Presseüberblick und der Österreich-Korrespondent des Tschechischen Fernsehens im Gespräch

Jan Moláček

Die tschechischen Zeitungen haben sich in der abgelaufenen Woche auf ihren dritten Seiten den verschiedensten Themen gewidmet: Geschichte, Gastronomie und Gesetze. Im zweiten Teil dann ein Gespräch mit Jan Moláček, der seit einigen Monaten für das Tschechische Fernsehen aus Österreich berichtet.

Ein Blick auf die dritten Seiten der Tageszeitungen „Lidové noviny“ und „Mladá fronta Dnes“ hat in der vergangenen Woche einmal mehr die Unterschiede zwischen beiden Blättern deutlich gemacht. Beide Zeitungen erscheinen ja im gleichen Verlag und setzen als einzige in Tschechien regelmäßige Themenschwerpunkte. Die „Mladá fronta Dnes“ widmet sich dabei häufig Themen, welche die größtmögliche Zahl der Leser erreichen sollen; die „Lidové noviny“ richtet sich hingegen oft an relativ spezifische Leserschichten.

So stand der Wochenbeginn bei der „Lidové noviny“ im Zeichen eines zeitgeschichtlichen Themas, nämlich des Jahrestages des Anschlusses Österreichs an Hitlerdeutschland vom März 1938. Dagegen widmete sich die Zeitung am darauf folgenden Tag fast schon einem visionären Thema – der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen beim Zugang zu öffentlichen Ämtern.

Am Mittwoch und Donnerstag ging es in der „Lidové noviny“ kulinarisch zu. Während sie am Mittwoch auf der dritten Seite ausführlich auf die Auszeichung des ersten Restaurants in Tschechien mit dem Michelin-Stern einging, begab man sich einen Tag später im übertragenen Sinn einige Stockwerke tiefer. Das Thema am Donnerstag war das weitere Schicksal der in Tschechien äußerst beliebten, weil auch steuerlich begünstigten Essensgutscheine, denen im Zuge der laufenden Sanierung der öffentlichen Finanzen das Aus droht.

Dagegen hatte die „Mladá fronta Dnes“ auf ihre Dritten Seite sehr ernste, aber dennoch publikumswirksame Themen zu bieten. Am Montag widmeten sich die Redakteuere dem in Tschechien immer noch neuen Thema Stalking. Der Dienstag stand ganz im Zeichen des Todes des Doyens unter den tschechischen Schauspielern, Radovan Lukavský.

Am Mittwoch stand das Thema Sterbehilfe auf dem Programm und am Donnerstag widmete sich die „Mladá fronta Dnes“ dem geplanten neuen Suchtmittelgesetz, das die bisher strikte Gesetzeslage bei den so genannten weichen Drogen – wie etwa Hanf – lockern soll.


Im zweiten Teil des Medienspiegels werfen wir wieder einmal einen Blick auf das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen. Seit einigen Monaten versucht die Anstalt vor allem ihre Kompetenz in der Berichterstatung aus jenen Ländern auszuspielen, wo sie traditionell oder erst seit kurzem ständige Berichterstatter hat. Einer der Neueren von ihnen ist Jan Moláček, der seit einigen Monaten in Wien arbeitet. Warum aber hat sich das Tschechische Fernsehen entschieden, einen ständigen Korrespondentenposten in Österreich zu errichten? Früher wurde Österreich vom jeweiligen Berichterstatter im slowakischen Bratislava / Pressburg aus betreut. Dazu Jan Moláček:

"Die Berichterstattung aus Österreich war immer irgendwie improvisiert, manchmal sind die Kollegen aus Bratislava nach Österreich gefahren, manchmal aus Brünn, Budweis oder sogar aus Prag - und wir mussten unsere Beiträge oft nur aus den Agenturen zusammenstellen. Wir haben dann lediglich darüber informiert, was absolut unvermeidlich war, wie zum Beispiel über Parlamentswahlen. Was in der österreichischen Politik jedoch zwischen den Wahlterminen geschah, das konnten wir nicht mehr berücksichtigen - von anderen Themen ganz zu schweigen. Das war eine Art Ausnahmezustand, weil es schon lange Korrespondentenstellen in allen Nachbarländern gab und nur Österreich in dieser Hinsicht fast wie ein schwarzes Loch war. Dabei ist gerade Österreich das Land, mit dem die Tschechische Republik die größten Schwierigkeiten in den gegenseitigen Bezeihungen hat, und zugleich auch das Land, wohin die Tschechen am meisten reisen - sei es zum Skifahren im Winter, oder auf der Durchfahrt im Sommer, wenn es in Richtung Kroatien oder Italien geht. Aus meiner Sicht war es also nur logisch, dass dieses Informationsloch endlich gefüllt wurde."

