Stimmen zum Tod des Papstes und zur Regierungskrise

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Die Reaktionen der tschechischen Medien auf die sich überschlagenden Ereignisse der vergangenen Woche - Tod des Papstes, Zuspitzung der tschechischen Regierungskrise - hat Silja Schultheis für Sie zusammengestellt.

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Am Donnerstag dieser Woche hat Regierungschef Stanislav Gross erstmals seinen Rücktritt nicht mehr ausgeschlossen und damit die Chancen für eine Beilegung der Krise erhöht. Ein Schritt, der sich nur sehr bedingt als gute Nachricht bewerten lässt, meint Martin Denemark in einem am Freitag veröffentlichten Kommentar in der Zeitung Hospodarske noviny:

"Gross hat seinen möglichen Rücktritt an eine Reihe von Bedingungen geknüpft und u.a. den bodenlosen Wunsch geäußert, selbst einen Parteikollegen auszuwählen, der das neue Kabinett zusammenstellen soll. Man kann Gross' Verhalten als weiteren Beweis seiner menschlichen Unreife und seiner übertriebenen Machtgier bewerten. Stärker ist jedoch ein anderes Motiv: zwischen den Parteien der ehemaligen Regierungskoalition herrscht tiefes Misstrauen. Die Sozialdemokraten haben ganz offenkundig Angst, von den Verhandlungen über das neue Kabinett ausgeschlossen zu werden. Grund zur Freude gibt es kaum. Sollte ein solches neues Kabinett überhaupt entstehen, wird es in erster Linie ums Überleben kämpfen. Und damit seine Zeit verschwenden."

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Neuen Zündstoff hatte die seit Wochen schwelende Regierungskrise am Freitag, den 1. April erhalten, als die Regierung Gross eine Misstrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus nur dank der Kommunisten überstand. Das verursachte einen regelrechten Aufschrei in den Medien, die Gross unisono vorwarfen, er habe auf anmaßende Weise die postkommunistische Geschichte des Landes umgeschrieben und die Kommunisten wieder richtig salonfähig gemacht. Die Zeitschrift Respekt etwa wartet in ihrer jüngsten Ausgabe mit einer roten Titelseite auf, von der dem Leser in überdimensionaler Größe Kommunistenchef Grebenicek im Teufelskostüm entgegenblickt. Die roten Teufel wittern ihre Chance - so der Titel der Ausgabe. Durch den Pakt mit den Kommunisten habe die Regierung Gross politischen Selbstmord begangen, meint Adam Drda, Redakteur der tschechischen BBC und Gastkommentator von Respekt:

"Der Ministerpräsident und seine Sozialdemokraten haben sich bei der Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus auf die Tolerierung durch eine Partei verlassen, die ausdrücklich an die verbrecherische Kommunistische Partei der Tschechoslowakei anknüpft und behauptet, während des Kommunismus war alles besser. Die Regierung auf eine solche Kraft zu stützten, hat schwerwiegende praktische Folgen: das Kabinett ist so ständig von Erpressungen bedroht und kann keine sinnvolle Politik machen, weil es ständig daran denken muss, das Ungeheuer zu füttern, das das Kabinett sonst in Stücke reißt, wenn dieses die Fütterung vergisst."

An anderer Stelle fragt Respekt, warum die Sozialdemokraten einen solchen Zustand überhaupt zulassen konnten:

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"Warum schweigt der Reform orientierte Flügel der Sozialdemokraten? Diejenigen, die die CSSD auf dem Weg der Reformen und eines konsequenten Antikommunismus führen wollten?"

"Kommunistenchef Grebenicek ist nicht die größte Gefahr", titelt die Zeitung Mlada fronta dnes. Und führt weiter aus:

"Die Kommunisten wachsen in der Wählergunst und die demokratischen Parteien schieben sich gegenseitig die Schuld dafür in die Schuhe. Alle beschwören, dass sie niemals mit den Kommunisten zusammen arbeiten werden, aber im Grunde kooperieren sie mit ihnen munter drauf los. Unter den 70 sozialdemokratischen Abgeordneten sind mindestens 22 ehemalige kommunistische Parteimitglieder, davon einige in den höchsten Regierungsämtern."

