Synthese des Hochbarock: Fischer von Erlach und das Clam-Gallas-Palais

Clam-Gallas-Palast

Es ist eine der unbestrittenen Perlen in der langen Reihe der Prager Palastbauten: das Clam-Gallas-Palais in der Altstädter Hus-Gasse. Der Bau mit den mächtigen Karyatiden vor dem Portal stammt aus der Feder von Johann Bernhard Fischer von Erlach, einem der europaweit bedeutendsten Barock-Architekten. Davon kann man sich neuerdings so lebendig wie nie zuvor überzeugen, denn unlängst ist ein Konvolut von Entwurfszeichnungen Fischer von Erlachs für den Palast aufgetaucht - ein einzigartiger und spektakulärer Fund.

Er liegt nur ein paar Schritte abseits vom Königsweg - prominent mitten in der Prager Altstadt und doch zugleich versteckt im engen Gassengewirr. Der Clam-Gallas-Palast, in dem derzeit das Prager Stadtarchiv seinen Sitz hat. Erbauen ließ den Palast zu Beginn des 18. Jahrhunderts Graf Johann Wenzel Gallas. Der einflussreiche Diplomat musste befürchten, nach dem Tod Kaiser Josephs. I. vom europäischen Parkett in die Prager Provinz abgeschoben zu werden. Da wollte Gallas wenigstens standesgemäß residieren. Der Bauauftrag ging daher an Johann Bernhard Fischer von Erlach:

„Fischer von Erlach ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der europäischen Architekturgeschichte – ein wegweisender Künstler, den man in einem Atemzug zum Beispiel mit Rubens und Rembrandt nennen kann. Der Name Fischer von Erlach fehlt in keinem noch so kurzen Überblickswerk der Kunstgeschichte. Sein Werk ist außergewöhnlich originell, und das auch, weil sein Ausgangspunkt eine Bildhauerausbildung war und er auch lange Jahre in diesem Fach tätig war. Dadurch war er fähig in seinen Bauten den Geist des Hochbarock aus praktisch allen Zweigen der Kunst zu synthetisieren – von den Malereien bis hin zum Bildhauerschmuck und zu den Stuckaturen. Er hat maximale Effekte mit dem plastischen Schmuck und der Lichtführung erreicht – die Umsetzung dieser Effekte ist wirklich außerordentlich.“

So Martin Krummholz vom Prager Stadtarchiv, Kurator einer Ausstellung über Geschichte und Schicksal des Clam-Gallas-Palastes und seiner Eigentümer. Den Impuls zu der Schau hatte ein spektakulärer Fund vor knapp zwei Jahren gegeben: im Palast wurde ein Konvolut mit originalen Entwurfszeichnungen von der Hand Fischer von Erlachs entdeckt:

Und um einen Schatz handelt es sich wirklich, betont Kurator Martin Krummholz: Für keinen anderen Bau Fischer von Erlachs sei eine so umfangreiche Auswahl der ursprünglichen Entwürfe erhalten geblieben. Und auch im Vergleich zu anderen, ähnlich bedeutenden Architekten sei das Skizzen-Konvolut einzigartig. Die Planzeichnungen und Entwürfe wurden zu großen Teilen beim Bau schlichtweg verbraucht.

„Eine Erklärung dafür, dass diese Zeichnungen die Zeit überstanden haben, liegt womöglich in dem Umstand, dass es sich um Entwürfe für Bauabschnitte handelt, die letztlich nicht verwirklicht wurden. Hier haben wir etwa Grundrisse, die die Pläne für den Palast zeigen, bevor noch zwei nebenan liegende Grundstücke dazugekauft werden konnten. Das sind also nicht die letzten Entwürfe, sondern diese Pläne hier hat Fischer von Erlach mindestens noch dreimal umarbeiten müssen.“

Die prächtigsten Stücke aus der Mappe Fischer von Erlachs sind vier großformatige Entwürfe für die Innenausstattung des Palastes. Sie zeigen die Haupttreppe und drei Räume aus dem Paradeappartement der Gräfin im zweiten Stockwerk:

„Es handelt sich um außerordentlich wertvolle Stücke, um die größten Zeichnungen, die aus der Feder Fischer von Erlachs überhaupt erhalten geblieben sind. Es sind aber nicht die definitiven Pläne, sondern eher skizzierte Angebote für die Ausschmückung der Räume. Jede Zeichnung zeigt jeweils ein Zimmer, aber wie man sieht, ist auf den Skizzen jede Tür anderes ausgeführt. Graf Gallas konnte also auswählen, wie er es haben wollte. Das ist erneut ein einzigartiger Beleg für den gestalterischen Reichtum Fischer von Erlachs, ganz abgesehen davon, dass wir zu seinen Interieurs bislang kaum originale Materialien haben. So sind diese Skizzen hier wirklich eine einzigartige und zugleich vielfältige Quelle.“

