Tschechischer Film expandiert auch in das Polargebiet

Ältestes Kinohaus in Norwegen

Der tschechische Film ist keine Unbekannte in der Welt der Kunst. Auch wenn es Länder gibt, in der er noch nicht zum Begriff geworden ist - für die norwegische Polarstadt Tromsö, die Jitka Mladkova vor kurzem besucht hat, gilt das offensichtlich nicht. In der heutigen Ausgabe der Sendereihe Heute am Mikrophon will sie ihnen eine sachkundige und zugleich auch interessante Persönlichkeit des dortigen Kulturlebens vorstellen. Zu Tschechien hat sie eine besondere Beziehung!

Martha Otte
Martha Otte heißt sie. Sie spricht akzentfreies Norwegisch und perfekt Englisch. Sie ist aber keine Norwegerin. Erst im Laufe unseres Gesprächs habe ich erfahren, dass sie in den USA geboren wurde. In Kalifornien wollte sie Schwedisch lernen, der Kurs war schon besetzt und daher sattelte sie auf Norwegisch um. Nach Norwegen ist also die studierte Philosophin gekommen, um ihr Norwegisch zu verbessern. Sie kam und ist hängengeblieben, wie es vielen passiert:

"Ich bin Amerikanerin. Nach Norwegen kam ich 1971, lebe also seit bereits 35 Jahren hier. Wenn man eine Amerikanerin, eine weiße Amerikanerin, ist, dann ist die Integration kein großes Problem hier. Ich habe schnell Norwegisch gelernt. Schließlich kam ich hierher, um Norwegisch zu lernen. Für mich ist es hier der richtige Ort zum Leben und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich woanders leben könnte."

Vor sechs Jahren kam nach Tromsö auch Martha Ottes Ehemann Herrmann Greuel, der davor ein Programmkino in Berlin-Mitte geleitet hat. Beide mögen Tschechien:

"Wir haben uns auf dem Filmfestival in Karlovy Vary / Karlsbad kennengelernt, und das ist auch ein Grund, warum wir beide eine besondere Beziehung zur Tschechischen Republik haben. Mein Mann zog aus Berlin nach Tromsö um, nachdem wir uns vor nun schon sieben Jahren ineinander verliebt hatten. Auch für ihn ist jetzt Tromsö ein sehr guter Ort zum Leben. Im Vergleich zu Berlin, wo er vorher 20 Jahre lang gelebt hatte, ist seiner Meinung nach die Lebensqualität hier phantastisch. Ich persönlich mag es sehr nach Berlin zu fahren. Es ist viel größer und aufregend."

Frau Ottes eigenen Worten zufolge sei es ihr Lebensanliegen, Menschen verschiedener Nationalitäten mittels der Filmkunst näher zu bringen. Seit Jahren ist sie Direktorin des Internationalen Filmfestivals von Tromsö, das vor einer Woche bereits zum 17. Mal veranstaltet wurde, in einem wesentlich älteren Kinohaus allerdings. Über das Jugendstilgebäude spricht sie nicht ohne Stolz:

"Die erste Filmvorführung fand hier im Juni 1916 statt. Es war die Stadt Tromsö, die sich zum Bau des Kinohauses entschlossen hat. Es ist das älteste Filmtheater Norwegens, das als Kino gebaut wurde und bis heute noch als Kino dient. Im weltweiten Vergleich ist Tromsö eine kleine Stadt, aber in Nordnorwegen ist es die größte Stadt oberhalb des Polarkreises. Es ist eine internationale Stadt mit ausgeprägter Identität."

Ältestes Kinohaus in Norwegen
Das Filmfestival von Tromsö findet alljährlich zu einem Zeitpunkt statt, wenn die Tage extrem kurz sind und die geografische Lage der Stadt oberhalb des Polarkreises nicht zuletzt auch durch Frosttemperaturen tief unter Null deutlich wird. Martha Otte bringt mit dem Programm, wie sie gerne sagt, eine ganze Stadt ins Kino.

"Wir sind das landesweit größte Filmfestival bezogen auf die Besucherzahl. 2006 haben wir 45.000 Karten verkauft. Das ist sehr viel, wenn man bedenkt, das Tromsö eine Stadt mit 60.000 Einwohnern ist. Wir haben ein großes Publikum, das dieses Filmfestival gern hat. Die Besucher kommen aus verschiedenen Ländern der Welt, vor allem aus den nordeuropäischen. Es findet in einer exotischen Zeit im Jahr statt - im Januar, in der Zeit der Polarnacht, wenn es zwei Monate lang kein Tageslicht gibt. In der Stadt herrscht dann eine Atmosphäre voller Erwartung. Ich glaube, dass das auch einer der Gründe ist, warum das Festival so populär wurde. Auf dem Programm gibt es keine Hollywoodfilme. Wir stellen alternative Filmkunst aus der ganzen Welt vor. Oft zeigen wir auch tschechische Filme."