Eine erschütternde Bilanz, 15 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, meint Pavel Prikryl in der Mlada fronta dnes:

"Kommunisten und ehemalige Kommunisten bilden die einflussreichste regierende Gruppe, die unter dem Deckmantel der EU fest die Zügel der Macht in den Händen hält. Dabei sind die ehemaligen Kommunisten weitaus gefährlicher als Parteichef Grebenicek und seine Leute. Die ehemaligen Kommunisten sind es, die die ganze politische Kultur im Land zu dem Theater gemacht haben, das wir hier derzeit erleben."

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Themenwechsel: Am vergangenen Samstag ist Papst Johannes Paul II. gestorben. Auch in Tschechien löste dieses Ereignis ein gewaltiges Medienecho aus. Vielleicht sogar ein wenig zu gewaltig für ein überwiegend atheistisches Land, überlegt Martin Putna in den Lidove noviny vom 5. April:

"Die tschechischen Medien haben sich drei Tage lang so verhalten, als wenn alle verpflichtet wären, über den Tod des Papstes zu trauern - egal ob Katholiken, Anhänger anderer Religionsgemeinschaften oder Nicht-Gläubige. Jedes mal, wenn man im öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Radiozurnal einschaltete, hatte man das Gefühl, sich auf die Frequenz des privaten katholischen Radiosenders Proglas verirrt zu haben. Kein Wunder, dass sich vielen Menschen die Frage gestellt hat, warum auf einmal, von einem Tag auf den anderen, ein solcher Aktionismus einsetzte. Ist das nicht ein bisschen viel des demonstrativen medialen Trauerns?"

Diese Frage haben wir Filip Breindl, Redakteur des christlichen Radiosenders Proglas, gestellt:

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"Ich meine, dass Trauer und ein bisschen Emotionen jetzt bei dieser Gelegenheit in die Berichterstattung gehörte, weil es wirklich ein außerordentliches Ereignis war und dort war die große Menge von Berichten an der Stelle. Es war richtig, meine ich. Wir wissen als Christen, dass die sog. weltlichen Medien nicht immer gut über christliche Problematiken informieren. Aber in diesem Fall war es ziemlich gut."

Woher aber das enorme Interesse der Medien am Tod des Papstes in einem überwiegend atheistisch geprägten Land wie Tschechien? Filip Breindl:

"Natürlich ist dort die Motivation, aktuell zu sein. Ich meine, es stimmt, dass die tschechische Gesellschaft zum großen Teil nicht gläubig ist. Aber Papst Johannes Paul II. konnte auch diese Leute ansprechen und das wissen auch alle Medien. Und sie versuchen, auch der tschechischen Gesellschaft den Kontakt zum Papst, zu seinem Begräbnis zu vermitteln. Ich war z.B. am Samstag nacht, als der Papst gerade gestorben war, mit Kollegen von der Tschechischen Presseagentur per email in Kontakt und da war ich sicher, dass die auch etwas Persönliches gefühlt hatten und diesen Augenblick als etwas Außerordentliches schätzten."

Am heutigen Freitag wird Papst Johannes Paul II. in Rom zu Grabe getragen. Die tschechische Regierung hat für diesen Tag Staatstrauer ausgerufen - für die Redakteure von Radio Proglas eine überraschende Entscheidung. Filip Breindl:

"Vor allem hat uns überrascht, dass die Regierung das so schnell und ohne Probleme festgesetzt hat. Es ist eine Überraschung, aber es ist auch Zeugnis für meine Worte, dass Johannes Paul II. die ganze Gesellschaft angesprochen hat."