Tschechisch-deutsches Twinning-Projekt konzentriert sich auf Information über Umweltstandards

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Die Richtlinien der EU im Detail umsetzen und ihre Grundsätze mit Leben erfüllen: Nach der im Mai vollzogenen Erweiterung ist das die vordringliche Aufgabe bei der Weiterentwicklung der neuen Europäischen Union. In einer kaum überschaubaren Vielzahl bi- und multilateraler Arbeitsgruppen wird genau daran gearbeitet. Unter anderem auch im Rahmen so genannter Twinnig-Projekte, wo immer zwei Staaten in einem ganz bestimmten Bereich kooperieren. In der nun folgenden Ausgabe unserer Sendereihe "Heute am Mikrophon", hat Gerald Schubert zwei Mitarbeiter eines Tschechisch-deutschen Twinning-Projekts zu Gast: Ihre Aufgabe: Die Erstellung eines Informationssystems über Umweltstandards.

Claus Heuberger  (Foto: Autor)
In unsere Sendung "Heute am Mikrophon" haben wir diesmal Herrn Claus Heuberger und Frau Pavlina Vimrová eingeladen. Beide sind Mitarbeiter eines bilateralen Projekts, das im Rahmen der Europäischen Union zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik organisiert wurde - konkret eines so genannten Twinning-Projekts. Herr Heuberger, was ist denn ein Twinning-Projekt?

Claus Heuberger: "Im Zuge der EU-Erweiterung hat man sich überlegt, dass die Mitgliedstaaten den Beitrittskandidaten helfen sollen, den allgemeinen Standard in der Europäischen Union zu verwirklichen. Dafür werden dann eben Verwaltungshilfen angeboten, indem Mitgliedstaaten zu den Neuen kommen und ihnen erklären, wie sie diesen Standard am besten erreichen können."

Pavlína, wir kennen uns schon länger und duzen uns auch im Interview. Kannst du das im Hinblick auf euer Projekt konkretisieren? Twinning-Projekte sind ja immer in einem sehr konkreten Bereich angesiedelt. Worum geht es bei euch?

Pavlina Vimrová  (Foto: Autor)
Pavlina Vimrová: "Wir realisieren das Projekt beim tschechischen Umweltministerium. Andere Twinning-Projekte gibt es etwa auch im Bereich Justiz, Finanzen, Industrie und so weiter - meistens bei der Staatsverwaltung. Bei uns ist es wie gesagt das Umweltministerium, und auf der deutschen Seite ist der Partner das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit."

Es geht also allgemein um Umweltschutz. Worum geht es konkret?

Claus Heuberger: "Unser Projekt ist ein ganz besonderes Projekt - in verschiedener Hinsicht. Zunächst mal haben die Twinning-Projekte darauf abgezielt, die europäischen Richtlinien in den nationalen Gesetzen umzusetzen. Das hat die Tschechische Republik erreicht, sie ist seit 1. Mai vollwertiges Mitglied. Jetzt versuchen wir, diese umgesetzten Richtlinien auch tatsächlich mit Leben zu erfüllen. Dazu haben wir uns ein Thema gegeben: das Umweltinformations- und Umweltmanagementsystem. Mit diesem sollen die nun bestehenden nationalen Gesetze nicht nur angewandt, sondern tatsächlich auch mit moderner Technik und modernen Systemen begleitet werden."

Welche Richtlinien sind das in erster Linie? Woran orientiert sich diese Umsetzung mit Leben, wie sie es genannt haben, in Ihrem Projekt?

