Tschechische Medien betrachten die aktuelle Regierungskrise noch nicht als beigelegt

Stanislav Gross und Miroslav Kalousek (Foto: CTK)
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Auch in der heutigen Ausgabe von Im Spiegel der Medien, dem Medienmagazin von Radio Prag, wird die aktuelle Regierungskrise in Tschechien im Mittelpunkt stehen. Allerdings sei gleich vorab bemerkt: Die Wahrscheinlichkeit, dass es wegen den in letzter Zeit zu Tage getretenen privaten Affären von Regierungschef Stanislav Gross zum Rücktritt der gesamten Regierung kommen könnte, ist heute genau so hoch wie vor einer Woche. In dieser Hinsicht hat sich also in den vergangenen sieben Tagen nur recht wenig verändert.

Stanislav Gross und Miroslav Kalousek  (Foto: CTK)
Neu scheint hingegen zu sein, dass sich die ursprünglich harten Fronten, die vor allem zwischen den Sozialdemokraten von Premier Gross und den Christdemokraten verliefen, in den vergangenen Tagen ein wenig geglättet haben und beide Parteien zumindest bis Ostern eine Art Waffenruhe vereinbart haben. Es gibt aber wohl keinen anderen Bereich des menschlichen Lebens, wo der Grundsatz "aufgeschoben ist nicht aufgehoben" im Zusammenhang mit Grund legenden Konflikten so oft zum Tragen kommt wie eben in der Politik. Wir können also gespannt sein, welche Drehungen und Wendungen der Koalitionsstreit in den kommenden Tagen nehmen wird und ob der Burgfrieden, der jüngst verkündet wurde, auch wirklich hält.

Dazu fanden wir einen Kommentar von Patricie Polanska, der in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny erschienen ist:

"Es scheint also, als ob die ganze politische Krise sich nun endlich auf die einzige wichtige Frage reduzieren würde - nämlich darauf, ob die Christdemokraten selber die Regierung verlassen oder rausgeworfen werden. Um was geht es hier eigentlich? Es ist nur schwer zu glauben, dass alle Regierungsparteien zumindest offiziell die Regierung aufrecht erhalten wollen. Die jüngst auferlegte verbale Enthaltsamkeit der Christdemokraten ist in etwa so wichtig wie der Bau eines Staudamms in einer Situation, wo das Wasser schon längst ausgelaufen ist."

Regierungschef Stanislav Gross  (Foto: CTK)
Frau Polanska kommt dann, wie von der Redakteurin einer Zeitung mit starkem Bezug zur Wirtschaft auch nicht anders zu erwarten, zu folgendem Schluss:

"Die gute Nachricht ist, dass die tschechische Krone auf die gegenwärtige politische Krise fast gar nicht reagiert. Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass die Politiker sich somit in der Sicherheit wähnen können, dass eigentlich nichts auf dem Spiel steht."

Den Eindruck, dass bei den wichtigsten Akteuren der aktuellen Regierungskrise nach Wochen des öffentlich ausgetragenen Konflikts, der jedoch bislang ohne greifbare Konsequenzen blieb, die Luft längst draußen ist und die involvierten Politiker teilweise Angst vor der eigenen Courage bekommen hätten, teilte in ihren Kommentaren in den vergangenen Tagen eine Reihe weitere Autoren.

Stellvertretend dafür wollen wir Ihnen nun, lieber Hörerinnen und Hörer, einige Gedanken aus einem Kommentar näher bringen, die der Publizist Ondrej Neff in seiner Internet-Zeitschrift Neviditelny pes geäußert hat:

"Die ganze Vorstellung wird langsam langweilig. Zuerst kündigte man an, die endgültige Entscheidung über den Fortbestand der Regierungskoalition soll am Mittwoch dieser Woche fallen. Niemand konnte zwar begreifen, warum gerade der Mittwoch ein besserer Termin zu sein schien, als etwa der Montag oder Dienstag. Aber gut. Je mehr aber der besagte Stichtag näher rückte, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die Entscheidung wieder auf einen späteren Zeitpunkt vertagt würde. Jetzt ist sogar schon vom bevorstehenden Wochenende die Rede. Es wird also wieder vertagt werden und wahrscheinlich soll das so lange dauern, bis wir alle irgendwann eingeschlagen sind."

