Sarkozy und die Roma – Der Verkehrsminister und die reichen Sünder

Nicolas Sarkozy

Die Kommentare der tschechischen Tageszeitungen drehten sich vor allem um zwei Themen. Zum Einen der indirekte Rassismusvorwurf von Außenminister Schwarzenberg an die Adresse des französischen Präsidenten Sarkozy. Anlass war die Ausweisung meist rumänischer Roma aus Frankreich. Dadurch ist auch die Roma-Problematik als solche mal wieder ins Blickfeld gerückt. Ausführlich kommentiert wurde außerdem der Vorschlag von Verkehrsminister Bárta, nach dem besser betuchte Verkehrssünder in Zukunft tiefer in die Tasche greifen müssten.

Nicolas Sarkozy  (Foto: Europäische Kommission)
Moderator: Die konservative französische Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy geht seit mehreren Wochen hart gegen Roma vor. Sie ließ mehrere illegale Roma-Siedlungen auflösen und schickte hunderte - meist rumänische Roma - zurück in ihre Herkunftsländer. Seit Jahresbeginn wurden so über 8000 Roma aus Frankreich ausgewiesen. Die Uno, die EU und zahlreiche Menschenrechtsexperten verurteilen das als Rassendiskriminierung und fordern Einzelfallprüfungen. Am Wochenende hat nun auch der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg mit scharfer Kritik aufhorchen lassen. Gegenüber der Tageszeitung Lidové noviny hat Schwarzenberg gesagt, das Vorgehen Frankreichs erwecke den Eindruck des Rassismus…



Patrick Gschwend:… und das hat eine Welle der Entrüstung ausgelöst in Frankreich. Daniel Kaiser hat die Schwarzenberg-Kritik – ebenfalls in der Lidové noviny– umgehend kommentiert. Er hält die Äußerung von Schwarzenberg zwar für polemisch, auf der anderen Seite aber geschehe dem französischen Präsidenten die Kritik recht. Zitat:

„Es ist bekannt, dass es Sarkozy in der Außenpolitik in der Regel nicht um einen sachlichen Kern, sondern eher um Dramaturgie geht. Und die ist in diesem Fall wirklich beleidigend. Wenn also der französische Präsident die ‚Nomaden’ aus Rumänien dazu benutzt sich in Szene zu setzen, dann können diese Gelegenheit auch die ‚Osteuropäer’ benutzen und Sarkozy zu Verstehen geben, wie sehr er in all den Jahren schon mit seiner Aufgeblasenheit nervt.“

Moderator: Mal abgesehen von den charakterlichen Eigenschaften Sarkozys, was halten andere Kommentatoren von Schwarzenbergs Kritik?

P. G.: Der Publizist Jiří Pehe bemerkt in seinem Blog auf dem Internetserver aktualne.cz, dass Tschechien und damit auch Schwarzenberg sich erstmal an die eigene Nase fassen sollten. Pehe schreibt:

„In Frankreich leben Millionen Zuwanderer aus islamischen Ländern und aus Afrika, außerdem mehrere Millionen aus Osteuropa. Erst wenn auch Tschechien einmal solch eine multiethnische Zusammensetzung seiner Bevölkerung und solch große Minderheiten hat, werden kritische Worte tschechischer Politiker über einen angeblichen französischen Rassismus glaubwürdiger. Bislang aber leben wir in einem Land, das mit Sonderschulen für Roma-Kinder und ‚erfinderischen’ Programmen zur Ausgliederung von Roma in Ghettos am Rand der Städte berühmt geworden ist.“

Karel Schwarzenberg  (Foto: Kristýna Maková)
Soweit Jiří Pehe in seinem Blog auf aktualne.cz. In der Mladá fronta Dnes stellt sich Vladimír Kučera dann ganz eindeutig auf die Seite Sarkozys:

„Das Rufen nach Einzelfallprüfungen und die Warnung vor der Anwendung von ‚Kollektivschuld’ ist haltlos. Die Roma grenzen sich doch gegenüber ihrer Umgebung ab, geschlossen wie ein Bienenschwarm oder ein Ameisenhaufen. Darüber hinaus vertauschen sie ‚in Gefahr’ Gerechtigkeit und Rassismus. Wenn Sie zum Beispiel einen heranwachsenden Rom in der Straßenbahn auffordern, einer alten Dame den Sitzplatz zu überlassen, dann redet er von Rassismus und argumentiert damit, dass auch weiße Jungs sitzen (allerdings auf der anderen Seite der Bahn). Ich weiß, das ist ein Einzelfall, aber er ist charakteristisch.“

Illustrationsfoto
Moderator: Das ist ganz schön starker Tobak.

