Neue Leute für neues Schreiben - Journalistenausbildung in Tschechien

Ausschließlich praxisorientiert - oder stärker theoriebezogen. Zwischen diesen beiden Polen verläuft in Tschechien seit Jahren die Ausbildung von Journalisten. Immer stärker verlagert sich dabei das Gewicht vom klassischen Magisterstudium der Kommunikationswissenschaften an der Karlsuniversität hin zu neu gegründeten Journalistenakademien. Mehr zum Thema Journalistenausbildung in Tschechien erfahren sie von Robert Schuster in der heutigen Ausgabe von Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag.

Relativ oft kommen in unserer Mediensendung Journalisten zu Wort - entweder indirekt, in dem wir aus ihren Kommentaren zitieren, oder direkt, indem wir mit ihnen Interviews führen. Bisher sind wir jedoch noch nie der Frage nachgegangen, wie man in Tschechien überhaupt Journalist werden kann und welche Möglichkeiten zum Erlernen des Journalistenberufs es hierzulande gibt.

Früher, das heißt in der Zeit vor der Wende, war es in Tschechien in Sachen Journalistenausbildung relativ einfach. Es gab ein faktisches Monopol in der Gestalt der Journalistischen Fakultät der Karlsuniversität. Die damaligen Studierenden wurden sorgfältig ausgesucht, und als wichtigstes Kriterium galt dabei nicht etwa das Talent des Bewerbers, sondern dessen politische Zuverlässigkeit, bzw. ob er einen einflussreichen Fürsprecher hatte, was im Volksmund auch Protektion genannt wurde.

Obwohl die Journalistische Fakultät bei der Ausbildung des journalistischen Nachwuchses nach wie vor federführend ist, wurden nach 1989 auch andere, private Bildungseinrichtungen für angehende Journalisten ins Leben gerufen. Eine davon ist die Höhere Fachschule für Publizistik, die Mitte der 90er Jahre gegründet wurde und deren Träger damals wie heute das Prager Erzbistum ist. Mit ungefähr 250 Studierenden gehört diese Journalistenschule zu den größten, die ein nichtuniversitäres Studium anbieten. Worin unterscheidet sich die Höhere Fachschule für Publizistik von anderen ähnlichen Einrichtungen? Dazu im Folgenden Vaclav Nekvapil, der Lektor an dieser Schule ist:

"Es gibt heute eine Reihe von Möglichkeiten, wie man Journalist werden kann. Das ist insofern positiv, weil sich die Studenten selber aussuchen können, ob sie sich mehr praxisorientiert ausbilden lassen wollen, oder ob ihr Journalistik-Studium mehr in Richtung Theorie gehen soll. Unsere Höhere Schule für Publizistik steht mehr für eine praxisnahe Ausbildung. Auch die Studiendauer ist bei uns wesentlich kürzer als bei einem herkömmlichen Magister-Studiengang. Schon während des Studiums gibt es die Möglichkeit, bei irgendeinem Medium tätig zu sein, auch wenn das natürlich zu Lasten bestimmter theoretischer Kenntnisse geht, die man wiederum beim Journalistik-Studium an der Universität erlangen kann. Es hängt also ganz von den Studenten ab, wie sie veranlagt sind und welcher Richtung sie den Vorzug geben. Es gibt bei uns natürlich auch Studenten, die versuchen beide Ansätze zu kombinieren."

Es ist noch nicht allzu lange her, da wurde das Niveau der tschechischen Medien allgemein stark kritisiert. Besonders im Mittelpunkt stand dabei der Umstand, dass in den Redaktionen oft sehr junge Journalisten anzutreffen waren, die über nur sehr wenig berufliche Erfahrung verfügten oder auch etwa durch verschiedene Lobbys leicht zu beeinflussen waren. Ein weiterer Punkt, der ebenfalls als negativ empfunden wurde, war die starke Fluktuation gerade unter den jungen Redaktionsmitgliedern, was heißen soll, dass diese dazu neigten, ihre Wirkungsstätte sehr oft zu wechseln. So konnte sich letzten Endes auch keine emotionale Basis zwischen dem Journalisten und dem Medium entwickeln. Hat sich da in den vergangenen Jahren etwas zum Positiven verändert? Dazu meint Vaclav Nekvapil von der Höheren Fachschule für Publizistik:

