Jahr der deutschen Sprache auf den Prager Radiowellen

Das italienische Jahr, das französische, das spanische und das britische Jahr. Den Hörerinnen und Hörern des Kultursenders des Tschechischen Rundfunks, der Station Vltava, sind diese Sendungen ein Begriff. Die Tradition der auf eine Sprache und Kultur bezogenen Ausstrahlungen wird 2011 mit dem „Jahr der deutschen Sprache“ fortgesetzt.

„Das Jahr der deutschen Sprache“: Unter diesem Titel bringt der Kultursender des Tschechischen Rundfunks, die Station Vltava, während des ganzen Jahres Sendungen, die der Kultur, Kunst und Geschichte der deutschsprachigen Länder gewidmet sind.

„Wir möchten die Kultur in verschiedenen Ländern, wo bis heute deutsch gesprochen wird, unseren Hörern vorstellen und präsentieren. Wir möchten unsere Republik, unser Land in verschiedenen Zusammenhängen vorstellen. Und die deutsche Sprache ist ein bisschen unser Mittel.“

„Wir konzentrieren uns in allen Genres der Vltava-Sendungen auf die deutschsprachige Kultur, das heißt auf Literatur, Theater, klassische Musik und Jazz sowie Dokumentationen. Wir haben den Ehrgeiz, uns auch mit Lücken in der Geschichte zu befassen, gleichzeitig aber auch die Kultur der Gegenwart vorzustellen.“

Jiří Kamen
Mit diesen Worten beschreiben zwei Mitarbeiter des Senders, der Leiter der Redaktion für Dokumentationen und Sonderprojekte Jiří Kamen und die Redakteurin Eliška Závodná, das Konzept.

Wie bereits erwähnt, wurden andere Sprachen und Länder in den vergangenen Jahren erörtert – Italien, Spanien, Frankreich und Großbritannien. Doch die Stellung der deutschen Kultur und Geschichte in Bezug auf Tschechien ist einzigartig und hat ihre Besonderheiten. Jiří Kamen:

Eliška Závodná  (Foto: Marek Illiaš,  Tschechischer Rundfunk)
„Erstens widmen wir uns nicht nur der deutschen, sondern auch der österreichischen und der Schweizer Kultur. Eine weitere Besonderheit ist, dass die tschechische Kultur mit der deutschen Kultur sehr enge Beziehungen hat. Man findet da andere Zusammenhänge als bei den Ländern, denen unsere früheren Projekte galten. Und eine besondere Aufmerksamkeit widmen wir der auf Deutsch geschriebenen Literatur, die auf dem Gebiet Böhmens, Mährens und Schlesiens entstanden ist.“

Spezifisch ist nach Eliška Závodná auch das Verhältnis zwischen der deutschen und der tschechischen Sprache:

„Ich meine, das Spezifische an der deutschen Sprache ist die Vielfältigkeit. Wir können verschiedene Länder vorstellen und auch verschiedene Sprechweisen. Was unsere Hörer sehr interessiert, sind die Einflüsse des Tschechischen auf die deutsche Sprache in Österreich. Diese Einflüsse haben einen gewissen Reiz für uns. Denn man sagt immer, das Tschechische hat anderen Sprachen ein paar Wörter gegeben, wie zum Beispiel das Wort ´robot´ von Karel Čapek. Man sagt, es gibt verschiedene Einflüsse, in Wien ist es am markantesten: Sehr viele Wörter sind ins Deutsche übergegangen sind, was sehr interessant ist. Mehr als wenn man zum Beispiel über das Französische oder Englische spricht. Und wenn wir von der Geschichte sprechen, müssen wir sagen, dass es zum Beispiel in Prag eine große Schicht deutschsprachiger Prager gab. Und ihre Sprache hat auch verschiedene Einflüsse sowohl auf die tschechische als auch auf die deutsche Kultur ausgeübt.“

Martin Velíšek  (Foto: Jarka Šnajberková,  Týdeník Rozhlas)
Die Präsenz der deutschsprachigen Kultur auf dem Gebiet Tschechiens sowie die tschechisch-deutschen Beziehungen nehmen eine besondere Stellung in den Sendungen des „Jahres der deutschen Sprache“ bei Vltava ein. Der Dramaturg Martin Velíšek:

„Einen Zyklus widmen wir zum Beispiel den deutschen Malern, die in den böhmischen Ländern gelebt haben oder in tschechischen Sammlungen vertreten sind, einen anderen den deutschsprachigen Architekten in Prag und im Grenzgebiet. Wir haben eine Serie über deutsche Industrieunternehmer in Böhmen gesendet. Und natürlich können wir die deutschsprachige Literatur nicht auslassen, handle es sich um Franz Kafka, Max Brod und weitere. Auch diese Literatur ist selbstverständlich vertreten.“

