Revolution am Zeitungsmarkt: Wochenzeitschrift "Respekt" in Farbe und neuem Format

Wenn ein renommiertes Printmedium nach 17 Jahren grundlegend sein Erscheinungsbild ändert und praktisch von einem Tag auf den anderen vom bisherigen Zeitungsformat auf ein Magazinformat mit großen Farbfotos umsteigt, ist das an sich schon erwähnenswert. Bei der Wochenzeitschrift "Respekt" kommt dies aber fast schon einer kleinen Revolution gleich.

Schließlich hat die Zeitschrift, deren Wurzeln in den ersten Tagen nach der politischen Wende liegen, immer auf das Image gebaut, in fast allen Belangen gegen den Strom zu schwimmen. Das betraf nicht nur die oft kontroversen Themen, die von den Redakteuren aufgegriffen wurden, oder die sehr ausgeprägte innerredaktionelle Demokratie, sondern auch das Layout inklusive des konsequenten Schwarz-Weiß-Drucks.

Seit Anfang dieser Woche ist aber alles anders. "Respekt" gibt es seither in Farbe und in einem ungewohnten Format. Über die Gründe für die radikale Umgestaltung sagt Chefredakteur Martin M. Simecka:

"Es waren mehrere Motive im Spiel; zugleich muss man sagen, dass die Idee, Respekt grundlegend zu ändern, ungefähr zehn Jahre alt ist. Die Redaktion wollte das schon mehrfach in Angriff nehmen, doch es scheiterte immer wieder an den fehlenden finanziellen Mitteln. Das änderte sich erst im vergangenen Jahr, als ein neuer Investor zu uns stieß. Das andere Motiv war, dass Respekt in der alten Aufmachung und im klassischen Zeitungsformat im Vergleich zu den übrigen Wochenzeitschriften, die in Tschechien erscheinen, ein wenig anachronistisch wirkte. Das hat viel mit den Gesetzmäßigkeiten des Marktes zu tun. Auch die Werbewirtschaft zieht es vor, wenn ihre Werbung auf qualitativ besserem Papier gedruckt wird. Ich gebe also zu, dass wir damit auf eine gewisse Weise den Inserenten entgegenkommen wollten. Ein weiterer Grund war sicherlich, dass Respekt in den ganzen Jahren zwar nicht dramatisch, aber dennoch ständig in roten Zahlen war, was auch die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung der Zeitschrift eingeschränkt hat. Wir erhoffen uns von den Veränderungen einerseits einen Anstieg des Verkaufs und auch eine bessere Fähigkeit, die Werbewirtschaft anzusprechen. Das sollte wiederum im Endeffekt dazu führen, dass Respekt in einigen Jahren schwarze Zahlen schreibt. Dabei geht es nicht darum, Gewinn zu erwirtschaften - das ist nicht unser Ziel. Wir wollen nur, dass Respekt keine roten Zahlen mehr schreibt, weil das längerfristig keiner Zeitschrift gut bekommt."

Mehrheitseigentümer des Respekt-Verlags ist seit gut einem Jahr der tschechische Finanzinvestor Zdenek Bakala. Die Zeitschrift erscheint in einer Auflage von gut 20.000 Exemplaren, wovon ungefähr 15.000 Exemplare verkauft werden. In den vergangenen Jahren waren jedoch diese Zahlen leicht rückläufig. Um sie wieder zu erhöhen, wurde im Vorjahr im Respekt-Verlag eine Strategie entworfen, mit dem Ziel neue Lesergruppen zu erreichen. Als jedoch die ersten Pläne durchsickerten, führte das innerhalb der Redaktion zu einem Aufstand, weil sich die Redakteure von der Verlagsleitung nicht ausreichend eingebunden und informiert fühlten. Die Lage beruhigte sich erst wieder, als mit dem renommierten slowakischen Journalisten Martin M. Simecka ein neuer Chefredakteur engagiert wurde und das ursprüngliche Konzept unter Beteiligung der Redaktion überarbeitet wurde. Wie stark unterscheidet sich das heutige Endprodukt, das man am Kiosk kaufen kann, von den damaligen Entwürfen? Martin M. Simecka:

Im Vorjahr hat "Respekt" auch seine Internet-Präsenz stark ausgebaut. Als erstes Medium in Tschechien ermöglichte die Zeitschrift ihren Lesern eigene Weblogs, also Internet-Tagebücher zu gründen. Ebenfalls eine Premiere war, dass Video- und Tonbeiträge als Podcasts heruntergeladen werden können. Haben sich die an die Internetpräsenz gestellten Erwartungen erfüllt und hat das der Zeitschrift neue Leser gebracht? Dazu sagt der Chefredakteur von "Respekt":

"Allgemein lässt sich sagen, dass das Verhältnis zwischen dem Internet oder der Webseite eines Mediums und dessen gedruckter Fassung noch nicht endgültig gelöst ist. Es steht fest, dass die Printversion die Internet-Fassung einer Zeitschrift unterstützt - ob das aber auch umgekehrt funktioniert und zum Beispiel die Webpräsenz einer Zeitschrift auch beim Verkauf der gedruckten Auflage hilft, ist noch nicht bewiesen. Dennoch sind diese Internetauftritte wichtig, weil sich die Besucher der Webseiten unter die Leser der Printversion mischen und dadurch nicht zuletzt ein wichtiges Feedback für die Redaktion entsteht. Wir haben in dieser Hinsicht sehr viel investiert und heute besuchen die Seiten von Respekt doppelt oder sogar dreimal so viele Leser wie zuvor. Wir haben uns entschieden in der aktuellen Printversion jeweils einen Eintrag aus einem unserer Weblogs zu veröffentlichen. Zudem werden wir versuchen, weitaus stärker als bisher auf die Internetseiten von Respekt zu verweisen, auf denen die Leser dann weiter führende Informationen erhalten können - zum Beispiel die Video- oder Tonaufnahmen unserer Interviews, die in der Printversion erscheinen. Wir hoffen, dass vor allem jüngere Leser auf diese Weise den Weg zu Respekt und dessen gedruckter Fassung finden."

Könnten diese Änderungen zum Beispiel auch zur Öffnung des Redaktionsarchivs für die Nutzer führen und es somit jedermann zugänglich machen? Martin M. Simecka wägt ab:

"Das ist eine Frage der Verkaufsstrategie. Besonders für Wochenzeitschriften gilt, dass man für ihren Inhalt oft bezahlen muss - das ist fast überall so, auch wenn wir diesen Monat im Rahmen einer Kampagne alle unsere Angebote kostenlos zugänglich gemacht haben. Im Gegensatz zu den Tageszeitungen, die heutzutage dazu neigen, sich im Internet ganz den Lesern zu öffnen, ist die Situation bei Wochenzeitschriften eine andere, weil dort nicht tagesaktuelle Berichte erscheinen - die schon gestern praktisch wertlos sind. Vielmehr erscheinen dort Analysen und Hintergrundberichte, die längere Zeit aktuell bleiben. Deshalb ist der Zugang zu diesen Texten im Netz nicht gratis. Soviel ich weiß, wird es bei Respekt auch weiterhin so sein, dass die Nutzer unseres Archivs dafür bezahlen oder die Zeitschrift abonnieren müssen. Bei einer Änderung müsste man sehr genau die wirtschaftlichen Folgen bedenken."