Adriana Krnacova von Transparency International: "Es ist wie ein Wunder!"

Adriana Krnacova, Foto: Autor
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Vielleicht haben Sie am Sonntag in der Sendereihe "Schauplatz" unseren Bericht über den Stand der Korruption in Tschechien gehört, wie er im so genannten Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International beschrieben wird. Mit der Direktorin von Transparency International Tschechien, Adriana Krnacova, hat sich Gerald Schubert ausführlicher unterhalten.

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"Wir sind Teil eines großen Netzwerks, das achtzig Zweigstellen in der ganzen Welt hat. Jede davon ist aber vom Zentrum unabhängig", sagt Adriana Krnacova, Direktorin von Transparency International Tschechien.

"Das Administrationszentrum ist in Berlin. Wie gesagt: Jede Institution arbeitet unabhängig und versucht die Probleme zu lösen, die im betreffenden Land wirklich am wichtigsten sind. Wir hier konzentrieren uns hauptsächlich auf die staatliche Administration und auf die Administration auf lokaler und regionaler Ebene. Weiter haben wir Projekte im Bereich der Wirtschaft, der wir etwa einen Verhaltenscodex nahe bringen wollen, obwohl das in Tschechien wirklich sehr schwierig ist. Jetzt haben wir noch ein neues Projekt: Eine rechtliche Beratungsstelle für Korruptionsopfer, also für Privatpersonen, die sich sehr oft an uns wenden. Wir haben uns entschlossen, so ein Zentrum einzurichten, denn wir selbst schaffen die Arbeit nicht mehr."

Transparency International ist aber weit mehr als nur eine Anlaufstelle für Bürger, sagt Krnacova. Bei ihrer Tätigkeit wagen sich die Mitarbeiter sozusagen bis in die Höhle des Löwen vor:

"Wir arbeiten auch mit dem kontaminierten System zusammen, also mit den staatlichen und lokalen Behörden. Und wir lobben im Parlament für Gesetze. Unsere Arbeit ist also analytisch und natürlich auch politisch angelegt."

Zusammenarbeit mit dem "kontaminierten System". Das klingt fast so, als würden Adriana Krnacova und ihr Team von Transparency International in der tschechischen Politik überall offene Türen und ebenso offene Ohren vorfinden. Täuscht dieser Eindruck, oder ist die Kommunikationsbereitschaft seitens der Politiker tatsächlich groß?

"Ja, nach außen hin gibt es einen großen Wunsch, mit uns zusammenzuarbeiten. Speziell vor den Wahlen. Wenn dann aber wirklich Entscheidungen getroffen werden müssen, dann mangelt es am Willen. Und das bemängle ich natürlich sehr."


Vor kurzem wurde, Radio Prag hat berichtet, in 159 Staaten ein Index veröffentlicht, der über die Wahrnehmung der Korruption im jeweiligen Land Aufschluss geben soll. Dass Tschechien hier weltweit an 47. Stelle liegt und sich innerhalb der EU mit der Slowakei und Griechenland gar nur den drittletzten Platz teilt, stimmt Adriana Krnacova weniger nachdenklich, als die Tatsache, dass hierzulande in den letzten Jahren keine Verbesserung zu verzeichnen war. Woran liegt das konkret?

"Hauptsächlich am mangelnden politischen Willen, sich mit der Korruption zu beschäftigen. Und zwar nicht nur, wenn es gerade wichtig ist, in der Presse zu sein, sondern auch mit Hilfe von Gesetzen, die wirklich gegen Korruption wirken. Das sind zum Beispiel das Interessenskonflikt-Gesetz, das jetzt in der zweiten Lesung im Parlament ist, das öffentliche Vergabegesetz, das mehr Transparenz in das öffentliche Vergabewesen bringen sollte, oder auch das Insolvenzgesetz."

Welche Parteien gerade an der Macht sind, das spielt in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle, sagt Krnacova:

"Der Unwille, sich mit der Korruption auseinanderzusetzen, geht durch das ganze Parteienspektrum. Wenn es einmal im Parlament zur Abstimmung kommt, dann stimmen alle dagegen. Oder zumindest die meisten. Es ist wie ein Wunder!"

Zum Beispiel die bereits genannte Diskussion über das Interessenskonflikt-Gesetz: Teilweise mag die mangelnde Bereitschaft, sich mit derlei Dingen auseinanderzusetzen, noch eine Altlast der kommunistischen Diktatur sein. Als alleinige Erklärung reiche dies aber, 16 Jahre nach der politischen Wende, längst nicht mehr aus:

"Die Erklärung könnte in der Vergangenheit liegen. Oder aber auch darin, dass viele von den Abgeordneten oder von anderen, die über diese Dinge entscheiden, selbst Firmeneigentümer sind, im öffentlichen Vergabesystem tätig sind oder vielleicht auch heftige Interessenskonflikte haben. Wenn dieses Gesetz verabschiedet wird, dann würden sie in krasse Schwierigkeiten kommen."


Adriana Krnacova,  Foto: Autor
Dass es in der Wahrnehmung des Problems Korruption zwischen Tschechien und Deutschland große Unterschiede gibt, das bestätigt etwa der Fußballskandal, der beide Staaten ungefähr zur gleichen Zeit beschäftigt hat, meint Adriana Krnacova:

"Der Fußballskandal ist wirklich ein Beispiel, anhand dessen man sagen kann: In Deutschland geht's, und in Tschechien geht's offensichtlich nicht. Die Polizei hat ermittelt, und komischerweise steht in Deutschland der angeklagte Schiedsrichter vor Gericht, während es in Tschechien nicht einmal zur Anklage kam. Und wenn es zur Anklage kam, dann kam diese nicht vors Gericht. Ein Beschuldigter ist momentan in einem Fußballklub in einer hohen Position. Das ginge in Deutschland offenbar nicht. Da gibt es noch krasse Unterschiede in der Wahrnehmung von Korruption und ihrer Schädlichkeit. Das sind zwei Welten!"

Eine Frage zum Abschluss: Der genannte Index, also der Korruptionswahrnehmungsindex, misst ja nur die Einschätzung, die in einem Land zu diesem Thema herrscht. Bedeutet das nicht, dass sich in dieser Statistik auch Vorurteile widerspiegeln, die eventuell weit über die Realität hinausschießen?

"Man könnte es natürlich auch so auffassen. Aber wenn man dieselbe Methodologie schon seit zehn Jahren anwendet, dann kann man diese höchstens verfeinern. Ich bin kein Statistiker. Nichtsdestotrotz denke ich, es ist wichtig zu sehen, wie uns andere Leute wahrnehmen. Das ist immer ein guter Indikator dafür, was im Land geschieht."


Am 9. Dezember steht übrigens die nächste Statistik zum Thema Korruption ins Haus: Dann nämlich wird der so genannte Korruptionsbarometer veröffentlicht, der nicht nur die Einschätzung von Experten, sondern auch die der Gesamtbevölkerung misst. Sollte bis dahin also ein Fortschritt mit dem erwähnten Gesetz über Interessenskonflikte erzielt werden, dann könnte sich diesmal auch in Tschechien eine positive Entwicklung abzeichnen.