SVIT – neue Prager Galerie zeigt Fotografien von Erwin Kneihsl

Erwin Kneihsl: „Trudelturm“ (Foto: www.svitpraha.org)

Sie liegt versteckt in einem der großen Hinterhöfe im ehemaligen Prager Industrie- und Gewerbeviertel Smíchov, das sich seit einigen Jahren zu einem lebendigen Geschäfts- und Kulturzentrum wandelt: die neue Galerie für zeitgenössische Kunst SVIT. Auch wenn man dazu beinahe detektivische Fähigkeiten benötigt, ist es Radio Prag gelungen die Galerie zu finden und sich in den frisch renovierten Ausstellungsräumen umzusehen und mit der Galeristin und dem – nicht ganz unbekannten – Kurator zu sprechen.

Markus Selg und Zuzana Blochová  (Foto: http://media.rozhlas.cz)
Seit zwei Monaten gibt es die Galerie SVIT in Prag-Smíchov. Gegründet haben sie der Künstler Michal Mánek und die Künstlerin und Kuratorin Zuzana Blochová:

„Wir konzentrieren uns auf die internationale Szene, stellen aber auch tschechische Künstler aus. Es kommt uns gar nicht so darauf an, aus welchen Regionen die Künstler kommen oder wie alt sie genau sind. Wir wollen hier vielmehr einen generationenübergreifenden, internationalen Dialog herstellen“, sagt Zuzana Blochová, die zuvor unter anderem in den Prager Kulturzentren Roxy und Meet Factory als Kuratorin tätig war.

Markus Selg: „Pietà“  (Foto: http://media.rozhlas.cz)
Eröffnet wurde die Galerie SVIT im August mit der Ausstellung „Pietà“ des deutschen Künstlers Markus Selg. Die zweite Ausstellung stand dann im Zeichen der tschechischen Kunst, wie Galerie-Gründerin Blochová im Radio-Prag-Interview erläutert:

„Unser Schwerpunkt liegt auf der zeitgenössischen Kunst. Aber wir haben hier auch eine Ausstellung aus dem Jahr 1988 rekonstruiert. Das war eine Schau mit Werken von Martin John, Jiří Kovanda und Vladimír Skrepl. Edith Jeřábková hat sie als Kuratorin rekonstruiert. Das heißt, es gab hier auch schon Kunst zu sehen, die vor 20 Jahren entstanden ist.“

Rekonstruierte Ausstellung aus dem Jahr 1988 mit Werken von Martin John,  Jiří Kovanda und Vladimír Skrepl  (Foto: www.rozhlas.cz)
Zurzeit und noch bis Ende November sind in der Galerie SVIT Fotografien des österreichischen Künstlers Erwin Kneihsl zu sehen. Zusammengestellt hat die Schau der freie Kurator und langjährige Leiter der Hamburger Deichtorhallen, Zdeněk Felix. Er hat uns auf einem Rundgang durch die Ausstellung begleitet und erklärt zu Beginn der Tour den starken Tschechien-Bezug der Fotos.

„Die Ausstellung hat durchaus einen Bezug zu Tschechien. Und zwar deshalb, weil Kneihsl von Wien aus oft nach Brünn gefahren ist, wo er die Architektur 1920er- und 1930er-Jahre entdeckte. Zum Beispiel Mies Van der Rohes berühmte Villa Tugendhat. Und diese Architektur hat es ihm angetan, wie man so sagt. Er hat sich dann mit den unterschiedlichen Formen dieser modernen Architektur auseinandergesetzt und hat versucht, sie in mehreren Zyklen – diese Ausstellung zeigt nur einen Ausschnitt daraus – zu vergegenwärtigen; auf seine spezifische Art und Weise. Es ist keine Dokumentarfotografie. Es ist eine Interpretation. Das ist der eine Bezug zu Tschechien. Der andere ist, dass Kneihsl im zweiten Teil der Ausstellung das Thema Alchimie aufnimmt und zwar geht es ihm darum, dass in Prag ja seinerzeit der Sitz des berühmten Rudolf II. war, der zu den Förderern der Alchimisten gehörte. Und wir stehen gerade in einem Raum, wo verschiedene Motive gezeigt werden, die sich in den Augen des Künstlers gerade auf das Thema Alchimie beziehen.“