An welchen Themen aus Österreich besteht bei der Redaktionsleitung in Prag besonderes Interesse?

"Es sind natürlich die Beziehungsthemen und aber nicht nur Temelín. Wir haben in den letzten Monaten sicherlich mehr über die Schengen-Erweiterung berichtet als über den Temelín-Streit. Uns interessieren zudem die Entwicklungen in der österreichischen Innenpolitik, weil man zu fast allem, was in Österreich geschieht, eine Analogie in Tschechien finden kann. Da lassen sich zum Beispiel die jetzige Debatte über eine Änderung des Wahlsystems oder über die Vor- und Nachteile von großen Koalitionen nennen. Wir bringen aber natürlich auch Berichte zu unpolitischen Themen. Die Tschechen interessieren sich zum Beispiel stark für den Ausbau der Infrastruktur in Richtung Norden, wollen etwas über laufende Austellungen in Wien oder aber auch über Lawinenschutz in den Alpen wissen - und das sind nur einige wenige Beispiele."

Über das Verhältnis von Österreichern zu Tschechen wird immer wieder gesagt, dass es gespannt ist, dass die Tschechen nicht besonders beliebt seien. Was sind die Erfahrungen von Jan Moláček?

"Gerade letzte Woche waren wir im Grenzgebiet zu Tschechien unterwegs und haben eine Reportage über das Thema Schengen im niederösterreichischen Wahlkampf gedreht. Wir haben mit mehreren Leuten in Retz gesprochen, das ist eine wunderschöne kleine Stadt nicht weit von Znojmo / Znaim. Ein paar ältere Leute haben uns ganz offen gesagt, dass vor der Grenzöffnung alles besser gewesen sei. Die Jüngeren haben aber die Öffnung der Grenzen begrüßt und sehen das als etwas Selbstverständliches. Ich muss ehrlich sagen, dass ich die gegenseitigen Vorurteile gar nicht so tragisch sehe. Es ist oft so, dass den Österreichern statistisch als Masse irgendeine Meinung zugeschrieben wird, wenn man aber dann mit den Menschen spricht, ist es anders. Fest steht aber, dass die Österreicher sehr vorsichtig sind gegenüber allem Nicht-Österreichischen, aber eine ähnliche Einstellung lässt sich auch bei den Tschechen feststellen. Ich sage das nicht unbedingt als Kompliment, aber es ist einfach so."

Lassen sich wesentliche Unterschiede feststellen zwischen dem Charakter der Medienlandschaft in Österreich und in Tschechien? Der Korrespondent des Tschechischen Fernsehens in Österreich bejaht dies.

"Es gibt natürlich Unterschiede“, sagt Jan Moláček. „Die österreichischen Qualitätszeitungen und Zeitschriften bieten etwas mehr Qualität an, aber zum Beispiel die Kronenzeitung ist wiederum bedeutend mächtiger und verantwortungsloser als die tschechischen Boulevardblätter. Die Situation ist vergleichbar, aber Unterschiede gibt es natürlich. Ich hoffe, dass wir vielleicht auch in Tschechien bald ein Gegenstück zum österreichischen Standard oder Profil lesen werden. Aber wir sollten auch hier sehr vorsichtig sein. Wir sollten uns auch vorstellen, was eine tschechische Kronenzeitung mit den Verhältnissen und der noch nicht ganz reifen Demokratie in Tschechien anstellen könnte. Das ist übrigens aus meiner Sicht ein Grund mehr, dass wir hier in Österreich einen ständigen Korrespondenten haben: Es macht Sinn, Österreich mit Tschechien zu vergleichen, zu schauen, was hier funktioniert und was hier vielleicht nicht so besonders funktioniert. Die zwei Länder sind vergleichbar, auch in Politik und Gesellschaft."