„Ich hatte fast Tränen in den Augen“ – Martina Bárta singt für Tschechien beim ESC in Kiew

Martina Bárta (Foto: MeeshaCT, Archiv des Tschechischen Fernsehens, CC BY-SA 4.0)

Tschechien und der Eurovision Song Contest – das war bisher ein schwieriges Kapitel. Erst im vergangenen Jahr schaffte ein tschechischer Beitrag den Einzug ins Finale, zuvor war man fünfmal gescheitert. Martina Bárta möchte an den Erfolg von 2016 anknüpfen. In Kiew wird sie mit der Power-Ballade „My Turn“ antreten. Hierzulande gilt die Sängerin als großes Talent im Jazz. Bárta lebt in Berlin, studiert dort an der Jazz-Akademie und konzertiert unter anderem mit ihrer Schwester, einer Jazzpianistin. Bei Vorab-Konzerten in ganz Europa trainiert Martina Bárta nun die große Bühne. Im Interview am Rand eines Presseevents in Tschechien spricht sie über das Leben zwischen Berlin und Prag, mitsingende Fans und ihre tschechischen Landsleute, die dem ESC noch nicht auf den Geschmack gekommen sind.

Martina Bárta  (Foto: MeeshaCT,  Archiv des Tschechischen Fernsehens,  CC BY-SA 4.0)
Martina Bárta, Sie werden Tschechien beim Eurovision Song Contest in Kiew vertreten. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie als Jazzsängerin ausgewählt wurden?

„Das fing Ende Februar an, als mich Jan Potměšil vom Tschechischen Fernsehen angerufen hat. Er fragte mich einfach nur, ob ich Interesse daran hätte, am Eurovision Song Contest teilzunehmen. Ich habe sofort ‚selbstverständlich‘ geantwortet. Das ist schließlich ein Wettbewerb mit viel Prestige. Danach habe ich in Prag die ausgewählten Songs eingesungen, und ein paar Wochen später teilte mir das Tschechischen Fernsehen mit, dass ich ausgewählt wurde. Ich bin sehr froh und nehme das sehr ernst. Ich bin wirklich sehr stolz darauf, dass ich mein Heimatland in der Welt repräsentieren darf.“

Karel Gott 1968  (Foto: YouTube)
Haben Sie den früher den ESC angeschaut, oder eher nicht?

„Na klar. Ich muss sagen, dass in Deutschland dieser Wettbewerb eine große Tradition hat. Auch meine Freunde aus der Jazz-Akademie haben mir häufig davon erzählt, und ich habe dann mit ihnen und weiteren Freunden einige Male den Contest angeschaut. Es gibt ihn ja schon seit 50 oder 60 Jahren. Bis vor kurzem habe ich aber gar nicht gewusst, dass Karel Gott dort 1968 für Österreich mit einem Song von Udo Jürgens aufgetreten ist. Mir hat das vor einem Monat das Team eines deutschen Radios während eines Interviews gesagt – für mich war das ganz neu.“

Der Song Contest ist ja eine ziemliche Pop-Veranstaltung. Stört Sie das nicht?

„Da muss ich Ihnen jetzt widersprechen. Es nehmen so viele Länder und Interpreten teil, und die Auswahl ist so unglaublich bunt, dass ich mich als Jazz-Sängerin dort überhaupt nicht schlecht fühle. Der Vertreter aus Portugal, Salvador Sobral, singt zum Beispiel ein Lied, das deutlich vom Jazz beeinflusst ist. Auch ich bin mit meinem Song sehr zufrieden. Ich singe, wie ich singe, und hoffe, dass das Publikum auch spürt, was ich mit dem Stück sagen möchte.“

„Ich fühle mich auch als Jazz-Sängerin überhaupt nicht schlecht beim Eurovision Song Contest.“

Sie leben seit 2011 in Berlin. Was fasziniert Sie an der Stadt?

„Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich sagen konnte: Ok, Berlin ist meine zweite Heimatstadt. Berlin ist so anders als Prag, die Stadt lebt 24 Stunden am Tag. Ich finde sie sehr bunt und das Kulturleben ist auch interessant. Ich mag diese Stadt. Aber ich bin auch froh, dass ich immer wieder meine Heimatstadt Prag besuchen kann. In drei, vier Stunden ist man ja aus Berlin hier.“

Heimweh haben Sie also nicht…

„Ich wohne dauerhaft in Berlin, aber wegen der Vorbereitungen auf den Eurovision Song Contest bin ich derzeit mehr in Tschechien – trotzdem habe ich meinen Wohnsitz in der deutschen Hauptstadt. Meine Schwester besucht mich auch öfters, wenn wir zusammen in Deutschland auftreten. Ich bin eigentlich im Kontakt mit meiner Familie und mit meinen Freunden aus der tschechischen Musikbranche. Ich möchte die Kontakte auch nicht aufgeben.“

Normalerweise treten Sie in kleineren Clubs auf oder in mittelgroßen Konzertsälen. Haben Sie keinen Bammel vor der Riesen-Bühne in Kiew? Wie bereiten Sie sich auf die Show vor?

„Ich würde nicht sagen, dass ich Angst davor habe, aber vielleicht Respekt. Ich bin sehr froh, dass ich und das tschechische Team in den letzten Wochen in verschiedenen Städten Europas an den Eurovision-Konzerten teilnehmen konnten. Das war für mich eine unglaubliche Erfahrung. Nach jedem Konzert habe ich mich gefragt, was vielleicht beim nächsten Mal besser sein könnte. Das hat mir dabei geholfen, mich etwas an die größere Bühne zu gewöhnen. Ich habe also Respekt, aber keine Angst. Wenn man Angst hat, spürt das das Publikum. Und das darf ein Sänger nicht haben. Man muss ehrlich bleiben und mit offenem Herzen dem Publikum den Song vermitteln.“

„Alle meine Träume gehen damit in Erfüllung.“

Was hat Ihnen gefallen bei den Vorab-Konzerten in London, Tel Aviv und weiteren Städten?

„Alle meine Träume gehen damit in Erfüllung. Als ich auf der Bühne stand und das Publikum den Song mitsang, meinen Namen schrie, da hatte ich fast Tränen in den Augen. Das war wie in einem Traum, und dafür bin ich sehr dankbar.“

Kristina Bárta  (Foto: Petr Vidomus,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Ich habe gelesen, dass Sie schon einige Tage vorher in Kiew sein wollen. Geplant sind Auftritte zusammen mit Ihrer Schwester Kristina, die Jazzpianistin ist…

„Meine Schwester kommt am 5. Mai nach Kiew. Wir geben dann zusammen ein Konzert. Mit dabei ist noch Štěpán Janoušek, der mich als Vokalist begleitet, aber auch wunderbar Posaune spielt. Im Programm haben wir verschiedene jazzige Titel, wir möchten ‚My Turn‘ auch akustisch darbieten, zudem haben wir einige ukrainische Volkslieder vorbereitet, die meine Schwester arrangiert hat. So möchten wir uns als tschechisches Team und ich mich als die Vertreterin der Tschechischen Republik beim ESC dem ukrainischen Publikum schon vorab vorstellen.“

In Deutschland ist der Eurovision Song Contest ziemlich beliebt. In Tschechien bisher nicht. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? An den bisherigen Misserfolgen?

„Mein Ziel ist, dem tschechischen Publikum zu sagen: Hey, schaut es euch an!“

„Es tut mir wirklich leid, dass in Tschechien die Tradition nicht wie in vielen anderen Ländern verankert ist. Ich glaube wirklich, dass dies von den ersten Versuchen herrührt. Die Menschen hier glauben nicht so sehr daran. Für mich ist das schade, weil die Qualität der tschechischen Künstler Jahr für Jahr steigt. Seit drei Jahren arbeitet unser Team daran, die Auftritte weiter zu verbessern. Mein Ziel ist auch, dem tschechischen Publikum zu sagen: ‚Hey Leute, schaut es euch an! Es lohnt sich, den ganzen Contest am Fernsehen zu verfolgen, weil es ein schönes Konzert ist mit Künstlern aus der ganzen Welt.‘ Es ist schade, dass das tschechische Publikum den ESC bisher nicht so wahrgenommen hat.“

Viel Glück für Kiew!

„Vielen Dank!“

Autor: Till Janzer
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