Kulturphänomen, das viele Tschechen geprägt hat (1. Teil)

Der unverkennbar aus dem amerikanischen Englisch stammende Begriff "Tramping" ist schon längst in einer leicht modifizierten Variante zum Bestandteil der tschechischen Schriftsprache geworden. Kein Wunder, denn er steht für ein Phänomen, das aus dem Leben vieler Tschechen mehrerer Generationen nicht mehr wegzudenken ist.

Erlauben Sie mir gleich zu Beginn eine Inhaltserläuterung zum Begriff "Tramp" im englisch- und tschechischsprachigen Kulturraum. Der amerikanische und der tschechische Tramp sind nämlich zwei von Grund auf unterschiedliche Menschentypen. Während auf den ersteren Synonyme wie Landstreicher, Vagabund, Stromer zutreffen, ist der tschechische Tramp jemand, der seine Freizeit in der Natur verbringt und wandert. Das zumeist aber nicht allein, sondern mit einer Gruppe von Gleichgesinnten. Zu seinem Grundequipment gehören der Rucksack, früher auf jeden Fall mit Kalbsfellbezug versehen, und die Gitarre, denn abends sitzt er stundenlang am Lagerfeuer, spielt und singt Tramplieder - über Freundschaft, das geliebte Mädchen oder über ihre Lieblingsflüsse, den Sternenhimmel und über vieles andere mehr.

Die Moldau, Berounka, Sazava und Kocaba waren die vier beliebtesten Flüsse Mitteböhmens, an denen sich die Tramps regelmässig trafen. In ihrer Sprache hießen sie aber anders: Großer Fluß, Alter Fluß, Goldener Fluß und Schlangenfluß. Das Trampwesen bedeutete aber viel mehr als nur der Aufenthalt in der Natur. Für seine Anhänger war es ein Lebensstil, einschließlich der Bekleidung. Die Inspiration fanden sie bald nach dem 1. Weltkrieg in der amerikanischen Westernliteratur und auch in Filmproduktion und ihren Helden - Cowboys, Goldgräber und Abenteurer.

Kenner der Tramping-Szene sprechen von unterschiedlichen Entwicklungsetappen. Seit 1920 gab es die Cowboy-Periode: Getragen wurden bunte Hemden, Scherriffabzeichen, Revolveretuis wie auch Jacken und Hosen, die mit Fransen verziert waren. An den erwähnten Flüssen bauten die Tramps die ersten Holzhütten, die - wie könnte es anders sein - auch in zahlreichen Liedern besungen wurden.

Von 1927 an spricht man von einer "kanadischen Periode" des Trampings. Damals wurden bereits die ersten Zeitschriften für die Anhänger dieser Bewegung herausgegeben. Die Gegend rund um Prag war in dieser Zeit schon von den Tramps übervölkert, daher weiteten sie ihren Aktionsradius auf neue Gebiete aus. Ihre Camps, wo man unter freiem Himmel oder in Zelten übernachtete, und die kleinen Hüttensiedlungen wurden zunehmend auch in anderen Gebieten des Landes gegründet. Neben dem Zug entdeckte man auch das Kanu als Transportmittel. Die Romantik der Kanufahrt war ein beliebtes Motto vieler Lieder:

Der nonkonforme Lebensstil der Tramps war allerdings einigen Menschen ein Dorn im Auge. Hugo Kubat, Politiker der damaligen Agrarpartei, erliess im Frühjahr 1931 als Präsident der böhmischen Landesbehörde eine Verfügung, im Volksmund als "Kubat-Gesetz" bezeichnet, mit der das Tramping verboten wurde. Allerdings nur in Böhmen, nicht in Mähren und der Slowakei. Die Anhänger der Trampingsbewegung wollten sich damit aber nicht abfinden. Nach vier Jahren heftiger Proteste wurde das so genannte "Lex Kubat" außer Kraft gesetzt. Nach der Besetzung des Landes durch die deutschen Nationalsozialisten wiederholte sich die Geschichte. Direkt im März 1939 wurden alle Trampklubs verboten und die traditionellen Trampingsgebiete wurden kontrolliert.

Nach dem Krieg gab es ein kurzes Durchatmen, bis 1948. Nach dem kommunistischen Putsch im Februar 1948 griff die neue Macht zu repressiven Kontrollmaßnahmen. Als bei Slapy, in der Nähe von Prag, eine neue Talsperre gebaut wurde, fiel ihr manche Trampsiedlung zum Opfer, unter anderem auch der Ort Svatojanske proudy. Das Organ der kommunistischen Partei "Rude pravo" schrieb dazu:

"In der Zeit zwischen den Weltkriegen, als die Menschen vor der düsteren Realität der Wirtschaftskrisen, der Hungersnot und der Arbeitslosigkeit in eine zweifelhafte Romantik flüchteten, die sie von ihrem unerfreulichen Leben ablenken sollte, wurde der Ort Svatojanske proudy zum El Dorado der so genannten Tramps. Als amerikanische Viehhirten - Cowboys - gekleidet sangen sie dort Lieder darüber, wie irgendein Mädchen in die Siedlung gekommen sei und sagte: ´Hört auf zu spielen und zu singen Kameraden, meine Pistolen sind schon kühl´, und noch mehr von diesem Unsinn, der von der spießbürgerlichen Gesellschaft aus Angst darüber verbreitet wurde, dass die Menschen auch andere Lieder singen könnten, nämlich Kampflieder gegen den Kapitalismus."

Der "Unsinn", wie die Rude pravo das vom Tramping untrennbare, nämlich die Musikproduktion bezeichnete, hat bis heute überlebt. In welcher Form, das können sie in vier Wochen in einem neuen Kultursalon erfahren. Dann aber von einem heutigen Tramp.