"Ich denke, dass sich schon eine positive Entwicklung feststellen lässt. Seit der Wende 1989 sind 16 Jahre vergangen, und zwei Generation haben seither die Redaktionen durchlaufen. Die erste Journalisten-Generation nach der Wende zeichnete sich durch ein großes gesellschaftliches Engagement aus; es mangelte jedoch sowohl an theoretischen Voraussetzungen wie auch an praktischen Erfahrungen. Die Angehörigen der nächsten Generation hatten dann meistens schon ein Studium hinter sich und oft auch Erfahrungen aus dem Ausland. Gegenwärtig lässt sich sagen, dass diese zweite Generation die erste allmählich ablöst. Man darf aber nicht vergessen, dass mit Generationen nicht irgendwelche Alterskategorien gemeint sind, weil auch die erste Journalisten-Generation relativ jung ist und somit noch eine Zeit lang maßgeblich die Medienlandschaft in Tschechien prägen wird. Bis in dieser Hinsicht die Situation der tschechischen Medien mit den westlichen vergleichbar sein wird, wird es noch ungefähr zehn bis 15 Jahre lang dauern. Dann wird eine weitere - nämlich schon die dritte Generation nach der Wende - Einzug in die Medien halten."

Welche Fehler werden aber derzeit noch gemacht?

"Ich würde sagen, dass einer davon schon seit Jahren immer wieder erwähnt wird und zwar die Boulevardisierung der Leitmedien. Ich weiß nicht, in wie fern sich dieses Problem angesichts des kleinen tschechischen Medienmarktes lösen lässt, aber Tatsache ist, dass hierzulande eine große seriöse Tageszeitung fehlt, die sich mit vergleichbaren westeuropäischen Zeitungen messen lassen könnte. Der zweite Fehler ist die unbewusste Ideologisierung eines Großteils der Journalisten. Ich denke, dass sich hier der Einfluss der Journalisten der ersten Generation nach der Wende bemerkbar macht, die sich fest an die Grundsätze und Überzeugungen klammern, die unmittelbar nach der Wende aktuell waren. Der dritte Punkt ist der, dass viele Journalisten hierzulande frei nach dem Motto verfahren, dass sie sicherheitshalber nichts und niemandem glauben. Sie glauben nur an sich, und in vielen Fällen wirkt diese Selbstsicherheit und gleichzeitig auch das Misstrauen gegenüber den Autoritäten für den tschechischen Journalismus stark einschränkend."

Wie ist es aber um die Fort- und Weiterbildung der tschechischen Journalisten bestellt? In Ländern mit großen öffentlich-rechtlichen Medienanstalten oder Verlagskonzernen, wie zum Beispiel in Deutschland oder Frankreich, ist es üblich, dass es so etwas wie verlagsinterne Akademien gibt, in denen die Journalisten weitergebildet werden. Gibt es so etwas zumindest ansatzweise auch in Tschechien, oder wird diese Aufgabe von den einzelnen Journalistenschulen übernommen? Dazu noch einmal Vaclav Nekvapil von der Höheren Fachschule für Publizistik in Prag:

"Bei uns gibt es so etwas leider nicht. Sobald ein junger Journalist bei einem Medium tätig wird, wird er sofort vom täglichen Redaktionsablauf aufgesogen. Sowohl er wie auch die jeweiligen Chefredakteure können sich kaum vorstellen, dass sich ein Journalist noch weiterbildet und schon gar nicht, dass so etwas während der regulären Arbeitszeit möglich wäre. Dazu trägt auch das hektische Tempo bei den tschechischen Medien bei. So passiert es, dass man täglich, praktisch nebenbei oder im Vorbeilaufen, sich etwas anlernen muss. Ich denke, dass es aber noch dauern wird, bis die Journalisten selbst so weit sein werden zu begreifen, dass auch sie das ganze berufliche Leben lang hinzulernen müssen. Diejenigen, die das schon begriffen haben - und das sind immer noch die Ausnahmen -, geraten oft in einen Konflikt mit den Verlags- und Redaktionsleitern. Aber man muss auf der anderen Seite sagen, dass das entsprechende Angebot in Tschechien sehr dürftig ist. Auch unsere Höhere Fachschule für Publizistik bildet da keine Ausnahme. Wir hatten zwar in der Vergangenheit einige Sommerkurse angeboten, die jedoch in erster Linie für Lokaljournalisten gedacht waren. Natürlich ist das schade, denn jede Schule für Publizistik sollte so etwas im Angebot haben. Aber es ist auch eine Frage der fehlenden Nachfrage von Seiten der Zeitungsverlage."