Die Demonstrierenden vor dem Regierungssitz fordern den Rücktritt von Premier Stanislav Gross   (Foto: CTK)
Vor allem aus dem Umkreis von Premier Gross wurde in den letzten Wochen immer wieder der Verdacht geäußert, wonach die ganzen Enthüllungen Teil einer gezielten Diskreditierungskampagne gegen den noch jungen Regierungschef sei, mit dem Ziel dessen Handlungsfähigkeit angesichts wichtiger Entscheidungen, die in den kommenden Monaten anstehen, zu beeinträchtigen. Oft wird hier zum Beispiel auf einen möglichen Zusammenhang mit der Privatisierung der Tschechischen Telekom - eines der größten Unternehmen des Landes hingewiesen. Zu diesen Anschuldigungen, die vorletztes Wochenende auch von Gross selber in der Zeitung Pravo, welche den Sozialdemokraten nahe steht geäußert wurden, fand sich in der abgelaufenen Woche eine Reaktion in der auflagenstarken Tageszeitung Mlada fronta Dnes, welche die Affären rund um den Regierungschef maßgeblich ins Rollen brachte. In einem Kommentar lehnten der Chefredakteur des Blattes Pavel Safr und dessen Stellvertreter Robert Casensky die Vorwürfe des Premiers ab und meinten unter anderem:

"Die letzten Fälle, von denen unser Blatt berichtete, waren nicht das Ergebnis geheimer und sicherer Tipps, die wir von Informanten bekommen hätten. Die Entstehungsgeschichte der Affäre rund um Premier Gross ist ganz einfach: Unsere Reporter gingen Informationen aus offenen Quellen über die Eigentumsverhältnisse der tschechischen Politiker nach und haben ihnen entsprechende Fragen gestellt. Der Skandal um den Regierungschef ist also nicht auf Grund einer genauen zeitlichen Planung entstanden, sondern auf Grund von einfachen Fragen, die gewisse Ungereimtheiten klären wollten, die aber vom Premier selber, bzw. seinem näheren Umfeld ungenau und äußerst schleierhaft beantwortet wurden. Wie konnten also die Journalisten von vornherein ahnen, dass sich Gross derart in Widersprüche verstricken würde. Gerade hier zeigt sich, dass die Verschwörungstheorie des Premiers keinen realen Hintergrund hat, denn dann müsste wohl Gross der Hauptverschwörer sein."

Eine Frage, die im Zusammenhang mit der Rolle der Medien bei der Enthüllung der Affären des tschechischen Ministerpräsidenten im Raum steht ist, ob das letzten Endes zu einer Stärkung der Position der heimischen Medien führen wird und diese künftig in vergleichbaren Fällen gegenüber der Politik selbstbewusster auftreten werden. Das fragten wir den Journalisten Pavel Masa von der Tageszeitung Lidove noviny, der seine Skepsis nicht verhehlt:

"Ich befürchte, dass die ganze Affäre in den letzten Wochen eher die Schwachstellen der tschechischen Medien gezeigt haben. Wenn sich Gross nicht immer wieder in neue Widersprüche verstrickt hätte, wären die Medien wohl kaum in der Lage ihn zu zwingen die Wahrheit zu sagen, weil den Medien eben im Vergleich zu den USA, oder Deutschland die Mittel fehlen - sowohl in personeller, wie auch materieller Hinsicht - bei solchen Fällen am Ball zu bleiben und zum Beispiel einen oder sogar mehrere Journalisten für mehrere Tage nur für diese eine Sache bereit zu stellen. Ich habe eher die Befürchtung, dass bei einigen Journalistenkollegen das Gefühl aufkommen könnte, sie wären auch direkte Akteure dieser Affären. Von diesem Blickpunkt aus betrachtet hätte das eher negative Folgen für die Rolle der Medien in Gesellschaft und Politik."