es kalt ist, dann regnet es oft auch. Und feuchtes Getreide kann man nicht mähen. Probleme mit Wetter hat an diesem Tag auch Jiří Kmošek:

„Heute hatten wir vor, einen Malter Roggen zu mähen. Vor uns ist ein Feld mit Roggen, der schon anderthalb Meter hoch ist. Unser Ziel war, damit heute fertig zu werden, aber das Wetter erlaubt es uns nicht. Wir erwarten Regenschauer. Deswegen müssen wir abwarten, bis der Himmel sich aufhellt und das Getreide getrocknet ist. Das kann bis morgen dauern.“

Das Wetter war am Ende aber besser als erwartet und so konnten die Mitglieder des Spolek archaických nadšenců doch noch das ganze Roggenfeld mähen. Das war am Samstag vor einer Woche. Unter Dach und Fach - also in die Scheune - kommt das Korn erst am nächsten Samstag. Dann aber kann in Sebranice in Ostböhmen auch das Erntedankfest stattfinden.