Tschechische Pressestimmen zur Regierungsbildung und zum Jahresausklang

Gewöhnlich wird die letzte Woche des Jahres von den Medien zu einer umfangreichen Bilanz, bzw. für einen Ausblick auf das kommende Jahr genutzt. Dennoch haben sich die tschechischen Zeitungen auch dieses Mal vor allem mit der aktuellen innenpolitischen Lage in Tschechien befasst. Mehr dazu in der folgenden Ausgabe von "Im Spiegel der Medien", der Mediensendung von Radio Prag.

Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
Liebe Hörerinnen und Hörer, auch zum Jahresausklang wird die Berichterstattung in den tschechischen Medien vor allem von einem Thema dominiert - nämlich von der unendlichen Geschichte der tschechischen Regierungsbildung. Seit den Wahlen Anfang Juni sind ja bekanntlich fast sieben Monate vergangen; eine stabile Regierung ist aber trotzdem immer noch nicht in Sicht.

Noch vor Weihnachten präsentierte Regierungschef Mirek Topolanek, der gleichzeitig auch Vorsitzender der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) ist, das Personaltableau für seine zweite Regierung. Für Überraschung sorgten dabei die Nominierungen auf zwei Schlüsselpositionen: Das Finanzressort soll demnach der Christdemokrat Miroslav Kalousek, das Außenministerium der Senator Karel Schwarzenberg übernehmen. Der Premier hat also für diese beiden Positionen Kandidaten seiner beiden Koalitionsparteien vorgeschlagen.

In den vergangenen Tagen regte sich dagegen Widerstand in den Reihen der Bürgerdemokraten, und Teile der Partei probten gegen ihren Chef, Premierminister Mirek Topolanek, sogar erstmals den Aufstand. Dazu fanden wir einen Kommentar von Martin Zverina, der in der Tageszeitung Lidove noviny erschienen ist:

"Das Fingerhakeln zwischen Teilen der Bürgerdemokraten und dem Premier macht keinen großen Sinn. Falls einige Abgeordnete der Partei vorhaben sollten, die eigene Regierung nicht zu unterstützen, dann ist alles klar. Soll doch dann Premier Topolanek so schnell wie möglich seinen zweiten Versuch wagen, mit dem eigenen Kopf die Wand zu durchbrechen. Nur die Debatte darüber, wer den dritten Anlauf zur Regierungsbildung unternehmen soll, wird uns einige weitere Monate ohne Regierung bescheren. In diesem Sinne ist also alles, was man im Einklang mit der Verfassung als eine Annäherung an vorzeitige Neuwahlen verstehen kann, positiv zu bewerten. Sollen also Präsident und Premier handeln, wir haben schon lange genug gewartet."

Ungewöhnlich kritisch äußerte sich schon zuvor auch Präsident Vaclav Klaus. Er kritisierte insbesondere die Nominierung von Fürst Karel Schwarzenberg zum künftigen tschechischen Außenminister. Klaus meinte zu Schwarzenberg, der den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht hat und nach wie vor zwischen Tschechien und Österreich pendelt, von ihm könne man nicht erwarten, dass er ausreichend die Interessen des Landes gegenüber dem Ausland im Allgemeinen und Österreich im Besonderen vertreten würde. Die tschechische Presse hingegen nahm die Nominierung Schwarzenbergs, der seit zwei Jahren als Senator Mitglied der zweiten Kammer des tschechischen Parlaments ist, weitgehend positiv auf. Wohlwollende Meinungen fanden sich sogar in der linksorientierten Zeitung Pravo, die an sich den Vertretern des Adels gegenüber sehr kritisch eingestellt ist. Der Kommentator Petr Uhl ging sogar so weit, dass er sich von der Ernennung Schwarzenbergs zum Außenminister eine positive Wirkung auf die gesamte politische Landschaft in Tschechien erhofft, wenn er schreibt:

"Klaus und Teile der ODS sehen in Schwarzenberg ein Trojanisches Pferd, durch welches sich Gegner Temelins, sowie der Benes-Dekrete aus Österreich bestärkt fühlen können. In Wahrheit fügt sich Schwarzenberg in den Versuch des Grünen-Chefs Bursik ein, die Bürgerdemokraten zu ökologisieren und europäisieren. Und wer sonst könnte dazu besser beitragen, als ein bürgerlicher, aber proeuropäischer Politiker wie er? Wenn sich die beiden linken Parteien, die Sozialdemokraten und Kommunisten die personellen Alternativen vor Augen halten, also Alexandr Vondra und Cyril Svoboda, die beide die Politik Bushs unterstützen und den unselektiven Kampf Schwarzenbergs für die Menschenrechte, einschließlich der sozialen Rechte, sehen, werden sie froh sein, dass ausgerechnet er Außenminister wurde. Mit ihm könnte die Linke sogar eine bessere Gesprächsbasis haben, als mit Bursik. Schwarzenberg als Außenminister würde also allen Parteien und somit auch der tschechischen und der europäischen Öffentlichkeit zu Gute kommen."

