Regisseur Taddicken in Karlsbad: „Ich sehe meinen Film hier mit anderen Augen“

Foto: Eva Turečková

Das Internationale Filmfestival in Karlovy Vary / Karlsbad geht an diesem Sonntag zu Ende. Im Hauptwettbewerb hat auch ein deutscher Film seine Weltpremiere erlebt: das Liebesdrama „Gleißendes Glück“ mit Ulrich Tukur und Martina Gedeck in den Hauptrollen. Radio Prag hat in einem Café von Karlsbad mit dem Regisseur Sven Taddicken gesprochen. Unter anderem darüber, wie man ein Literaturwerk verfilmt und wie der Film beim Publikum in Deutschland und in Karlsbad angekommen ist.

Foto: Eva Turečková
Herr Taddicken, Sie haben gerade Ihren Film „Gleißendes Glück“ beim Filmfestival in Karlsbad vorgestellt. Worum geht es in Ihrem Film?

„‘Gleißendes Glück‘ ist, sehr knapp gesagt, eine Liebesgeschichte, ein Liebesdrama zwischen zwei sehr erwachsenen Menschen. Und zwar es geht einmal um Helene Brindel – eine Hausfrau, sie glaubt, dass sie ihren Glauben verloren hat. Sie sucht quasi Hilfe bei einem sehr bekannten Psychologie-Professor, der Bücher schreibt über neue Kybernetik, nämlich dass man das Leben selbst steuern kann, dass man nicht abhängig ist vom Glauben, von äußeren Dingen, dass man alles selbst in der Hand hat. Sie sucht diesen Autoren, diesen Professor auf, ein bisschen wie ein erwachsener Groupie fährt sie ihm auf Konferenzen und Veranstaltungen hinterher. Ihm fällt diese Frau wieder auf, und er verliebt sich tatsächlich ein bisschen in sie. Die beiden kommen sich näher. Später wird aber klar, dass er eigentlich ein Psychologe ist, der selbst eine Therapie braucht, nämlich er ist pornosüchtig beziehungsweise sexbesessen im weiteren Sinne. Er findet gerade in dieser zurückhaltenden, fast frommen Frau jemanden, dem man sich zum ersten Mal anvertrauen kann. Das ist eine teilweise lustige, teilweise schmerzvolle und auch zarte Liebesgeschichte, wie sich die beiden Stück für Stück annähern und ihre Dämonen austreiben.“

Sven Taddicken  (Foto: YouTube)
Der Stoff, die Story basiert auf einem Roman von einer schottischen Schriftstellerin. Wie sind Sie auf diesen Roman gestoßen? War das ein Zufall, oder haben Sie nach einem Thema für einen Film gesucht?

„Das war wirklich ein Zufall und auch ganz lustig. Ich habe den Roman selbst gelesen und war sehr berührt von dieser Geschichte. Ich dachte, ich würde sehr gerne mal einen Film in dieser Richtung machen. Ich habe dann das Ganze wieder weggelegt und auch vergessen. Ungefähr fünf oder sechs Wochen später hat mich ein befreundeter Produzent angerufen, nämlich Alexander Bickenbach von Frisbeefilms, der zu mir sagte: ‚Mensch, wir erhalten gerade Verfilmungsrechte für einen Roman, das könnte etwas für dich sein.‘ Dann dachte ich, dass das jetzt wahrscheinlich ein Wink des Schicksals ist und ich nicht einen Film machen sollte, der ähnlich ist, sondern ich müsste genau dieses Buch verfilmen. So kamen wir zusammen. Ich habe es per Zufall entdeckt, aber ich bin auch sehr dankbar, dass die Produzenten mich angestoßen haben, diesen Film wirklich zu machen.“

„Die Literatur kann viel mehr in die Tiefe gehen, die Kraft des Filmes liegt in der Spannung.“

Das belegt, dass dieser Stoff wahrscheinlich wirklich für einen Film gut geeignet ist, wenn das mehreren Menschen eingefallen ist, daraus einen Film zu machen…

„Ich denke schon. Es ist eine faszinierende Geschichte mit drei wirklich sehr interessanten und sehr ausgearbeiteten Figuren. Trotzdem war es nicht so einfach, aus dem Roman ein Drehbuch zu machen. Denn bei dem Original ‚Original bliss‘ von A. L. Kennedy funktioniert die Geschichte sehr über innere Monologe. Die Erzählerin beschreibt die inneren Welten der Hauptfigur Helene Brindel sehr genau, auch sehr lustig, sehr ironisch, und das habe ich im Film ja alles nicht. Ich finde, der Film ist im Gegensatz zur Literatur sehr zweidimensional. Ich glaube, dass die Literatur viel mehr in die Tiefe gehen kann, und dass die Kraft des Filmes eine andere ist: Sie liegt in der Spannung. Man hat zwei Figuren auf der Leinwand, die beide etwas voneinander wollen, und man fragt sich, wie das ausgeht: Wird jemand gewinnen? Werden sie zusammenfinden? Wird jemand überzeugt werden? Das ist eine Spannung zwischen zwei Polen. Das heißt, man muss einfach Dialoge finden und Situationen schreiben, die die Ironie und den Spirit des Romans eben übertragen können – so dass ich an den gleichen Stellen lache, obwohl ich nicht die lustigen Texte habe, die im Roman stehen.“

Foto: Verlag Vintage
„Gleißendes Glück“ ist nicht Ihre erste Literaturverfilmung. Macht das Ihnen Spaß, gerade nach dieser Spannung zu suchen, nach dem Weg, wie aus einem literarischen Werk ein Film entsteht?

