Jan Werich - künstlerisches Schlitzohr in Theater, Film und Literatur

Jan Werich

Theater- und Filmschauspieler, Dramatiker, Drehbuchautor, Schriftsteller, Liedermacher – das und noch vieles mehr war Jan Werich. Am 31. Oktober jährt sich sein Todestag. Doch wenn von ihm die Rede ist, muss unbedingt noch ein anderer Name erwähnt werden: Jiří Voskovec. Die beiden bildeten ein Künstlerduo, das durch enge Freundschaftsbande gestärkt wurde. Ins Gedächtnis vieler Tschechen haben sie sich unter dem Kürzel „V+W“ – Voskovec, Werich - eingeprägt. Ihr künstlerisches Schaffen war eine Zeitlang sogar noch mit einer dritten Persönlichkeit verknüpft - mit dem Komponisten Jaroslav Ježek. Aus seiner Feder stammten die meisten der bis heute bekannten Melodien der „V+W“-Liedertexte.

Kennengelernt haben sich Voskovec und Werich, beide Jahrgang 1905, an einem Prager Gymnasium. 1926 kamen sie im Theater zusammen, das in Prag unter dem Namen „Befreites Theater“ (Osvobozené divadlo) ein bedeutendes Kapitel der tschechischen Kulturgeschichte begründete. Im April des darauf folgenden Jahres fand die Premiere ihres dadaistisch gezeichneten Stücks „Vest pocket revue“ statt. An ihrer Produktion beteiligte sich auch Jaroslav Ježek als Komponist. Für alle drei ist es der Startschuss zu ihrer künstlerischen Laufbahn. In ihrer Werkstatt entstehen weitere erfolgreiche Theaterproduktionen, in denen Werich und Voskovec als Autoren und Schauspieler ausdrucksstark, mal augenzwinkernd, mal ironisch und bissig, die Widersprüchlichkeiten ihrer Zeit kommentieren oder Lächerlichkeiten des Alltags karikieren.

Nach den durch Dadaismus, Futurismus oder Poetismus beeinflussten Vorstellungen beginnt für Werich und Voskovec eine neue Etappe ihres Schaffens. Mit zunehmender Zungenschärfe ziehen sie alle Register von Scherz, Satire und tiefgründigem Hintersinn. Im Oktober 1933 wurde ihr Stück „Der Esel und der Schatten“ uraufgeführt.

Die scharfe Satire auf das damalige Nazideutschland stieß auf großen Unwillen der Prager Kritiker. Im Stück spricht nämlich der Esel mit der Stimme des deutschen Führers, und so gab es offizielle Proteste auch von der deutschen Seite. Die Namen Werich und Voskovec wurden auf die „schwarze Liste“ der Nationalsozialisten gesetzt - in Deutschland sowie in der Tschechoslowakei.

Eine bissige Politsatire gerichtet gegen den Nationalsozialismus war auch das ein Jahr später gespielte Stück „Der Henker und der Narr“. Die Vorstellungen mit Werich und Voskovec wurden oft durch nationalsozialistisch gesinnte Theaterbesucher gestört. Nach wiederholten Protesten, Demonstrationen und nach Angriffen in der konservativen Presse schlossen die Schauspieler das „Befreite Theater“ freiwillig. An seine Tradition knüpften sie aber bald auf der Bühne eines neuen Theaters mit dem symbolischen Namen „Gefesseltes Theater“ an. Dennoch: Ihre Stücke aus dieser Zeit muss man eher als „entfesselt“ bezeichnen.

„Die Welt gehört uns“
In den 1930er Jahren spielten die „V+W“ auch in mehreren Filmen. Im Januar 1939, wenige Wochen vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in tschechisches Gebiet, flüchteten Jan Werich, Jiří Voskovec und Jaroslav Ježek in die USA. Der Letztere ist dort 1942 an einer schweren Krankheit gestorben. Voskovec und Werich kehrten nach dem Krieg nach Prag zurück, aber nur Werich ist dauerhaft geblieben. Voskovec hat die Zeichen der künftigen Entwicklung in der Tschechoslowakei besser erkannt und ging 1948 zum zweiten Mal in die Emigration, zurück in die USA. Dafür durfte über ihn Jahrzehnte lang weder geredet noch geschrieben werden. Beide Freunde konnten sich später ein paar mal im Ausland treffen und standen bis zu Werichs Tod im Briefwechsel. Ihre Korrespondenz ist erst in den letzten Jahren in drei Bänden herausgegeben worden.