Erwin Kneihsl: „Akademie der Wissenschaften in Riga“  (Foto: www.svitpraha.org)
Sehen wir uns einige dieser Motive an in diesem Raum, in dem wir gerade stehen. Dort, an der Wand, in Orange und Schwarz gehalten, etwas unscharf, das sieht aus wie eine Rakete…

„Ja, diese Rakete ist eine echte Rakete aus dem Zweiten Weltkrieg, aus Peenemünde, die Kneihsl vor Ort fotografiert hat. Das ist die berühmt-berüchtigte V2-Waffe, die dort im Modell ausgestellt ist. Und die steht für ihn im Kontext der Alchimie für das Thema Feuer und Wärme. Wir haben hier aber auch Aufnahmen von Meereslandschaften; die stehen selbstverständlich für das Thema Wasser und Feuchtigkeit. Und wir haben hier zum Beispiel verschiedene Aufnahmen von der Sonne, die stehen wiederum im alchimistischen Zusammenhang für Licht, für Luft und auch gewissermaßen wieder für Wärme und Energie. Man kann also sagen, dass sich der ganze Komplex hier dem Thema Alchimie im symbolischen Sinne widmet. Natürlich ist Kneihsl selbst kein Alchimist, aber er versteht sich als Künstler, der die Transmutation, die Verwandlung von Elementen betreibt.“

Erwin Kneihsl: „Berge mit Schnee“  (Foto: www.svitpraha.org)
Wir sehen als weitere Motive noch einen schneebedeckten, oder wie man so schön sagt, „angezuckerten“ Berg. Und dort drüben grinst uns aus einem Leuchtkasten ein Affe an.

„Der Affe ist hier ein wenig eine Erinnerung an Wien. In Wien gibt es ja Sammlungen von ausgestopften Tieren, die der letzte österreichische Kaiser geschenkt bekommen hat, die dann für ihn präpariert wurden und die dort bis heute geblieben sind. Dieser Affe gehört da einfach dazu. Das ist auch eine ein wenig humorvolle Anspielung darauf, dass die Alchimie, wenn man so will, natürlich auch ein bisschen ein Humbug war. In einem gewissen Sinne zumindest. Es ist ja nicht so, dass die Alchimisten eine reine Wissenschaft betrieben haben. Auf der anderen Seite wäre es falsch zu denken, dass die nur den Stein der Weisen oder das Gold gesucht haben, sondern sie haben sich bemüht, auch bestimmte innere Zusammenhänge der Materie zu erforschen. Das ist bei Kneihsl, glaube ich, das Wichtige; dass er sich bemüht, diesen Erforschungen der Alchimisten auf die Spur zu kommen.“

Erwin Kneihsl: „Super Rodtschenko“  (Foto: www.svitpraha.org)
Soweit zur Alchimie. Gehen wir in den Nebenraum und sehen uns noch die Architektur aus Brünn an. Wir sehen hier ihn Weiß gerahmt Schwarzweiß-Fotografien von den berühmten funktionalistischen Bauten. Was dabei sofort ins Auge sticht: Während diese Bauten ja durch ihre klaren, scharfen Linien bestechen, sind diese Fotos hier alle ein bisschen unscharf.

