Christian Bergen: Tschechisches Isergebirge statt südlichem Afrika

Christian Bergen

Vier Jahre hat er im Auslandsschuldienst gearbeitet. Das zuständige Amt hatte ihn nach Tschechien geschickt, obwohl es doch eigentlich ein ganz anderer Kontinent werden sollte, etwas Exotisches. Der Gymnasiallehrer Christian Bergen aus der Pfalz blickt im Gespräch mit Christian Rühmkorf zurück auf seine Zeit im Nachbarland Tschechien. Das Exotische hat ihm am Ende nicht gefehlt.

Christian Bergen
Christian Bergen, Sie sind ein Lehrer aus Deutschland. Sie kommen aus Kaiserslautern in der Pfalz. Sie sind derzeit in Prag zu Besuch, aber Sie kennen Tschechien eigentlich doch besser. Und zwar waren Sie von 2004 bis 2008 Lehrer an einem tschechischen Gymnasium in Liberec / Reichenberg, und da haben Sie das Land eigentlich ganz gut kennen gelernt. Aber ursprünglich wollten Sie im Auslandsschuldienst gar nicht nach Tschechien. Sie wollten woanders hin, oder?

„Ja, ich wusste schon ziemlich früh, dass ich gerne mal im Ausland arbeiten wollte. Und gegenüber dem Auslandsschuldienst-Amt habe ich als ersten Wunsch das südliche Afrika angegeben und war dann ein wenig überrascht als das erste Stellenangebot aus der Tschechischen Republik kam. Das war ein Traum, den ich mit Exotik und Abenteuer verbunden habe, aber beides – glaube ich - habe ich auch in der Tschechischen Republik gefunden.“

War es für Sie eine schwere Entscheidung Südafrika sausen zu lassen und stattdessen sozusagen in das „alte Osteuropa“ zu gehen?

„Im Gegenteil. Es war nicht geplant, aber wie häufig im Leben ist das, was man nicht plant, vielleicht das, was einem am besten tut, was am interessantesten ist. Ich selbst bin gute 40 Jahre alt und in einer Zeit groß geworden, wo der geistige Horizont am Eisernen Vorhang aufhörte. Gedanklich hat man sich mit Ländern beschäftigt, die im Westen lagen, die einfach zu bereisen waren. Und alles, was östlich des Eisernen Vorhangs war - einschließlich der DDR, das muss man auch dazu sagen – war ein wenig ausgeblendet. Und da bin ich sehr dankbar, dass durch meine Tätigkeit im Auslandsschuldienst dieses Defizit, dieses Unbekannte für mich jetzt ein wenig bekannter geworden ist. Und je mehr man kennen lernt, desto mehr merkt man, wie viel dennoch unbekannt bleibt.“

Christian Bergen  (2. von links) mit seiner Klasse  (Foto: Archiv des F.-X.-Šalda-Gymnasiums)
Sie sind jetzt schon wieder zweieinhalb Jahre zurück im deutschen Schuldienst. Wenn Sie auf diese Zeit in Tschechien zurückblicken, an diesem tschechischen Gymnasium mit einer deutschen Abteilung, wo Schüler auch das deutsche Abitur ablegen können, was ist Ihnen da so im Kopf geblieben? Ist das ein gutes Gefühl, wenn Sie an die Zeit zurückdenken?

„Ja, ein ausgesprochen gutes Gefühl. Wenn man in ein fremdes Land geht, dessen Sprache man nicht kennt, muss man sich natürlich auf viel Neues, Unbekanntes einstellen. Das fängt mit so Lappalien an, wie der Wohnungssuche in einer fremden Stadt, in einem fremden Land mit vielleicht auch unverständlichen Rechtsvorschriften; man muss sich als Ausländer registrieren. Es sind ebenfalls Kleinigkeiten wie einzukaufen. Aber man ist doch überrascht, wie sehr man in vier Jahren doch seinen Weg findet und wie auch dieses Land einem in dieser Zeit zur Heimat wird.“

Liberec - das Rathaus
Sie waren schon 1990 einmal in der Tschechoslowakei, damals direkt nach der Wende, haben das Land kurz auf einem Urlaub kennen gelernt, waren dann 2004 wieder hier für diese vier Jahre, die Sie hier gearbeitet haben. Sie kennen das Land also schon doch eine ganze Zeit. Und wenn Sie da mal den Blick werfen, gibt es noch große Unterschiede zwischen Tschechien und Deutschland? Was fällt Ihnen auf, wenn Sie jetzt wieder hier sind?