Eines der großen Themen des abgelaufenen Jahres war neben der unendlichen Suche nach einer neuen Regierung sicherlich auch die neue Straßenverkehrsordnung, die am 1. Juli 2006 in Kraft getreten ist. Diese führte unter anderem ein strenges Punkte-System und auch relativ hohe Geldstrafen für Verkehrssünder ein. Obwohl das Gesetz bereits in den ersten Wochen seine positive Wirkung auf die Unfallstatistiken zeigte, regte sich von Beginn an Widerstand von Seiten der Autofahrer, was natürlich sofort auch von einigen Politikern aufgegriffen wurde. So kam es zum Beispiel zur paradoxen Situation, dass der damalige Regierungschef Jiri Paroubek, dessen Kabinett das Gesetz im Parlament durchsetzte, bereits einige Wochen nach dessen Inkrafttreten eine Änderung forderte. Geschehen ist jedoch nichts und die Politiker haben dieses Thema mittlerweile wieder zu den Akten gelegt. Martin Komarek schrieb dazu in der auflagenstärksten unter den seriösen tschechischen Tageszeitungen, in der Mlada fronta Dnes:

"So lange in der Öffentlichkeit über das neue Gesetz diskutiert wurde, wollten sich die Politiker gegenseitig dabei übertrumpfen, wer den besseren und gefälligeren Veränderungsvorschlag einbringt. Sobald aber dieses Thema von den Titelseiten der Zeitungen verschwunden war, hat sich auch die Sorge der Volksvertreter merklich verringert. Das Volk hat es gelernt sich mit diesem Gesetz zu arrangieren, was heißt, dass dort, wo kein Polizist vermutet wird, die Vorschriften nicht so wörtlich eingehalten werden. Dennoch: Der Rückgang der Verkehrstoten zeigt, dass dieses Gesetz wirkt. Die Autofahrer haben zwar keine Angst das Gaspedal auf den Boden zu drücken, aber ihr Verhalten ist nicht mehr in die wilden Zeiten vor diesem Gesetz zurückgefallen. Auch wenn diese Norm viele Fehler hat, hilft sie trotzdem Menschenleben zu retten. Das lässt sich von den meisten anderen Gesetzen nicht behaupten."

Foto: Archiv von Radio Prag
Was wäre aber eine Medienrubrik am Jahresende ohne einen abschließenden Blick darauf, wie sich die Medienlandschaft in Tschechien im abgelaufenen Jahr entwickelte, ob es irgendwelche Höhepunkte, oder im Gegenteil Tiefs gegeben hat. Dazu fanden wir einen passenden Kommentar in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny. Dessen Autor Milos Cermak zieht darin bezüglich des Medienjahres 2006 folgende Bilanz:

"Aus der Sicht der Medien war das Jahr 2006 ein Jahr ohne herausragende Ereignisse und dramatische Veränderungen. Auf dem Zeitungsmarkt konnten sich neue Boulevard- und Gratiszeitungen etablieren. Es wurden neue digitale Fernsehsender aus der Taufe gehoben, die aber anstatt sich auf den Beginn des digitalen Fernsehen vorzubereiten, vom Gesetzgeber fast ins Aus manövriert worden wären. Die wahrscheinlich schlimmste Entwicklung im Bereich der Medien war im vergangenen Jahr die gezielte Zuspielung von sensiblen Informationen, Abhör- oder Vernehmungsprotokollen an Journalisten. Das alles hat in den Medien und auch in der Gesellschaft allgemein mehr Schaden angerichtet als Nutzen. Die Journalisten haben gelernt, wichtige Informationen aus sicheren Quellen zu erhalten, aber irgendwie fehlt noch die andere Dimension des Enthüllungsjournalismus, nämlich die Verantwortung. Die Medien können nicht alles veröffentlichen, was ihnen zugespielt wird. Sie müssen sich die Frage stellen, wer von den veröffentlichten Informationen profitieren wird. Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Redaktionen der wichtigsten Medien sich auf einem einheitlichen Standard einigen, wie man in solchen Fällen vorgehen soll. Und wenn das die Medien selber nicht lösen werden, können die Politiker in den Versuch geraten das Problem selber in die Hand zu nehmen. Damit kommen wir zu einer nicht besonders lustigen Pointe: Die größten Feinde der Journalisten sind in Tschechien gerade die Journalisten selber."