Die Zeitschrift "Romano vodi" ("Roma-Seele")

Romano vodi (Roma-Seele)

In der heutigen Ausgabe des Medienspiegels möchten wir Ihnen eine Zeitschrift vorstellen, die noch relativ jung ist und sich, wie wir finden, auf bemerkenswerte Weise mit der Roma-Thematik auseinandersetzt. Romano vodi - das bedeutet auf Romani soviel wie Roma-Seele - erscheint seit Februar dieses Jahres. Über die Zielsetzung der Zeitung, ihre Inhalte und Finanzierung, aber auch generell über das Bild der Roma in den tschechischen Medien, erfahren Sie mehr in den kommenden Minuten.

Romano vodi (Roma-Seele) besticht gleich auf den ersten Blick durch seine farbenfrohe, graphisch anspruchsvolle Gestaltung. Die Ambition des Blattes, ein möglichst breites Themenspektrum abzudecken, spiegelt sich in aktuellen Nachrichten, Kommentaren, Reportagen, modernen Betrachtungen zur Geschichte der Roma wider. Auch im online-Bereich ist Romano vodi präsent: Unter www.romea.cz sind neben Auszügen aus der Zeitschrift auch aktuelle Nachrichten und Veranstaltungshinweise zur Roma-Thematik zu finden. Warum eigentlich Romano vodi - Roma-Seele? Dies fragte ich die Chefredakteurin des Blattes, Jarmila Balazova:

"Wenn man 'Seele' sagt, verbindet man damit etwas Spirituelles, etwas, worüber ein Mensch nachdenkt, wenn er sich selbst beurteilt, wenn er überlegt, welchen Weg er im Leben gehen will. Und es ist auch etwas, was das Wesen einer Nationalität betrifft. Denn wenn die Seele nicht erhalten bleibt, überlebt ein Volk auch nicht. Und genau darum bemühen wir uns in unserer Zeitung: herauszufinden, was die Seele der Roma ist, was an ihr positiv ist, was uns verbindet und was uns zu einem besseren Leben führt. Darüber hinaus ist vodi ein altes Wort aus dem Romani. Bevor die Roma in Auschwitz in die Gaskammern gingen, sangen sie u.a. ein Lied, indem es wörtlich heißt: Ich küsse deine Seele. Auch deshalb mag ich diesen Titel."

Ausschlaggebend für die Herausgabe einer neuen Roma-Zeitschrift, erklärt Jarmila Balazova, Chefredakteurin von Romano vodi, seien persönliche Differenzen mit der Redaktion von Amaro gendalos (dt.: Unser Spiegel) gewesen, in der sie vorher gearbeitet hatte. Zudem habe es in Tschechien bislang an einem Roma-Periodikum gemangelt, dessen Redakteure jung und frei von politischen Ambitionen seien. Bei den meisten Minderheiten-Medien, so Balazova, sei dies eben nicht der Fall, da sie mit der Publikation häufig auch andere, politische Absichten verfolgten. Ziel der Redakteure von Romano vodi, die sich größtenteils bereits vorher im Medienbereich profiliert haben, ist es laut der Chefredakteurin vielmehr:

"der Mehrheitsgesellschaft zu zeigen, dass auch Roma eine qualitativ sehr gute Zeitschrift herausgeben können und dass nicht jeder Rom, der medial in Erscheinung tritt, zwangsläufig seine Nationalität vergisst. Und auf der anderen Seite wollten wir eine Motivation für die junge Roma-Generation sein, die sich leichter mit jüngeren, beruflich erfolgreichen Roma identifiziert als mit älteren so genannten Roma-Vertretern."

Wie bei allen Periodika der nationalen Minderheiten, die von der tschechischen Regierung unterstützt werden, ist die Auflage von Romano vodi niedrig: 1.500 Exemplare erscheinen monatlich, ein Großteil davon gehe an Abonnenten - junge Roma sowie Tschechen, die sich für die Roma-Thematik interessieren. Besonders bemüht sei man auch, so Jarmila Balazova, die Zeitschrift an Personen zu verbreiten, die in irgendeiner Weise das Zusammenleben zwischen Roma und Tschechen beeinflussen - seien es Sozialarbeiter, Roma-Berater oder Lehrer. Den Rest probiere man möglichst effektiv an verschiedenen Orten wie Cafes und Teestuben zu verbreiten und den Vertrieb in Orten mit großem Roma-Anteil auszuweiten. Eines der größten Probleme der nur dreiköpfigen Redaktion von Romano vodi ist gegenwärtig die Akquirierung von Geldern für die Herausgabe der Zeitschrift, die zu 35% vom tschechischen Kultusministerium finanziert wird. Jarmila Balazova:

"Das ist sehr mühselig, weil wir das parallel zur redaktionellen Arbeit machen und vor allem jeder von uns noch eine andere Arbeit hat, mit der er seinen Lebensunterhalt verdient. Auch wenn man Zusagen von verschiedenen Botschaften, Stiftungen oder kommerziellen Firmen bekommt, dauert es immer eine ganze Weile, bis diese nach Erledigung aller Formalitäten tatsächlich in Anspruch genommen werden können. Und dabei müssen wir zunächst einmal jetzt über die Runden kommen und zusehen, dass wir erst mal im nächsten Monat weiter erscheinen können. Die Resonanz ist bislang sehr positiv und es würde uns sehr leid tun, wenn die Zeitschrift eingehen würde."

Eine große Hilfe sei dabei die Bekanntheit der einzelnen Redakteure - Jarmila Balazova hat beispielsweise bereits in zahlreichen tschechischen Medien auf sich aufmerksam gemacht und so ist es der jungen Zeitschrift bereits gelungen, medialer Partner für verschiedene bekannte Festivals zu werden - wie etwa für das internationale Roma-Festival Khamoro, das in diesen Tagen zum fünften Mal in Prag stattfand.

Ich fragte Jarmila Balazova, wie sie den Einfluss der Medien, in diesem Fall ihrer Zeitschrift, einschätzt - im Vergleich zu der Wirkung, die etwa ein Festival wie Khamoro hat, das sich auch unter der tschechischen Öffentlichkeit zunehmender Beliebtheit erfreut:

"Der Einfluss von Medien und Reklame auf jeden einzelnen Leser, Zuschauer oder Zuhörer ist schlichtweg groß - vielleicht größer, als uns Journalisten bewusst ist. Wir alle wissen, dass Journalismus auch eine erzieherische Wirkung hat. Das Bild der Roma, aber auch das anderer Minderheiten, ist in den Medien häufig verzerrt und nicht sehr schmeichelhaft. Ich denke, das ist im Wesentlichen durch Unwissenheit begründet, dadurch, dass einzelne Journalisten über etwas schreiben, was sie nicht kennen und sich oberflächlich mit dem begnügen, was sie irgendwo gehört haben. Die Journalisten sollten sich mehr bemühen, auch investigativ zu arbeiten, mehr in die Roma-Kommunität einzudringen."

In diesem Zusammenhang verweist Jarmila Balazova auf Günther Walraff, der - verkleidet als türkischer Gastarbeiter - am eigenen Leib die Erfahrung gemacht hat, wie es sich in Deutschland als Ausländer lebt. Dieses Vorgehen Walraffs und das daraus entstandene Buch "Ganz unten" hätten sie sehr beeindruckt, sagt Balazova. Sie sei davon überzeugt, dass jemand der so eine Erfahrung gemacht habe, sich selber danach nie wieder einen vereinfachenden Blick durchgehen lasse. Allerding, räumt Jarmila Balazova ein, habe sich die Situation in vielen tschechischen Medien im Laufe der vergangenen Jahren entscheidend verbessert. Ihre eigene langjährige Arbeit für tschechische Medien hält sie insofern für wichtig, dass sie sich dort einerseits selbst um eine ausgewogene Repräsentation von Roma-Themen bemüht, anderseits ihre tschechischen Kollegen auf unsachliche Darstellungen hinweist. Darüber hinaus ist ihr aber auch sehr daran gelegen, nicht nur als Roma-Vertreterin wahrgenommen zu werden:

"Ich denke, ein weiterer ausgezeichneter Weg, um zu einem objektiveren Bild zu gelangen, wäre der, dass mehr Roma in den Medien der tschechischen Mehrheitsgesellschaft tätig wären und dort nicht nur über Belange ihrer Minderheit sprechen würden, sondern auch über Themen, die die ganze Gesellschaft betreffen."

Auf ein für die tschechische Gesellschaft sehr aktuelles Thema, das EU-Referendum, geht die Zeitschrift in ihrer jüngsten Nummer ein. In einer Umfrage unter den Lesern sprachen sich 56% für den EU-Beitritt Tschechiens aus, 43% dagegen, 1% war unentschlossen.