„Da hatte ich gestern Abend eine interessante Beobachtung gemacht. Ich bin mit dem Auto nach Prag gefahren. Und als ich durch die Nacht fuhr, stach mir auf einmal wieder ein altbekannter Geruch in die Nase, den ich aus Deutschland gar nicht mehr kenne, aber aus meine vorhergehenden Aufenthalten in Tschechien war er mir wohlbekannt: der Braunkohlegeruch – dass dort, wo Siedlungen sind, gerade auf dem Land, noch mit Braunkohle geheizt wird; etwas, was wir nicht kennen. Aber auch eine andere Sache ist mir bezüglich des Winters aufgefallen, ein Unterschied zwischen Deutschland und Tschechien oder – besser gesagt – zwischen Liberec (Reichenberg) und Kaiserslautern: Jetzt muss ich feststellen, dass in Kaiserslautern der Winterdienst längst nicht so gut ist, wie er in Liberec war.“

Ja, die erfahrenen Reichenberger / Liberecer, die sind dort natürlich schon ziemlich wintergeplagt, vielleicht etwas anders als in Kaiserslautern. Apropos Kaiserslautern: Wie wird Tschechien da im Westen Deutschlands eigentlich wahrgenommen? Wird es überhaupt wahrgenommen? Es gab 2009 zum Beispiel die EU-Ratspräsidentschaft – für ein kleines Land wie Tschechien ein politisches Großereignis. Wenn Sie sagen „Ich war vier Jahre in Tschechien“, wissen die Leute, wo das Land ist, wenn Sie das in der Pfalz sagen?

„Sie wissen sicherlich, wo es liegt. Aber die meisten Menschen haben – abgesehen von Prag – keine Vorstellung, die sie mit Tschechien verbinden. Es ist meistens so, dass Tschechien als Teil des ehemaligen Ostblocks wahrgenommen wird. Tschechien, Slowakei, Polen – da wird eigentlich wenig differenziert. Das ist halt der ehemalige Ostblock, und alle Erfahrung, die in einem dieser Staaten gemacht worden ist, wird dann eben auf andere Staaten übertragen.“

Welche Tschechen sind denn bekannt in Deutschland, wenn wir aus der sehr westdeutschen Perspektive denken – wen kennt man aus diesem Land?

„Von den Politikern natürlich Václav Havel. Václav Klaus ist bekannt und nicht unumstritten vor allem wegen seiner Einstellung zum Klimawandel. Von den Politikern ist vielleicht noch Karel Schwarzenberg aufgrund seiner markanten Fliege und seines auch für Deutsche nachvollziehbaren Namens bekannt. Aber das politische Geschehen in Tschechien wird in Deutschland eher am Rande wahrgenommen. Aber mehr Interesse als an tschechischer Politik haben die Menschen an den Sportlern aus Tschechien. Berühmt waren die Dortmunder Fußballspieler Koller und Rosický. Kaiserslautern ist eine fußballverrückte Stadt, und auch dort spielen Fußballer aus der Tschechischen Republik. Und die Wintersportler aus Tschechien sind natürlich eine Macht, ob das jetzt Skilanglauf, Biathlon oder Eishockey ist.“

Christian Bergen
Lassen wir mal die Politik und auch den Sport beiseite. Mit einem Wort: Was bedeutet Ihnen Tschechien jetzt nach dieser Zeit?

„Tschechien ist ein wichtiger Teil meiner Biografie geworden, und ich freue mich immer wieder in das Land zurückzukommen, Menschen, Freunde, Bekannte zu treffen. Am Samstagabend werde ich auf dem Abiball der deutschen Abteilung des Gymnasiums F. X. Šaldy in Liberec sein. Und ich freue mich schon sehr darauf, ehemalige Schüler, Freunde und Kollegen wiederzusehen.“

Christian Bergen, ein Lehrer aus Kaiserslautern mit langjähriger Tschechien-Erfahrung – herzlichen Dank für das Gespräch!