Militärbunker werden zu Filmstars

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Die Jugendmedienkampagne "Jugend Macht Medien" der deutschen Gesellschaft e.V. - Verein zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa, ist eine von jungen Medienmachern gestaltete Informationskampagne, die über die Erweiterung der Europäischen Union berichtet. Ziel ist es, junge Leute über das neue Europa der 25 Mitgliedsstaaten zu informieren. Der große Fokus liegt hierbei verstärkt auf den neuen Mitgliedsstaaten, zu denen auch Tschechien gehört. Ein guter Anlass für Susanne, Claudia, Tim und Patrick, einen Film in Tschechien zu drehen. Und für Miriam Goetz und Svenja Mettlach, den jungen deutschen Filmemachern einmal über die Schulter zu schauen.

Ein Bunker der tschechoslowakischen Grenzbefestigung
Kriegsbunker als Filmobjekte? Ein Mancher mag nun den Kopf schütteln, bei den Veranstaltern des Workshops kam die Idee der jungen Filmemacher jedenfalls gut an. Die Idee war, einen Film über jene Bunkeranlagen zu drehen, die ursprünglich zu militärischen Zwecken gebaut wurden, heute jedoch beispielsweise als Hotelanlagen genutzt werden. Aber wie stößt man auf solch eine Story?

"Auf der Website von Radio Prag sind wir auf die Geschichte von Herrn Schumann gestoßen, der gerne einen Bunker vom Verteidigungsministerium kaufen und sich daraus ein Wochenendhaus machen wollte. Das fanden wir recht attraktiv und ungewöhnlich. Unser Thema war nämlich 'Alltag in Europa' und da haben wir uns gedacht Alltag im Bunker ist was Ungewöhnliches. Was gibt es da für Besonderheiten? Das hat uns zunächst an dem Thema interessiert."

Aus diesem Interesse wurde für Patrick Fink und den Rest des jungen Filmteams mehr und so machten sie sich auf ins verschneite Tschechien. Zunächst allerdings nur für eine "Locationtour", um mögliche Drehplätze und Protagonisten aufzutun. Hierzu hatte sich das nicht-tschechischsprechende Filmteam bereits eine Muttersprachlerin als Dolmetscherin engagiert. Und was hat die Filmemacher dann weiter an dem Thema gereizt? Patrick Fink dazu:

"Es ist einfach eine skurrile Geschichte, dass Menschen Holz hacken und dann damit in einen gigantischen Betonbunker gehen, ihre kleinen Öfen heizen und dort ihre Wochenenden verbringen. Und ich denke, das ist für jeden ganz witzig und interessant."

Durch einen Beitrag des Bayrischen Rundfunks zu dem gleichen Thema stieß die Crew auch auf ihren Protagonisten, einen Lehrer aus dem ostböhmischen Nachod. Dieser stellte dann auch den Kontakt zu den anderen beiden Darstellern her: Einem Pensionär aus Prag und einem Armeegeneral aus der Nähe von Nachod.

Die Sprachbarriere war anfänglich zwar groß, aber nach den Anfangsschwierigkeiten harmonierte die Zusammenarbeit mit den Tschechen gut. Letztere waren mit Feuereifer dabei, scheuten keine Kosten und Mühen, um den Studenten bei dem Film zu helfen. So organisierte der Armeegeneral eine Schneeraupe, damit das junge Filmteam sich im tief verschneiten Gebirge fortbewegen konnte.

Doch auch bester Teamgeist schützte den Filmtrupp nicht vor den eisigen Temperaturen des Riesengebirges. Der Dreh litt unter den katastrophalen Wetterbedingungen. Anhaltende Kälte von bis zu -15 Grad und zwei Meter hoher Schnee. Doch da überwiegend Außenaufnahmen geplant worden waren hieß es: Zähne zusammenbeißen! Ergebnis: Abgefrorene Füße und angesichts fortwährend sinkender Temperaturen auch die sinkende Laune. Doch letztendlich kann sich das Resultat sehen lassen: 450 Minuten Material - aus denen nun ganze 15 Minuten in der Postproduktion zusammen geschnitten werden mussten. Aus dem ursprünglich geplanten Fünfminüter soll nun ein 15-minütiger Dokumentarfilm, wenn möglich für das Fernsehen, entstehen.

