Olympiasieger Armin Hary zählt Emil Zátopek zu seinen sehr guten Bekannten

Emil Zátopek

Wer kennt ihn noch, den ersten Sprinter der Welt, der die 100 Meter in exakt 10,0 Sekunden lief? Es war der Deutsche Armin Hary, der neben seinem Zehn-Sekunden-Lauf 1960 in Zürich im selben Jahr auch Olympiasieger in Rom wurde. Seitdem hat man von dem einstigen Sprint-Genie nicht mehr allzu viel gehört. Radio Prag aber hat den heute 73-Jährigen erst kürzlich, am 1. Februar, bei einem Besuch in Prag getroffen. Armin Hary war mit einer kleinen Gruppe deutscher Unternehmer in der Moldaustadt, um sich unter anderem erstmals ein Eishockeyspiel in Tschechien anzusehen.

Emil Zátopek | Foto: Roger Rössing,  Deutsche Fotothek,  CC BY-SA 3.0 DE
Herr Hary, Sie haben mir bereits gesagt, dass Sie seit über 20 Jahren zum ersten Male wieder in Prag sind. Wie geht es Ihnen eigentlich heute?

„Mir persönlich geht es ganz gut, aber besonders gut geht es mir jetzt hier in Prag, weil ich die ´Goldene Stadt´ endlich wieder erleben darf. Vielleicht kann ich sie diesmal sogar ein bisschen intensiver erleben, das freut mich besonders. Und dass ich heute Abend zum Eishockey eingeladen bin, ist wieder ein Highlight.“

Sie sagen, Sie können sich endlich wieder Prag ansehen. Wann waren Sie das letzte Mal hier und welche Erinnerungen verbinden Sie mit Prag?

„Zu meinen Erinnerungen gehören sicherlich die Verbindungen zu Emil Zátopek. Bis zu seinem Tod ist diese Verbindung nie abgerissen. Zudem habe ich Prag als Stadt immer in allerschönster und liebenswerter Erinnerung.“

Herr Hary, Sie sind 1960 Olympiasieger im 100-Meter-Lauf in Rom geworden, Emil Zátopek aber hatte seine größten Erfolge schon acht Jahre früher, als er 1952 in Helsinki als dreifacher Olympiasieger über die Langstrecken gefeiert wurde. Haben Sie Zátopek eigentlich noch bei gemeinsamen Leichtathletik-Wettkämpfen laufen sehen oder ist der Kontakt zu ihm erst später, nach dem Ende seiner aktiven Karriere entstanden?

„Ich habe Zátopek natürlich erst später kennengelernt, denn Zátopek, das war eine Generation vor mir. Ich habe immer große Hochachtung vor ihm gehabt, doch als ich Emil dann auch persönlich kennengelernt habe, hat sich all das bestätigt, was ich vom Sport her über ihn wusste. Er war ein wunderbarer Mensch.“

Waren Sie mit ihm befreundet?

„Nun, mit dem Ausdruck Freund muss man immer sehr vorsichtig sein. Wenn ein Mensch in seinem ganzen Leben fünf Freunde hat, dann ist er sicherlich sehr reich. Für mich war Emil jedoch ein sehr, sehr guter Bekannter. Zur Freundschaft gehört ja auch ein sehr häufiges Zusammentreffen und gegenseitiges Austauschen von Meinungen und Erfahrungen, doch das konnte ich natürlich mit Emil nicht immer. Wir haben uns später (nach der Wende) noch zwei- oder dreimal gesehen, wir haben einen familiären Kontakt gehabt und wie gesagt: Emil war für mich ein sehr, sehr guter Bekannter.“

Franz Josef Strauß
Sie konnten sich vor der Wende auch deshalb nicht sehr oft treffen, weil sie in zwei verschiedenen Welten gelebt haben – Zátopek in der kommunistisch geführten Tschechoslowakei und Sie in der freiheitlichen Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem haben sie sich auch damals hie und da begegnet und wie ich gehört habe, war auch ein Treffen während der Olympischen Spiele 1972 in München darunter. Was können Sie darüber berichten?

„Ich lebte damals in der Nähe von München und hatte zu einer kleinen Olympiaparty bei mir zu Hause geladen. Bei dieser Party waren große Sportler wie Emil Zátopek und Jesse Owens dabei, aber auch Politiker wie Franz Josef Strauß oder Manfred Schreiber. Bei mir waren alles Leute, die sicherlich in meinem Leben eine kleine Rolle gespielt haben. Aber ausgerechnet an diesem Abend ist das schreckliche Attentat bei den Spielen in München passiert. Diese Situation hat dann auch die Party gesprengt. Die Politiker waren alle erreichbar und wurden zurückbeordert. Damit war die Party letztlich vorbei.“

Waren Sie auch einmal zu Besuch bei Zátopek in Prag oder hat sich das nie ergeben?