Pavlina Vimrová und Claus Heuberger  (Foto: Autor)
Claus Heuberger: "Es gibt zunächst mal die Richtlinien für den freien Zugang der Bürger zu Umweltinformation. Dahinter verbirgt sich, dass jeder Bürger einen möglichst ungehinderten, schnellen und umfassenden Zugang zu den Informationen, die die Umwelt betreffen, haben soll. Dieser Zugang wird im Allgemeinen bislang dadurch verwirklicht, dass man in die Behörde geht und in die Akten kuckt. Wir versuchen jetzt ein Stück weiter zu gehen und, was auch die Europäische Union mit einer Novelle der bestehenden Umweltrichtlinien angeregt hat, diesen Zugang über das Internet zu ermöglichen - also bequem von zu Hause aus. Dazu ist unser Projekt schon mal ein Steigbügel. Ein weiteres Novum ist: Wir wollen, dass die Daten spezifisch für den Bedarf des jeweiligen Nutzers aufgearbeitet werden. Das heißt: Wenn jemand wissen möchte, ob ein Badesee auch wirklich zum Baden taugt, dann nützt es ihm wenig, wenn man die Belastung mit Schwermetallen oder Algenbelastung und dergleichen hochwissenschaftlich aufgegliedert darstellt. Damit kann er nichts anfangen. Er muss wissen: Das Baden ist ungefährlich, das Baden ist mit Risiken verbunden, das Baden ist gefährlich. Mit solchen Abstufungen muss er arbeiten können - im Gegensatz zum hoch spezialisierten Wissenschaftler, der für seine Zwecke eventuell Rohdaten zur Verfügung haben muss. Andere Nutzergruppen, wie die Wirtschaft, die Behörden oder NGOs, brauchen wieder eine andere Qualität der Daten. Das alles soll unser System anbieten. Damit wird es ein echter Service für die Bürger sein."

Ein Aspekt der Europäischen Union, der sehr oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass die EU eigentlich sehr stark auf Bürgerbeteiligung hin orientiert ist. Dass sie versucht, die Bürger direkt anzusprechen und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Was ist in diesem Fall das Wichtige bei der Umsetzung der Grundgedanken der Europäischen Union?

Claus Heuberger: "Viele Bürger, aber auch die Wirtschaft oder die Politik schimpfen über den teuren administrativen Umweltschutz. Auf der anderen Seite aber gibt es zurzeit kein anderes adäquates Mittel, um die Umwelt tatsächlich zu schützen. Wir müssen uns also überlegen, wie wir da rankommen. Der erste Gedanke ist die Prävention - also bereits vorbeugend Umweltschutz zu betreiben. Dazu braucht man ein gewisses Bewusstsein bei den Bürgern. Und das erreicht man dadurch, dass man Informationen und Kenntnisse über den Zustand der Umwelt zur Verfügung stellt. Hat man diese Informationen erst zur Verfügung, dann kann man einschätzen: Ist die nächste Maßnahme gut für mich? Gut für die Umwelt, gut für die Umgebung, gut für die Kinder, gut für die Lebensqualität? Genau dazu brauchen wir ein vernünftiges System."

Pavlina, du bist Tschechin, die Projektgruppe, von der wir hier sprechen, ist in Prag angesiedelt. Was hast du für eine Funktion? Siehst du dich als Bindeglied zwischen den deutschen Beratern und den tschechischen Institutionen?

Pavlina Vimrová: "Ich bin eine von den Projektassistentinnen. Unsere Aufgabe ist vor allem, die Kommunikation zwischen der deutschen und der tschechischen Seite zu ermöglichen. Auf der tschechischen Seite kommunizieren wir mit Beamten, mit Angestellten des Ministeriums und mit Angestellten der nachgeordneten Organisationen, wie zum Beispiel mit der tschechischen Agentur für Naturschutz, mit dem tschechischen Hydrometeorologischen Institut und so weiter. Dabei betone ich die sprachliche Seite: Dolmetschen, übersetzen und so weiter. Ich möchte noch betonen: Mein Interesse an dem Projekt und überhaupt an Twinning-Projekten kommt nicht nur von der Begeisterung für die Europäische Union, sondern auch daher, dass ich mich sehr für die deutsch-tschechischen Beziehungen interessiere. Ich habe daher an der Arbeit in dem Projekt viel Spaß, weil ich diese bilaterale Zusammenarbeit hier weiter entwickeln kann."


Das Projekt läuft noch bis zum 31. Oktober 2005; nähere Informationen dazu finden Sie im Internet auf der Seite www.env.cz/cenia.