Tschechische Pressestimmen zum EU-Referendum und 100 Tagen Klaus als Präsident

Wie Sie sich vielleicht schon denken können, steht unsere heutige Sendung, in der wir wieder versuchen wollen, Ihnen die wichtigsten Themen der abgelaufenen Woche aus der Sicht der tschechischen Medien näher zu bringen, ganz im Zeichen des Referendums über den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union. Darauf kommen wir jedoch später noch etwas ausführlicher zu sprechen.

Beginnen möchten wir aber mit einem Ereignis, das zu Recht für Schlagzeilen sorgte und für viele gerade in diesen Tagen, an denen Tschechien sprichwörtlich dabei ist, zu neuen Ufern aufzubrechen, mit viel Symbolik verbunden ist, weil es u.a. einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der jüngsten Vergangenheit des Landes darstellt. Die Rede ist vom Abschluss des Prozesses gegen den einstigen hohen kommunistischen Parteifunktionär Karel Hoffmann. Hoffmann wurde wegen seines pro-sowjetischen Engagements während der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Somit ist der frühere Politiker, der während des Einmarsches der sowjetischen Panzer dafür sorgte, dass die Kommunikationswege und Telefonleitungen in die Hände von Moskautreuen Kräften gerieten, der bislang ranghöchste kommunistische Funktionär, der wegen der damaligen Ereignisse verurteilt wurde. Im folgenden wollen wir für Sie einige Gedanken aus einem Kommentar von Petruska Sustrova herausgreifen. Ihr Beitrag, der in der Tageszeitung Lidove noviny erschienen ist, trägt den Titel "Lang hat es gedauert":

"Nach dem Fall des kommunistischen Regimes zeigte sich schon bald, dass es nicht leicht sein wird, jene Personen zur Verantwortung zu ziehen, die sich gegenüber dem Volk schuldig machten. Hochverrat? Aber nein, schüttelten die Staatsanwälte und Richter die Köpfe, schließlich hielten sich die Angeklagten strikt an ihre eigenen kommunistischen Gesetze. Alle anderen Bürger, die in der Besatzung des Landes durch die Sowjets eine Okkupation und Schmach sahen, hatten Pech. Auch im Falle Hoffmanns schien es lange in diese Richtung zu gehen. Dass er letztlich wegen Überschreitung seiner damaligen Kompetenzen zu vier Jahren Haft verurteilt wurde und nicht wegen Hochverrats, erinnert deshalb ein wenig an den Fall des Mafia-Chefs Al Capone, der ja auch wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde."

Vaclav Klaus  (li.),  Foto: CTK
Themenwechsel: In den Medien wurde in den vergangenen Tagen auch eine erste Bilanz über die ersten hundert Tage von Präsident Václav Klaus gezogen. Der Grundtenor der Kommentare ließe sich dabei etwa auf folgende Formel bringen: Klaus scheint sich in seiner neuen Rolle wohl zu fühlen und bislang sind ihm keine gravierenden Fehler unterlaufen. Gleichzeitig habe jedoch der Präsident Klaus zu seinen ursprünglichen Politikstil zurückgefunden, der den Eindruck aufkommen lässt, Vaclav Klaus müsse allgegenwärtig sein. Im folgenden bringen wir Ihnen einige Auszüge aus einem Kommentar von Martin Komarek, der in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes erschienen ist. Er trägt den Titel "Volkes Klaus":

"Künstlerischer Eindruck - 5,9; technische Note - höchstens fünf. So irgendwie würde die Bewertung des Eiskunstläufers auf der Prager Burg ausfallen. Elegant erfüllt er seine Versprechen, nah am Volk zu sein, in der konkreten Politik ist er aber immer noch unberechenbar. Klaus will sich stets und in jeder Situation durchsetzen, will andere belehren. Gelingt ihm das nicht, neigt er zum Trotz. Von einem Präsidenten kann mit Recht Größe erwartet werden - auch von jenem, der sich gern unters Volk mischt und in einer einheimischen Limousine unterwegs ist. Aber gerade Bescheidenheit ist Ausdruck von Größe, das Gegenteil davon ist Eitelkeit. Klaus wird alle Hände voll zu tun haben, um sich davon zu lösen und ein großer Präsident zu werden."

Aber nun, wie anfangs bereits angekündigt, zum tschechischen Europa-Referendum. Verfolgte man in den letzten Tagen die Europa-Debatte in den Medien, konnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass sich die Hauptdiskussion gar nicht um die Frage drehte, ob denn der Beitritt für das Land erstrebenswert ist oder nicht, sondern um rein technische Aspekte der Informationskampagne. Die einen meinten, dass umgerechnet knapp 7 Millionen Euro teure Werbekonzept der Regierung wäre zu einseitig angelegt worden, die anderen meinten wiederum, die Kampagne sei ganz einfach am Leben der gewöhnlichen Bürger vorbeigegangen.

Wie waren eigentlich die Kampagnen in den übrigen Beitrittsländern konzipiert? Lässt so etwas überhaupt anders gestalten? Das fragte Radio Prag die Journalistin Katerina Safarikova, die sich in der tschechischen Wochenzeitung Respekt mit Europapolitik beschäftigt:

"Ich glaube nicht, dass man das völlig anders machen kann. Ich bin zwar keine Expertin im Bereich des politischen Marketing, aber im Vergleich dazu, wie diese Kampagnen in den übrigen Beitrittsländern verlaufen sind, glaube ich nicht, dass die Palette an verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten und Varianten wieder so breit wäre. Die einzelnen Kampagnen unterschieden sich von einander darin, ob sie ein halbes Jahr lang oder kürzer dauerten. Unterschiede gab es auch darin, ob man mehr auf Fernsehspotts oder Plakate setzte. Es fragte sich natürlich, ob solche groß angelegte Kampagnen überhaupt etwas bewirken können, weil aus verschiedenen Untersuchungen hervor geht, dass es gerade in den letzten Wochen fast unmöglich ist den Leuten noch etwas zu erklären. Dann kommt es eben zu diesen verkürzten Statements, die die Wähler derart massieren, damit sie JA sagen und nichts mehr erklärt bekommen."

Die Wochenzeitschrift Respekt hat in den letzten Wochen eine Serie von Veranstaltungen und Treffen mit Bürgern außerhalb Prags veranstaltet. Welche Erfahrungen konnten die Journalisten dabei nach Prag mitnehmen?

"Mein eindeutiges Fazit ist, dass man auf jeden Fall in die Provinz fahren sollte. Die Leute dort sind dafür dankbar, wenn jemand zu ihnen kommt, sozusagen jemand aus Fleisch und Blut, und sich dem direkten Kontakt mit den Bürgern stellt. Dabei habe ich auch eine interessante Erfahrung machen können: Solange die miteingeladenen Politiker nicht das Gefühl hatten, von Objektiven oder Fernsehkameras verfolgt zu werden, argumentierten sie weitaus rationeller und verständlicher - egal ob für oder gegen die EU-Mitgliedschaft des Landes. Die Menschen haben das in ihren Reaktionen auch gewürdigt. Somit zeigte sich, dass die Medien zwar eine Debatte etc. anregen können, dass aber die Debatte, die sich unter gewöhnlichen Leuten in den Regionen entwickelt eigentlich das Wertvollste ist."