„Doch, doch, ich habe Zátopek auch in Prag besucht. Zwar nicht zu Hause bei ihm, aber wir haben uns in einem Prager Lokal getroffen. Wir haben dabei sehr viele Stunden miteinander verbracht, denn zu dieser Zeit ging es Zátopek schon nicht mehr so gut. Ich muss auch sagen: Von der bayerischen Grenze zu Tschechien bis hinüber auf die andere Seite, der tschechischen Grenze nach Polen, war Emil Zátopek einfach ein außerordentlicher Begriff.“

Ich hörte, dass Ihnen sein Name bei einigen Zollkontrollen an der Grenze auch sehr geholfen hat…

„Ja, das stimmt, auch wenn ich seinen Namen von mir aus an der Grenze nie erwähnt habe. Für die Zöllner aber war Zátopek ebenso ein großer Begriff, und so haben sie mich damals bei der Einreise gefragt, ob ich Zátopek besuchen wolle und bei der Ausreise wiederum, ob ich Zátopek besucht hätte. Das war natürlich immer sehr schön.“

Sie haben also gemerkt: Die sportbegeisterten Tschechen haben Kenntnis davon, wer ein Armin Hary ist und war und wer ein Zátopek war, und das hat man sofort miteinander in Verbindung gebracht…

„Offensichtlich ja, obwohl wir beide aus zwei verschiedenen Generationen kamen. Dass wir miteinander in Verbindung gebracht wurden, hat mich besonders für Emil sehr gefreut.“

Wie sah es auf dem sportlichen Feld aus? Haben Sie damals auch Wettkämpfe in der Tschechoslowakei bestritten oder Wettkämpfe gegen eine Mannschaft der Tschechoslowakei?

„Also wenn ich mich noch recht erinnere, so hatten wir drei Länderkämpfe gegeneinander – einen in Deutschland und zwei in der Tschechoslowakei. Beim Länderkampf in Saarbrücken war ich nicht dabei, aber bei den zwei Duellen in der Tschechoslowakei war ich mit von der Partie.“

Haben Sie davon auch noch einige Erinnerungen, zum Beispiel an andere tschechische oder slowakische Leichtathleten?

„Eigentlich nicht. Ein paar Athleten kenne ich noch aus anderen Ländern, aber aus der Tschechoslowakei kann ich mich an keinen Namen mehr erinnern. Mit Ausnahme vom Emil Zátopek und seiner Frau Dana natürlich.“

Aber vielleicht können Sie das bestätigen: Länderkämpfe in der Leichtathletik, das waren damals noch sportliche Erlebnisse, weil man sich mit Sportlern anderer Nationen noch begegnet hat. Heute aber treten viele Sportler erst dann an, wenn die Gage stimmt. Das war früher anders oder?

„Das war früher wirklich anders, da hat man über die Gage nicht gesprochen, sondern vielmehr über die Ernährung. Man hat sich zum Beispiel gefreut, wenn das Essen gut war und die Nahrung für die Athleten überhaupt gestimmt hat. Wir haben auch nicht unbedingt in einem Fünf-Sterne-Hotel übernachten müssen, sondern wir waren mit einem Quartier mit einem oder gar keinem Stern auch einverstanden und zufrieden. Wir haben trotzdem unsere Leistung gebracht, denn der Gedanke Höchstleistungen zu bringen war anders als heute. Heute spielen der Kommerz und die Medien eine große Rolle und auch der Medizin wird eine enorme Bedeutung zuteil. Das gab es bei uns alles nicht.“

Sie haben gesagt, Sie wollen sich heute auch ein Eishockeyspiel anschauen. Ist es das erste Mal, dass Sie in Tschechien ein Eishockeymatch besuchen?

„Ja, in Tschechien ist es das erste Mal. Ich bin von diesem Sport sehr angetan, weil es ein echter Kampfsport ist. Ich empfehle auch, dass jeder Fußballer zumindest einmal auf das Eis muss, dann würden viele nicht mehr so oft schreien, wenn sie nur berührt werden und hinfallen. Also Eishockeyspiele sehe ich mir wirklich gern an.“

Das Eishockeyspiel zwischen Slavia Prag und dem HC Pilsen 1929 endete übrigens mit einem 4:3-Sieg der Gastgeber nach Penaltyschießen. Doch was macht Armin Hary eigentlich heute? Hat er sich als Rentner zurückgezogen? Mitnichten, Hary kennt keinen Ruhestand, sondern ist engagiert wie eh und je:

„Ich habe mich seit ein paar Jahren den Kindern verschrieben. Ich fördere jugendliche Sporttalente zwischen vier und zwölf Jahren, denn wir haben in Deutschland leider Gottes viel zu viele arme Kinder, wo die Eltern nicht mehr in der Lage sind, die Kinder zum Sport zu bringen. Und das dar nicht sein.“

Autor: Lothar Martin
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