"Wie sehe ich diese Stadt" - sieben Fotografinnen und Fotografen machen sich ein Bild von Prag und Berlin

Foto: David Raub

Auf internationalen Kunst-Ereignissen findet sich meist ein internationales Publikum ein. So auch dieses Mal bei der Eröffnung der Fotografie-Ausstellung "Jak vidím toto mesto" - "Wie sehe ich diese Stadt". Deutsch und Tschechisch waren die vorherrschenden Sprachen in den vollen Räumen der Galerie "Podkroví" in der Prager Altstadt - neben Englisch, weil sich manche damit besser verständigen konnten. Und Verständigung ist ein wichtiges Anliegen dieser Ausstellung, die ihnen heute im Kultursalon vorgestellt wird.

In der Galerie "Podkroví" herrscht Hochbetrieb zur Vernissage einer internationalen Ausstellung. Sieben junge Künstlerinnen und Künstler aus Tschechien und Deutschland haben sich zu dem Projekt zusammengetan, in den Hauptstädten beider Länder nach ihren Ideen zu fotografieren. Jetzt zeigen sie ihren je individuellen Blick auf Prag und Berlin - pünktlich zum 10-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft der beiden Metropolen.

"Das war unsere Idee, zwischen dem Kunstverein Pro Arte Vivendi und uns drei Fotografen. Es war ein Ereignis, die zwei Städte zu verbinden, und für uns ist es auch wichtig, die Fotografien in Prag und in Berlin zu präsentieren," erzählt David Raub, einer der drei Prager Fotografen aus der Gruppe.

Für diese Idee werden die Künstlerinnen und Künstler von der Stadt Prag unterstützt, die solche Initiativen nach Möglichkeit fördert. Eine weitere ganz wesentliche Unterstützung erhielten die Fotografen von dem Verein Pro Arte Vivendi, unter dessen Fittichen sie ihr Projekt ausgestalten konnten.

Pro Arte Vivendi ist eine Gruppe deutscher und tschechischer Künstler und Kunstfreunde, die das Ziel haben, den deutsch-tschechischen Kultur-Austausch zu intensivieren. Seit der Gründung vor acht Jahren verfolgt der Verein sein Programm, deutsche und tschechische Kunst der Gegenwart in beiden Länder zu zeigen. Dazu hat er ein kleines Netzwerk geknüpft aus Gönnern und Förderern, zu denen unter anderem der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds gehört. Auch die jetzige Ausstellung wurde durch diese Hilfe ermöglicht. Für die ideelle und materielle Unterstützung sind die Fotografinnen und Fotografen sehr dankbar.

"Ja, die Unterstützung ist auch ideell, das ist das Wichtigste, und auch finanziell. Wir möchten uns bei diesem Fonds bedanken, weil wir das Geld bekommen für das Material und für die Entwicklung der Fotografien", sagt David Raub.

Der Verein Pro Arte Vivendi formuliert selbstbewusst das Ziel seiner Projekte: Sie sollen die interkulturellen Beziehungen fördern zwischen Deutschland und Tschechien, und auch die Kraft der Kunst demonstrieren. Die Kraft der Kunst als Verständigungsmittel beim Zusammenwachsen der Nationen im vereinten Europa. Hat die Kunst denn diese Kraft? Dazu der Fotograf Miroslav Kotesovec:

"Ja, ich bin mir sicher, denn in der Kunst muss es natürlich um Zusammenarbeit gehen. Die Kunst ist in der Lage, den Blick auf grundlegende Dinge zu brechen, wie den Ostblock und den Zweiten Weltkrieg oder was auch immer - sie verschiebt sie wunderbar, und auf dieser Ausstellung ist ganz offenkundig, dass diese Dinge schon lange verschwunden sind. Und ich bin schrecklich froh darüber, dass ich heute nach Berlin fahren kann, indem ich einfach David anrufe, meinen Personalausweis nehme, mich ins Auto setze und losfahre."

Auch seine Kollegin Lenka Savrdová sieht die Kunst als ein Mittel, dass Verbindungen über Ländergrenzen hinweg vereinfacht: "Ich denke Berlin und Prag sind beides kulturell sehr aktive Städte, und deshalb ist die Verbindung zwischen ihnen leichter."

David Raub ist selber Mitglied bei Pro Arte Vivendi. Kommt der Verein mit seiner bisherigen Arbeit den selbst gesteckten Zielen nahe? Ist er erfolgreich? "Ja, der Verein hat sehr gute Ziele und entwickelt sich immer besser. Er hat sehr viel Unterstützung, die auch anderen Künstler zugute kommt."

Damit die Kunst ein Verständigungsmittel wird, muss sie in einem ersten Schritt die Menschen erreichen, und in einem zweiten Schritt diese auch ansprechen. Mit der Ausstellung der Fotografien in der Galerie "Podkroví" haben die Künstler einen guten Ort gefunden, um die Menschen erst einmal zu erreichen.