„Schwer zu sagen. Gut, das ist das zweite Mal, wahrscheinlich gefällt es mir doch ganz gut. Wobei ich glaube, mir ist beides sehr wichtig. Es ist ein großes, unbeschreibliches Glücksgefühl, wenn ich selbst eine Idee habe, das Drehbuch schreibe und das verfilme – und der Film gut wird. Gleichzeitig, wenn ich ein Buch verfilme, habe ich das Gefühl, dabei lerne ich mehr, das bringt mich weiter, weil ich eine Geschichte verfilme, die mir nicht eingefallen wäre, aber bei der ich trotzdem nach der richtigen Filmsprache schauen und mich reindenken muss. Das Eine ist wie ein Training für das Andere.“

Martina Gedeck  (rechts) im Film „Gleißendes Glück“  (Foto: YouTube)
Sie haben hervorragende Schauspieler in die Hauptrollen besetzt. Wollten Sie von Anfang an gerade Martina Gedeck und Ulrich Tukur für den Film gewinnen?

„Wir haben immer von den beiden geträumt. Wir haben immer gedacht: Mensch, es wäre toll, wenn die beiden das spielen würden. Aber wir haben uns lange nicht getraut, ihnen das Drehbuch zu schicken. Auch weil ich mir nicht sicher war, ob das Drehbuch gut ist. Dass es tatsächlich geklappt hat, ist schon erstaunlich. Das war einfach wunderbar.“

„In Karlovy Vary ist der Blick neutraler. Da sehen die Leute weniger Martina Gedeck und Ulrich Tukur, sondern mehr Helene Brindel und Eduard Gluck, die Figuren.“

Sie haben diesen Film vor wenigen Tagen in Deutschland präsentiert, beim Filmfest München. Jetzt hat er seine internationale Premiere in Karlsbad erlebt. Können Sie die Reaktionen dort und hier vergleichen?

„Es war schon interessant. Auf beiden Festivals kam der Film sehr gut an. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich bin natürlich erleichtert, wenn ein Film gemocht wird. Man merkt schon den Unterschied, dass natürlich Martina Gedeck und Ulrich Tukur in Deutschland sehr bekannt sind. Man merkt, dass die vielen selbstreferentiellen Texte von Ulrich Tukur, er hat ja sehr viel Dialog und auch sehr viel lustigen Dialog, in Deutschland sofort verstanden werden und auch sehr gemocht werden. Man freut sich einfach über Sachen, die er spielt. Da habe ich fast das Gefühl, dass hier in Karlovy Vary der Blick ein bisschen neutraler ist, was ich interessant finde. Da sehen die Leute weniger Martina Gedeck und Ulrich Tukur, sondern mehr Helene Brindel und Eduard Gluck, die Figuren. Ich glaube aber, der Film funktioniert in beiden Fällen. Wenn man bekannte Schauspieler besetzt, dann geschieht das mit Kalkül: ‚Wäre es nicht toll, diesen guten Schauspieler mal in einer etwas anderen oder wieder in einer guten Rolle zu sehen?‘ Ich glaube, dass das auch zum Genuss des Films beiträgt.“

„Gleißendes Glück“  (Foto: YouTube Kanal des Internationalen Filmfestivals in Karlsbad)
Der Film sollte eigentlich – wie ich gehört habe – im Herbst in Venedig international präsentiert werden. So sollen es sich die Produzenten vorgestellt haben. Aber wie mir der Programmleiter von Karlsbad erzählt hat, hat er sich sehr dafür eingesetzt, „Gleißendes Glück“ für das Filmfestival hier zu gewinnen. Wie wichtig ist es für einen Film, wo er zum ersten Mal gezeigt wird?

„Das ist immer verrückt: Ich selbst habe den Film bestimmt fünfzig- oder hundertmal gesehen, als ich ihn geschnitten und die Musik draufgelegt habe. Aber wenn ich dann in so einem großen Saal sitze, mit 1200 fremden Menschen, dann sehe ich den Film auf einmal mit ganz neuen Augen. Mir fallen Sachen auf, die ich vorher nicht gesehen habe. Für einen Filmemacher ist es immer ein großes Geschenk, auf einem Festival zu sein und diese Rückmeldung zu bekommen. Was die unterschiedlichen Festivals angeht, da halte ich mich jetzt raus. Natürlich träumen die Produzenten von vielen Sachen, aber nein: Es war, glaube ich, einfach richtig, sich für die deutsche Ausweitung in München zu präsentieren und direkt danach in Karlovy Vary zu sein. Ich glaube, wenn die Filme fertig sind, muss man sie dem Publikum einfach zeigen. Es lohnt sich nicht so sehr, da jetzt noch zu pokern und ein halbes Jahr auf ein anderes Festival zu warten.“

Foto: Eva Turečková
Sind Sie zum ersten Mal beim Festival in Karlsbad?

„Ich bin das erste Mal in Karlovy Vary und auch das erste Mal beim Festival. Es ist sehr schön hier.“

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