Dem Heiligen Gunther zu Ehren: der Wallfahrsort Dobra voda

Kirche des Hl. Guntherus in Dobra Voda

Der Heilige Gunther wurde Jahrhunderte lang als Patron des Böhmerwaldes betrachtet. In Dobra voda / Gutwasser bei Hartmanice befindet sich sogar die weltweit einzige Kirche, die diesem Mann eingeweiht ist. In der kommunistischen Zeit war diese Ortschaft unzugänglich, nun erlebt sie jedoch einen neuen Aufschwung.

Der Heilige Gunther - tschechisch Vintir - war ein mittelalterlicher Magnat aus Thüringen, in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts geboren. Er gehörte zur damaligen politischen Elite - sein Verwandter war Heinrich II, der letzte Kaiser des Heiligen römischen Reiches. Erst in reifem Alter lernte Gunther die Lehre der Benediktiner kennen. Etwa um das Jahr 1006 ging er auf Wallfahrt nach Rom und trat ins Kloster im bayerischen Niederalteich ein. Viele Jahre verbrachte er mit Missionsreisen durch Böhmen, Ungarn und das heutige Brandenburg. Zeitgenössische Erzählungen schildern ihn als erfolgreichen Diplomat und Friedenstifter, der dazu beitrug, dass die böhmisch-bayerischen freundschaftlich waren. Vladimir Horpeniak aus dem Böhmerwaldmuseum in Kasperske hory / Bergreichenstein erzählt:

"Da er großes Vertrauen sowohl beim böhmischen, als auch beim bayerischen Herrscher genoss, war er Verhandlungsführer zur Zeit des grenzüberschreitenden Konfliktes um das Jahr 1040. Der böhmische König Bretislav soll Gunther sogar in seiner Klause in Gutwasser persönlich besucht haben. Und als dieser starb, ließ der Herrscher die Leiche des Eremiten im Kloster Brevnov bei Prag begraben. Das war eine große Ehrung, denn Brevnov war damals die bedeutendste Stelle des geistlichen Lebens in Böhmen. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde leider die Friedensaktivität des Heiligen Gunther gegen ihn gewandt. Die damaligen nationalen Kulturträger beschuldigten ihn, dass er den Deutschen nachgelaufen sei und die nationalen Interessen verraten hätte. Das ist auch der Grund, warum das Gedenken an den Heiligen Gunther in Tschechien schwächer ist als in Bayern. Die Behauptungen über den nationalen Verrat des mittelalterlichen Heiligens sind jedoch Unsinn und haben keine historische Begründung", so Horpeniak.

Gunther erkundete in seiner letzten Lebensphase Schritt für Schritt den damaligen Urwald an der Grenze. 1011 gründete er das Kloster Rinchnach als erste Siedlung des mittleren Bayerischen Waldes. Von hier aus schuf er einen Steig nach Gutwasser. Gutwasser war schließlich seine letzte Station, wo er der Überlieferung nach in einer Felsenklause die letzten vier Jahre seines Lebens verbrachte. Die Aufenthaltsorte dieses Mannes sind mit vielen Legenden über Wunderheilungen verbunden. Deswegen wurde Gunther als heilig betrachtet. Zur offiziellen Kanonisierung kam es jedoch nie.

"Die Heiligsprechung des Gunther hat im 13. Jahrhundert schon der böhmische Premysliden-König Otakar II befürwortet. Der Tod des Königs bei der Schlacht auf dem Marchfeld brach aber diese Initiative ab, und später wurde sie nicht mehr auf die Tagesordnung gesetzt. Dennoch wurde Gunther besonders in Bayern als Heiliger betrachtet, was zahlreiche Dokumente bestätigen. Darüber hinaus gibt es eine Papstbulle aus dem 17. Jahrhundert, die die Heiligkeit von Gunther aufgrund der allgemeinen Volksehrung einräumt. Die Kirche hat also die lange Tradition der Verehrung akzeptiert."

In der Vergangenheit kamen zur Kirche des Heiligen Gunther in Gutwasser regelmäßig Tausende Pilgerer von beiden Seiten der Grenze. Der Zweite Weltkrieg und die nachfolgenden Ereignisse machten jedoch Schluss mit dieser Tradition. Alle deutschsprachigen Bewohner wurden vertrieben, und seit 1950 war das Gebiet als Grenzzone für Zivilisten gesperrt. Das Kirchengebäude diente als Munitionslager. Die kommunistische Armee zerstörte den Innenraum. Nach der Wende wurde aber mit der Renovierung der Kirche begonnen, worum sich viele Leute beiderseits der Grenze verdient gemacht haben. Das Sakramentshaus gilt heute sogar weltweit als Rarität.

Heilige Gunther,  foto: Ondrej.konicek,  CC BY-SA 3.0 Unported
"Der Innenraum der Kirche ist mittlerweile mit einem neuen Kunstwerk geschmückt. Es handelt sich um einen einzigartigen Glasaltar (Retabulum), der von der Künstlerin Vladena Tesarova hergestellt wurde. Sie kommt aus Prag, in Dobra voda hat sie jedoch ihr zweites Zuhause gefunden. Das verwendete Material erinnert an die berühmte Tradition der Böhmerwälder Glasindustrie. Der Altaraufsatz ist als Dreiflügelrelief dargestellt, und dominiert vom erhöhten Presbyterium aus die einschiffigen Räumlichkeiten der Kirche. Er zieht die Aufmerksamkeit gleich beim Eintritt auf sich. Mit dem Gewicht von fast vier Tonnen handelt es sich um eine einzigartige Glasarbeit. Der Altar stellt einen böhmisch-bayerischen Himmel dar: das himmlische Jerusalem, wo die Heiligen beider Nationen vertreten sind, einschließlich dem Heiligen Gunther", erzählt Vladimir Horpeniak.

Kirche des Hl. Guntherus in Dobra Voda,  foto: O. Mejsnar,  CC BY-SA 3.0 Unported
1995 wurde im Übrigen auch die Tradition der Wallfahrten erneuert. Sie finden zwei Mal pro Jahr immer im Juni und Oktober statt. Die tschechischen Teilnehmer kommen aus der weiteren Umgebung, einige von ihnen sogar aus Plzen / Pilsen oder Prag. Die Deutsche gehen traditionell zu Fuß aus Rinchnach, also auf dem Weg, den Gunther selbst zu seiner Zeit beschritt. In Dobra voda erwartet sie jedes Mal eine Messe in deutscher uns tschechischer Sprache, erklärt Günter Iberl vom Guntherverein in Regensburg:

"Die Fußwallfahrt an sich ist eine richtige Wallfahrt, bei der man sich auf den Weg macht. Es ist anstrengend, aber es ist zugleich ein Bild für die ganze menschliche Pilgerschaft. Es gibt sicher auch Leute, die das als Wanderung verstehen. Der Großteil nimmt es jedoch als Wallfahrt, um zum Heiligen Günther zu kommen. Man weiß nie genau, wie viele Leute zu erwarten sind, weil sie spontan hingehen. Die Zahl schwankt immer zwischen 50 und 150 Personen."

Dobra voda ist nach der Wende wie aus der Asche wieder auferstanden. In der kommunistischen Zeit durfte dort niemand leben, alle Gebäude wurden zerstört oder stark beschädigt. Nun ist neben der Kirche auch der Friedhof renoviert worden, ein regionales jüdisches Museum wurde eingerichtet und mehrere Familien sind sogar hergezogen. Zu all diesem entwickelt sich in Dobra voda eine Atmosphäre des nationalen und religiösen Verständnisses.

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Autor: Jakub Šiška
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