Die Galerie liegt mitten in der Prager Altstadt, in der Husova-Straße 9. Mit einem schön gestalteten Hof öffnet sich die Nummer 9 zur engen Straße, durch die Touristen strömen. Der ruhige schattige Hof und das dahinter liegende historische Gebäude laden zu einem Besuch geradezu ein. Im frisch renovierten gelben Haus angelangt geht es dann eine hölzerne Treppe hinauf, weit hinauf, bis zum Dachboden, von dem die Galerie "Podkroví" ihren Namen hat.

Dort oben erstrecken sich die großzügigen Ausstellungsräume bis in die letzten Ecken des Daches. Das Gebälk liegt frei, und die Besucher müssen manches mal über mächtige dunkle Kanthölzer steigen, die in Kniehöhe über dem Boden verlaufen und den Dachstuhl zusammenhalten. Der Raum ist außergewöhnlich. Seine Lage und seine Gestalt geben ihm eine besondere Atmosphäre, von der auch die jungen Künstler angezogen wurden.

"Das war ein Zufall", erzählt David Raub. "Wir waren zu einer Vernissage in der Galerie, und die Dachräume haben uns sehr gefallen. Es herrschte eine gute Stimmung, die Atmosphäre war einfach schön. Also haben wir uns entschieden, dort unsere Ausstellung zu machen. Die Galerie ist zwar noch ganz neu - ich glaube sie läuft seit einem halben Jahr - aber die Präsentation im Internet ist sehr gut. Ich denke, sie entwickelt sich gut."

Der erste Schritt der Kunst auf dem Wege zur Verständigung ist demnach gut gelungen: ihre Fotografien erreichen die Menschen. Im zweiten Schritt muss die Kunst die Menschen ansprechen, auf die Menschen wirken. Manche Besucher hatten ihre Zweifel, ob die ausgestellten Fotografien das leisten:

"Ich weiß nicht, ich kann nichts Schlechtes sehen, aber es beeinflusst mich nicht, es berührt mich nicht im Geringsten. Es sagt mir nichts. Ich sehe nichts, was mein Leben oder meinen Blickwinkel auf die Welt auch nur für einen Millimeter verändern würde. Und das ist es doch, was Kunst tun sollte. Vielleicht funktioniert das bei anderen Leuten, aber nicht bei mir."

Das hoffen die Künstler sehr, denn ihre Fotos sind durchdacht und wollen den Betrachtern etwas vermitteln. Lenka Savrdova erläutert ihre Bilder so: "Das ausdrucksvollste für die Fotografie ist das Licht, deshalb habe ich mit Schatten gearbeitet, mit meinem eigenen Schatten. Ich habe auf Bahnhöfen fotografiert, weil das oft der Ort ist, an dem Besucher in einer Stadt ankommen, bevor sie sie erkunden und kennen lernen. Im Wesentlichen soll man mit diesen Fotos ein Gefühl der Einsamkeit empfinden, die Fotos sind immer Reflexionen des Gefühls menschlicher Einsamkeit."

David Raub wieder hatte anderes mit seinen Bildern vor: "Ich habe die erste Serie in Prag gemacht. Ich war allein in der Peripherie und sah all die verlassenen und verlorenen Sachen. Zum Beispiel große Spielplätze für Kinder, die ganz verlassen dalagen. Die Idee dieser Serie war, allein durch diesen Raum zu laufen und die vergessenen Orte wiederzufinden. Den zweiten Blick habe ich Berlin auf das Thema geworfen, und ich dachte, es ist auch wichtig hier solche Orte über die Fotografie erreichbar zu machen."

Letztlich ist jeder selbst eingeladen, sich ein Bild von den Fotografien zu machen, genau so wie die Fotografinnen und Fotografen ihr je eigenes Bild von Berlin und Prag gemacht haben.

Eine Absicht verfolgen alle Künstler gemeinsam: Ihre Fotografien sollen Lust darauf machen, die jeweils benachbarte Hauptstadt zu besuchen.

"Ich möchte, dass die Leute, die die Ausstellung sehen, spüren, dass es keine Grenze mehr zwischen den beiden Ländern gibt", sagt Miroslav Kotesovec. "Jeder kann heute nach Berlin fahren und das bunte Treiben dort erleben, die nette Atmosphäre, die in dieser Stadt herrscht."

David Raub schließt sich dem an: "Ja, das denke ich auch. Es ist das Wichtistge, dass die Leute Lust bekommen nach Berlin zu fahren. Berlin ist nicht weit von Prag, nur fünf Stunden mit dem Auto oder dem Zug. Es gibt keine Grenze mehr zwischen den beiden Städten, das ist das Wichtigste."

Die Ausstellung "Jak vidím toto mesto" ist bis zum 27. Mai in Prag zu sehen, in der Galerie "Podkroví", Husova 9. In Berlin werden die Fotografien dann im Juni gezeigt. Unter dem Titel "Wie sehe ich diese Stadt" läuft die Ausstellung vom 2. bis zum 28. Juni in der "Werkstatt der Kulturen", Wissmannstraße 32.