Erica Pedretti
Es gibt eine ganze Reihe von sozusagen „tschechisch-deutschen“ Themen – man liest auf den Vltava-Wellen aus dem Buch der aus Mähren stammenden Schweizer Schriftstellerin Erica Pedretti, man widmet sich dem Erinnerungsbuch ´Mein Prag´ des in Prag geborenen US-amerikanischen Germanisten Peter Demetz und weiteres mehr. Aber auch die Weimarer Klassik hat mit Böhmen viel zu tun. Goethes Aufenthalte in Böhmen und seine Kontakte mit in Böhmen lebenden Persönlichkeiten wie Kaspar von Sternberg sind hierzulande fast schon Legende geworden. Jiří Kamen:



Johannes Urzidil: ´Goethe in Böhmen´
„Anfang März widmen wir eine dreistündige Wochenendsendung Goethe, konkret dem Thema Goethe in Böhmen. Wir werden zunächst aus dem Buch von Johannes Urzidil ´Goethe in Böhmen´ lesen, das kürzlich auf Tschechisch erschienen ist. Und eine Auswahl von Leseproben richtet sich auf Goethes Roman ´Wahlverwandtschaften´, weil Goethe die Arbeit an diesem Roman in Böhmen begonnen hat. Und auch die böhmische Landschaft fand sozusagen ihren Platz in diesem Roman. Und nach dieser Lesung führen wir Wahlverwandtschaften als Hörspiel auf.“

In eine andere Richtung geht eine Serie, die nach Spuren der Tschechen im deutschsprachigen Ausland sucht.



Wien im 19. Jahrhundert  (Bild von Rudolf Ritter von Alt)
„Eine unserer Mitarbeiterinnen, eine Historikerin, arbeitet mit Wiener Historikern eng zusammen. Sie widmet sich verschiedenen geschichtlichen Zusammenhängen im 19. Jahrhundert. Wie z. B. der Problematik der Tschechen, die im 19. Jahrhundert als Studenten nach Wien gegangen sind und dort eine große oder eben eine nicht so glänzende Karriere gemacht haben. Ich habe hier sogar ein paar Tagebücher, die wir teils übersetzen, teils auf Tschechisch vorfinden, und daraus entsteht eine Sendung, die uns fast das ganze Jahrhundert schildert.“



Felix Hartlaub: ´Eine Biographie´
Das Jahr der deutschen Sprache bedeutet nicht nur den Focus auf Themen aus den deutschsprachigen Ländern zu lenken, sondern es bringt sogar das Deutsche auf die Wellen von Radio Vltava. Leseproben und Gespräche erklingen so manchmal in der deutschen Originalfassung:

„Ja, das stimmt. Wir waren zum Beispiel in Wien und haben mit Wahl-Wienern und Wahl-Wienerinnen gesprochen, unter denen es auch Tschechen gibt. Und natürlich auch mit Gebürtigen Wienerinnen und Wienern. Ich glaube, es ist immer gut, auch die Sprache zu hören, weil unsere Höher – manche sogar sehr gut – Deutsch verstehen. Was die Literatur betrifft, haben meine Kollegen auch verschiedene Texte ausgewählt, zum Beispiel ältere deutsche Lyrik, aber auch Gegenwartslyrik, die wir sowohl auf tschechisch als auch auf deutsch hören können. Also beides miteinander.“

Alfred Döblin: ´Berlin Alexanderplatz´
Manche literarischen Werke sind dem tschechischen Leser seit Jahren bekannt und auf Tschechisch zugänglich. Manche Bücher und Theaterstücke werden aber speziell für das Jahr der deutschen Sprache übersetzt beziehungsweise gestaltet, zum Beispiel als Hörspiel. Martin Velíšek:

„Zum Beispiel die Radiolektüre, die eben in dieser Woche gesendet wird, entstand auf Grund der Tagebucheintragungen von Felix Hartlaub, die Ende des Zweiten Weltkriegs geschrieben wurden. Diese Übersetzung wurde bisher nirgendwo anders als bei uns veröffentlicht. Oder wir bereiten zum Beispiel unsere eigene Hörspielbearbeitung des Romans ´Berlin Alexanderplatz´ von Alfred Döblin vor.“

Die Achse des deutschsprachigen Jahres bilden zehnminütige Beiträge, die jeden Tag gesendet werden. Außerdem widmen sich auch viele weitere Programme des Tages der Geschichte, aber auch der heutigen Kultur Deutschlands, Österreichs und der Schweiz.