P. G.: Finde ich auch. Und Kučera scheint wirklich kein Vorurteil zu scheuen, wenn er schreibt:

„Kein Lösungsansatz im Zusammenleben zwischen der Mehrheitsgesellschaft und der Roma-Minderheit hat bisher das ersehnte, beruhigende Ergebnis gebracht. Sie wollen fahren, wohin es sie zieht, und dort machen, was sie wollen. Und wir wollen das im Allgemeinen nicht. Individuell lässt sich das nicht lösen.“

Das findet also Vladmír Kučera. Die Mladá fronta Dnes hat es gedruckt.


Foto: Kristýna Maková
Moderator: Kommen wir zum nächsten Thema, Patrick! Der neue Verkehrsminister Vít Bárta möchte aggressive Fahrer mit dicken Autos zähmen. Wer besser bei Kasse ist, soll für dasselbe Vergehen ein höheres Strafgeld zahlen, als jemand mit dünnerem Geldbeutel. Als Orientierung sollen das Einkommen des Fahrers dienen und die Größe des Autos.

P. G.: Genau. Bárta verweist dabei auf die Schweiz und Finnland, in denen es ähnliche Regelungen gibt. Für seinen Vorschlag hat er viel Kritik geerntet, aber auch einige Zustimmung. Jiří Franěk von der Tageszeitung Právo zum Beispiel kann Bártas Plänen durchaus etwas abgewinnen. Ich zitiere Franěk:

„Wenn etwas in mindestens zwei zivilisierten Ländern funktioniert, dann kann niemand über die Undurchführbarkeit und Unsinnigkeit sprechen. Bártas Vorschlag geht zumindest in die richtige Richtung. Die Situation ist nämlich die: auf der einen Seite ist der machtlose Staat, auf der anderen Seite diese merkwürdige Kaste unter den Verkehrsteilnehmern, Gleichere unter Gleichen. Ich sage nicht, dass Bártas Vorschlag toll ist, aber er ist die Diskussion wert.“

Vít Bárta
Ganz anderer Meinung ist Petr Honzejk. In der Hospodářské noviny nennt er Bártas Pläne „populistisch im schlimmsten Sinne des Wortes“:

„Die Vorstellung, dass die Verkehrspolizei Zugang zu Angaben der Finanzämter haben soll, ist erschreckend. Jeder Fahrer weiß, dass zumindest ein Teil der Verkehrspolizei korrupt ist. Bárta argumentiert, dass die Schweiz und Finnland etwas Ähnliches haben. Aber diese beiden Länder sind kulturell ganz woanders. Im letzten Ranking der Antikorruptionskämpfer von Transparency International war die Schweiz auf Platz fünf, Finnland auf Platz sechs. Tschechien war 52. Nach Einkommen gestaffelte Geldstrafen haben eine gewisse Logik in nicht-korrupten Ländern. Und das ist Tschechien nicht.“

Moderator: Soviel zum Vorschlag von Verkehrsminister Bárta. Hast du noch ein letztes Thema, Patrick?


P. G.: Ja, ein letztes Thema habe ich noch: das EU-Verbot der klassischen Glühbirnen. Die sollen ja nach und nach aus dem Verkehr gezogen und durch Energiesparbirnen ersetzt werden. Am 1. September endete nun die Zeit der klassischen 75-Watt-Glühbirnen. Julie Hrstková hat das zum Anlass genommen in der Hospodářské noviny noch einmal das Verbot als solches zu kommentieren. Zitat Hrstková:

„Jeder, der morgens in Eile ist und das Licht anschaltet, um sich vor der Arbeit im Schein einer Energiesparlampe zu rasieren oder das Make Up aufzutragen, weiß, dass das Endergebnis trist aussieht. Das Licht von Leuchtstoffröhren führt zudem zu Kopfschmerzen und zur Bildung von Ekzemen, was wiederum zu höheren Kosten im Gesundheitswesen führt.“

Hrstková zweifelt aber auch den ökologischen Nutzen des Verbots der klassischen Glühbirnen in der EU an. Sie hält das Verbot deshalb zumindest in Privathaushalten für sinnlos. Aber es wäre sicher interessant in der Redaktion der Hospodářské noviny vorbeizuschauen und Hrstkovás Make Up dem Glühbirnentest zu unterziehen.