„Sehr richtig. Diese Beobachtung kann ich nur bestätigen, denn Kneihsls Methode ist eine Methode er Unschärfe. Er versucht durch seine Aufnahmen, die er mit einer alten Analog-Kamera macht, mit einer Plattenkamera sogar, die Gegenstände zwar festzuhalten, wie sie in der Wirklichkeit erscheinen. Aber durch die Bearbeitung im Labor, in der Dunkelkammer schafft er eine Unschärfe, die den Gegenständen ihre Konturen verwischt und wo man dann das Gefühl hat, der Fotograf hätte keine richtige Linse gehabt. Aber das macht er natürlich ganz absichtlich. Ähnlich wie bei den alchimistischen Motiven versucht Kneihsl die Seele der Gebäude festzuhalten. Es geht ihm also nicht um die Dokumentation, da gibt es ja viele Bücher, die solche Bauten dokumentieren, sondern es geht ihm um die künstlerische Fassung eines gewissen Profils dieser Bauten und er sieht sie ja auch gewissermaßen in einer vermenschlichten Form. Er betreibt also auch eine Art Psychologie der Darstellung dieser Bauten.“

Erwin Kneihsl: „Psalm“  (Foto: www.svitpraha.org)
Documents Wenn wir uns jetzt umdrehen in diesem Raum, das steht auf einem grau gestrichenen Sockel ein großes Buch, da ist zu lesen: „The great glorification book of Brno villas. Kneihsl. Ich und Du“.

„Dieses Buch ist Teil eines Zyklus, an dem Kneihsl schon längere Zeit arbeitet. Er stellt seine Aufnahmen nicht nur in diesen spezifischen weißen Kästchen aus, die wir gerade gesehen haben, sondern er stellt auch Bücher her, die er selber mit fertigen Fotos illustriert. Das heißt, das sind Unikate. Dieses Buch ist ein Kunstwerk und wenn man darin blättern könnte, dann würde man die Fotos direkt in die Hand bekommen. Das ist sozusagen ein Buch und Kunstwerk zugleich, das einen Einblick in die schöpferische Methode des Künstlers ermöglicht, der sich schrittweise den Bauten nähert, sie dann von verschiedenen Seiten darstellt und durch diese spezielle Bearbeitung im Labor, über die wir gesprochen haben, diese Unschärfe schafft und dadurch quasi ein neues Bild dieser alten Architektur vermittelt.“

Erwin Kneihsl: „Wittgenstein“  (Foto: www.svitpraha.org)
Das Buch ist ganz offensichtlich ein Unikat, mit zwei großen Klammern werden die Seiten zusammengehalten, es ist in der Mitte aufgeschlagen und es sind wirklich echte Fotos drinnen, die sich auch ein wenig biegen. Man sieht also, es ist ein lebendiges Werk. Kommen wir noch zur Technik, die Kneihsl benützt. Wir haben schon kurz darüber gesprochen. Er fotografiert nahezu ausschließlich analog. Und er verwendet ganz spezielle Kameras.

„Das ist sein Vorzug, weil er ist ja Schüler einer der besten Fotoschulen in Österreich, der staatlichen Fotografieanstalt, wo er das Handwerk wirklich von der Pieke auf erlernt hat. Er hat mit den einfachsten Arbeiten angefangen und hat sich hochgearbeitet bis zu den kompliziertesten Techniken. Er beherrscht sämtliche prozessualen Arbeiten im Labor. Also gehört er zu denjenigen, die die analoge Fotografie noch in jeder Hinsicht als Beruf beherrschen und er meidet bewusst die neuzeitliche Digitalfotografie, weil sie es ihm zu wenig erlaubt, sich in Ruhe und konzentriert seinen Motiven, den Bauten, den Landschaften, zu nähern. Und deshalb hat er mir auch erklärt, dass für ihn die analoge Fotografie mehr oder weniger die Bedingung für seine künstlerische Arbeit ist.“


Die Ausstellung „Erwin Kneihsl – TWO“ ist bis Ende November in der Galerie SVIT in Prag-Smíchov zu sehen. Nähere Informationen finden sie auf den Internetseiten der Galerie: www.svitpraha.org