Die Projektleiterin Dr. Christine Schäfer von der deutschen Gesellschaft e.V., auf die Frage, was solch ein Film jungen Menschen vermitteln kann?

"Ich glaube, dass damit so ein Stück europäischer Alltag ganz deutlich wird. Denn der Film zeigt sehr schön, wie das Zusammenwachsen in Europa auch dazu führt, dass solche Militäranlagen auch friedlich genutzt werden, dass in diesen Bunkern heute etwas stattfindet, was dem vollkommen entgegensteht, wozu sie ursprünglich mal gebaut wurden. Die Grenzregion wird interessant gemacht und eine tolle Idee vorgestellt, so dass man sich eventuell hinterher fragt: Weshalb fahr ich da nicht auch mal hin?"

Ihr Handwerk und die nötigen Technikkenntnisse erlernten die 30 jungen Medienschaffenden aus Deutschland, den neuen Mitgliedsstaaten und den Beitrittskandidaten, im Dezember 2005 und Februar / März 2006 in zwei zehntägigen Videocamps in Berlin. Dabei wurden sie von Profis unterstützt, die ihnen zeigten, worauf es ankommt: Bei der Themenfindung, beim Schreiben des Drehbuchs, beim Schnitt, sowie der Kameraführung. Für den Inhalt der Kurzfilme hatten die Organisatoren im Vorfeld bereits die folgenden fünf Themen zur Bearbeitung festgelegt:

"Das sind die Bereiche Arbeit und Bildung, soziales Leben in Europa, Alltag in Europa, Bundesstaat Europa und Grundwerte."

So mussten die Filmcracks zu ihrem jeweiligen Thema in Eigenregie ihr Filmmaterial sammeln, eigenständig die Filmproduktion vorbereiten und schlussendlich auch eigenverantwortlich drehen. Das war eine Übung für das richtige Leben und die wahre Berufswelt. Jedes Team hatte ein Budget zur Verfügung gestellt bekommen, mit dem es lernen musste hauszuhalten. Denn von diesem Geld mussten Reisekosten, Dolmetscher, Technik, Unterkunft, Honorare und alle weiteren anfallenden Kosten beglichen werden. Neben dem Landesinstitut für Schule und Medien lobt die Projektleiterin Dr. Christine Schäfer einen weiteren Kooperationspartner des Videoworkshops:

"Wir haben in dem Projekt eine sehr schöne Kooperation mit dem Mitteldeutschen Rundfunk. Er hat uns professionell beraten und außerdem hat er sich dazu bereit erklärt, diese Filme, wenn sie denn sendefähig sind, in seinem Programm mit aufzunehmen."

Die Auswahl für die sendefähigen Kurzfilme trifft allerdings allein der MDR. Eine Garantie gibt es also nicht. Umso mehr legten sich die Teilnehmer ins Zeug und versuchten auch in dem zweiten Medienworkshopcamp im März, ihre Aufnahmen unter technischer Anleitung von Profis perfekt zu schneiden und durch Untertitel als Übersetzung zu ergänzen. Und wer ist für Cutter Patrick die Zielgruppe?

"Die Zielgruppe sind ganz klar Deutsche, die nicht wissen, dass Tschechien zur Zeit der ersten Republik so ein reiches und entwickeltes Land war."

Primär soll der Film junge Menschen, Schüler und Studenten ansprechen. Aus diesem Grund sollen Schulen angeschrieben werden, die diese Filme mit in den Unterricht einbeziehen können. Alle Filme stehen darüber hinaus auch noch zum Download im Internet unter: www.jugend-macht-medien.de bereit. So kann jeder diese zu nicht-kommerziellen Zwecken nutzen. Aber was ist für die deutsche Gesellschaft e.V. das Ziel dieses Projekts? Dr. Christine Schäfer erklärt:

"Ziel ist es das wir Filme von jungen Leuten für junge Leute produzieren lassen wollen. Weil wir damit einen anderen, einen frischen, einen unverfälschten Blick auf das neue Europa geben wollen!"

Am 2. April findet in Berlin die Premiere in der Kulturwerkstatt statt. Dort können die Besucher alle Filme der jungen Teilnehmer, die neben Tschechien auch in Island, Finnland, Frankreich, Lettland, Italien und England gedreht wurden, bestaunen. Na dann: Film ab!