„Morgens stehe ich auf und gehe ins Badezimmer. Beim Blick in den Spiegel möchte ich lieber wieder schlafen gehen. Es ist nämlich ein komischer Mensch, der mich aus dem Spiegel anschaut...“

So schilderte Jan Werich in einem seiner Auftritte im Tschechoslowakischen Rundfunk den Beginn eines neuen Tages: Beim Durchblättern der Tagespresse finde er lauter Berichte über Katastrophen und Tragödien. Nur nebenbei erwähnt er die sowjetische Presseagentur TASS - auch die bringe nichts und wieder nichts Lustiges. Er schlussfolgert mit einem Zitat von Erich Kästner:

„Das Leben ist immer lebensgefährlich.“

Und so sei es schon seit eh und je gewesen. Weder in der Vorkriegs-, noch in der Nachkriegstschechoslowakei war Werich immer auf Rosen gebettet. Nach seiner Rückkehr aus den USA gab es hierzulande keinen Spielraum mehr für politische Satire. 1961 musste er das Prager ABC-Theater verlassen, das er fünf Jahre geleitet hatte. Die Situation hat sich für eine kurze Zeit erst im politischen Tauwetter des so genannten Prager Frühlings verändert. Der seit den 1920er Jahren in Wortspielerei geübte Stegreif-Artist der Improvisation, Jan Werich, konnte wieder viele Comeback-Sternstunden erleben. Als Schauspieler, als Erzähler und Talkmaster in Rundfunk und Fernsehen.

Dieser Tage erinnerte sich im Tschechischen Fernsehen die 85-jährige Opernsängerin Soňa Červená an Jan Werich, mit dem sie Anfang der 1950er Jahre im Theater zusammenarbeitete. Man sei zwar miteinander auf Distanz gewesen, er habe sie aber überrascht:

„Er war ein Theaterkönig und auch ein Idol vieler Frauen. Ich war damals nur ein Theaterhase. Eines Tages wurden mir - völlig unerwartet - jegliche Auftritte in der Öffentlichkeit durch die Geheimpolizei StB verboten. Werich entschied sich, für mich zu kämpfen. Er hat mir auch gesagt, was ich nie vergessen werde: ´Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen, ins Ausland zu kommen.´ Wissen Sie, welche Gefahr er einzugehen bereit war?“

Soňa Červená hat aber Werich und sein Theater erst zehn Jahre später verlassen. In die Emmigration ging sie erst 1961 – und zwar als eine der letzten über die Grenze zwischen Ost- und Westberlin.

Geben wir jetzt dem Theaterwissenschaftler Vladimír Just das Wort, dem Koautor eines Buches über Werich und Voskovec:

„Werich war meiner Meinung nach einer der genialsten Komiker, die wir je gehabt haben, ein guter Autor und ein sehr guter Schriftsteller, was insbesondere in der Zeit deutlich wurde, als er nicht als Schauspieler auftreten durfte.“

Mit seinem Märchen „Fimfarum“, das auch verfilmt wurde, seinen Reisebüchern und Essays über die Kunst der Clownerie hat Werich nicht nur nach Meinung von Vladimír Just das Niveau des international geschätzten Karel Čapek erreicht. Just schätzt ebenso hoch die Dialoge, die oft als Improvisationseinlagen entstanden und mit denen Werich und Voskovec ihre Stücke „garnierten“. Vladimír Just:

„Die ganze Bandbreite ihrer Clownerien in Stücken wie ´Die Welt gehört uns´, ´Hau rück!´ und anderen ist bis heute lebendig geblieben. Darin haben beide ihren künstlerischen Höhepunkt erreicht, der auch mit Chaplins Nummern mithalten kann. Vieles andere ist aber schon tot, was politisch zu einseitig oder schematisch war.“

In den 1970er Jahren hat sich der populäre und geschätzte Künstler Jan Werich immer mehr in das Private zurückgezogen. In den letzten Jahren seines Lebens war er schwer krank. Als Kettenraucher litt er an Halskrebs und konnte nur schwer sprechen. In einem Fernsehportrait erinnerte sich an ihn auch der tschecho-amerikanische Filmregisseur Miloš Forman. Jan Werich schickte ihm 1977 eine Neujahrskarte, auf der unter anderem zu lesen war:

Das Schicksal sitze ihm im Nacken. Doch wenn es glaube, dass er – Werich – sich in die Hose machen würde, dann sei es ein Trottel.

Jan Werich starb am 31. Oktober 1980 im Alter von 75 Jahren. Sein Freund Jiří Voskovec überlebte ihn nur acht Monate.