Clam-Gallas-Palast
Die Skizzen geben so einen reichen Einblick in die Baugeschichte des Palastes. Und daneben verraten sie auch einiges über das Verhältnis zwischen Architekt und Bauherr. Denn Graf Johann Wenzel Gallas ließ sich die Entwürfe von seinem Hofmeister Dünnebier nach Italien bringen, um das Projekt zu begutachten. Die Anmerkungen des Grafen notierte Dünnebier auf den Rückseiten. Der Hofmeister hatte bei seinen Reisen aber auch noch weitere Papiere im Gepäck, weiß Martin Krummholz vom Prager Stadtarchiv:

Clam-Gallas-Palast
„Eine große Überraschung war für uns die Entdeckung dieses unauffälligen Blattes, das zwischen ganz anderen Akten versteckt war. Die Handschrift stammt abermals vom Hofmeister Dünnebier, und es geht um die Erklärung zu den Malereien in den einzelnen Räumen. Hier ist zum Beispiel Raum 95 verzeichnet, den kann man dann auf den Entwurfszeichnungen suchen – da finden wir das Paradeschlafzimmer der Gräfin. Und hier auf dem Blatt ist die geplante Ausschmückung dazu angegeben. Ich zitiere: ´Mythologie, Engel, Blumen, Gärten, schöne Bauten, Landschaften. Und das im Stil von Fransesco Albani´ – das war einer der berühmtesten Maler für Interieurs. Auch hier hat Graf Gallas also wieder das Beste aus der damaligen Kunst gefordert.“

Das Prager Clam-Gallas-Palais in der Hus-Gasse ist eines der hervorstechendsten, aber bei weitem nicht das einzige Zeugnis seiner Meisterschaft, das Architekt Fischer von Erlach in den böhmischen Ländern hinterlassen hat.

Clam-Gallas-Palast
„Außer den Aufträgen für den Graf Gallas hat Fischer von Erlach unter anderem den Entwurf für das Grabmal der Gräfin von Mitrovic in der Jakobskirche in der Prager Altstadt gezeichnet. Ihr Mann Vratislav z Mitrovic hat ihm auch den Auftrag zum Bau der Böhmischen Hofkanzlei in Wien gegeben. In den böhmischen Ländern findet man die Arbeiten Fischer von Erlachs ansonsten vor allem in Südmähren, wo er zu Beginn seiner Laufbahn vor allem für die Lichtensteins in Lednice / Eisgrub gearbeitet hat, oder für die Grafen Althann in Vranov an der Thaja, wo er den berühmten Ahnensaal errichtet hat.“

Trotzdem stand Fischer von Erlach im Interesse der tschechischen Öffentlichkeit lange hinter anderen anderen Barock-Baumeistern zurück. Die Vorstellung des Skizzen-Konvolutes im Prager Clam-Gallas-Palais ist daher überhaupt die erste Ausstellung in Tschechien, die Fischer von Erlach gewidmet ist. Schuld daran ist die Konzentration auf das Eigene, das Nationale, die in Böhmen und nicht nur in Böhmen Gesellschaft und Wissenschaften lange geprägt hat, meint Martin Krummholz:

Clam-Gallas-Palast
„Fischer von Erlach lässt sich schlechterdings nicht als tschechischer Künstler klassifizieren – das Prager Palais ist eher ein Import von Wiener Baukunst nach Böhmen. Und damit hat Fischer von Erlach nicht in die nationalen Kategorien gepasst, auf die sich die tschechische Historiografie noch bis in die jüngste Vergangenheit konzentriert hat. Hier standen Dientzenhofer und Santini im Mittelpunkt – und umgekehrt ist Fischer von Erlach im deutschsprachigen Raum aus dem gleichen nationalistischen Geist heraus bis in Absurdes mythisiert worden.“

Die Ausstellung über Johann Fischer von Erlach und das Prager Clam-Gallas-Palais geht in diesen Tagen bereits zu Ende. Aber vielleicht hat sie ja mitgeholfen, die nationalen Blicke auf Fischer von Erlach in das rechte Maß zwischen Exaltiertheit und Harmonie zu rücken – ein Maß, das der große Architekt ja auch in seinen Bauten stets getroffen hat.