Beim diesjährigen Festival war Tschechien nur durch einen Film vertreten. Viel mehr aus der tschechischen Filmproduktion gab es in Tromsö im November vergangenen Jahres zu sehen. Im Rahmen eines Minifestivals mit dem Titel "Tschechische Filmtage" wurden im alten Kinoklub insgesamt acht Streifen vorgestellt, von denen einige wiederholt präsentiert werden. Martha Otte:

"Wir wissen, dass es eine ganze Reihe tschechischer Filme gibt, die nicht alle beim Internationalen Filmfestival gezeigt werden können. Da können wir jedes Mal höchstens zwei, drei Produktionen zeigen, aber das reicht nicht. Auf dem Programm der Tschechischen Filmtage standen acht Streifen und nur zwei davon sind bislang in Norwegen aufgeführt worden. Es war eine Auswahl der besten tschechischen Filme der letzten zehn Jahre. Natürlich hätten wir viel mehr zeigen können, aber unsere Möglichkeiten sind limitiert. Der älteste der gezeigten Filme waren ´Knoflikari / Die Knöpfler´ aus dem Jahr 1999. Bei einer Umfrage konnte er sogar die größte Gunst der Zuschauer für sich verbuchen. Weitere Titel waren zum Beispiel ´Navrat idiota / Die Rückkehr des Idioten´, ´Ene Bene´ von Regisseurin Alice Nellis sowie ´Rok dabla / Das Jahr des Teufels´ von Petr Zelenka."

Gemütliche Cafébar im alten Kino
In Tromsö sei die tschechische Filmkunst nicht unbekannt, was nicht zuletzt auch ein Verdienst des Internationalen Filmfestivals von Tromsö sein könnte, sagt Frau Otte, und bekennt in einem Atemzug, sie persönlich mag tschechische Filme sehr:

"Einer der Gründe, warum wir auch Tschechische Filmtage veranstaltet haben, ist der, dass zu wenige tschechische Filme in die norwegische Filmdistribution kommen. Natürlich war der Oscar-Film Kolja auch hierzulande ein großer Hit. Gezeigt wurde auch ´Babi leto´ (Altweibersommer), eine intime Geschichte über alte Menschen, der Film hat aber keine große Aufmerksamkeit geweckt. Anders der Streifen ´Stesti´ (Glück), der bei den Tschechischen Filmtagen seine norwegische Premiere erlebte. In dem Rest des Landes ist das Defizit an tschechischen Filmen enorm. Unserseits war es ein kleiner Versuch, mehr Aufmerksamkeit für die tschechische Filmkunst zu wecken."

Und ansonsten? Wie bekannt oder unbekannt ist die tschechische Kultur in Norwegen, genauer gesagt im Norden des Landes?

"Ich glaube, da geht es immer noch um etwas Exotisches. Der wahrscheinlich leichteste Weg zur tschechischen Kultur führt gerade über den Film. Ein Film ins Kino zu bringen ist einfacher und außerdem auch wesentlich billiger, als zum Beispiel ein Symphonisches Orchester aus Tschechien einzuladen. Ich denke, das ist ein Gebiet, auf dem noch vieles getan werden muss, um mehr tschechische Kultur in Norwegen zu präsentieren."

Wie sich aus dem Gespräch mit Martha Otte herausgestellt hat, kann sie sich sehr gut in der tschechischen Kulturszene orientieren. Und das kam natürlich nicht von ungefähr. Sie erläutert:

"Ich komme regelmäßig zum Filmfestival in Karlsbad, etwa seit acht Jahren. Das ist eine Sache. Außerdem versuche ich jedes Jahr nach Pilsen zu kommen, leider war es in den letzten paar Jahren nicht möglich. Und in Prag habe ich gute Kontakte zu Kinoleuten, zum Beispiel im bekannten Kino Aero. Ganz enge Kontakte habe ich zu tschechischen Filmklubs wie auch zu einigen Produzenten. Es ist eine sehr stark aufstrebende Filmszene, natürlich mit vielen tollen Menschen."

Kurzum, was in der tschechischen Filmkunstszene relevant ist, ist für Martha Otte nicht unbekannt. Sie im weit entfernten Norden Europas zu treffen war für mich ein interessantes Erlebnis. Und auch für sie, wie sie mir abschließend sagte, sei es immer ein Vergnügen, nach Tschechien zu kommen.

Fotos: Autorin