Český Těšín: Zweisprachige Kulturstadt an der Grenze

Eine Stadt, aufgeteilt durch einen Fluss, der Teil am linken Ufer in Tschechien, der am rechten Ufer in Polen, „zusammengeklammert“ durch zwei Brücken. Das sind Český Těšín und Cieszyn, auf Deutsch Teschen. So ist es bereits seit 1920, als die Staatsgrenze auf der Pariser Friedenskonferenz mitten im historischen Fürstentums Teschen und seinen gleichnamigen Hauptsitz Teschen gezogen wurde. Damals lebten hier neben Tschechen und Polen auch Deutsche, Juden und Ungarn. Multikulturell blieb Český Těšín bis zum Zweiten Weltkrieg. Danach war alles anders. Heutzutage leben etwa 60 000 Polen in der Region, davon etwa 10 000 allein in Tesin. Im heutigen Kultursalon will Ihnen Jitka Mládková einen Einblick in die zweisprachige Kultur dieser Stadt vermitteln.

Wesentlich häufiger als von einer geteilten Stadt spricht man heutzutage von als Český Těšín einer Kulturstadt. In die Titel verschiedener Veranstaltungen wird programmatisch das Wort „Grenze“ integriert, um - anders als früher – die grenzübergreifende Kulturnähe zu demonstrieren. „An der Grenze“ heißt zum Beispiel das internationale Theaterfestival, das es seit 1990 in der Stadt gibt. Etwas jünger ist die alljährliche Filmleistungsschau „Kino an der Grenze.“ Das Image einer Kulturstadt können aber nicht Theater- oder Filmfestivals allein ausmachen. Český Těšín kann sich mit einer Besonderheit rühmen: mit zweisprachigen Kulturinstitutionen, die in bedeutendem Maße das Leben in der Stadt prägen.

In Český Těšín gibt es mehrere Grundschulen, darunter auch eine polnische, und zwei Gymnasien, ein tschechisches und ein polnisches. In der städtischen Bibliothek hört man aber beide Sprachen. Als Gang und Gäbe gilt, das man sich im regionalen Dialekt verständigt, der eine Mischung aus beiden Sprachen ist. Die dreizehnjährige Dorota ist Polin, spricht aber fließend tschechisch. Was würde sie einem Fremden in wenigen Sätzen über ihre Stadt sagen?

„Das ist eine schwere Frage. Vielleicht dass es eine Menge interessante Legenden über die Stadt gibt und dass es eine interessante Stadt ist, in der sehr viel passiert ist. Kurz, sie ist das Zentrum des Teschener Schlesiens.“

So wie Dorota kommen auch viele andere polnischsprachige Kinder in die städtische Bibliothek. Dafür gibt es gute Gründe. Die Bibliothekarin Dana Zipserová erläutert:

„Wir haben Bücher sowohl in tschechischer als auch in polnischer Sprache. Und dass sich auch polnische Kinder tschechisch geschriebene Bücher ausleihen ist keine Seltenheit. Die Kinder haben sich daran gewöhnt, sich in unserer Bibliothek zu treffen, gemeinsam im Internet zu surfen, sich eine CD-ROM anzuschauen oder Computerspiele zu spielen.“

Die Bibliothek als Begegnungsstätte für junge Tschechen und Polen. Wie sieht es mit ihrer Kommunikation aus? „Die Kinder treffen sich bei verschiedensten Veranstaltungen und dabei gibt es überhaupt keine Probleme, nicht einmal eine Sprachbarriere. Die Kommunikation läuft reibungslos.“

Für junge Leser und Leserinnen veranstaltet die Bibliothek das ganze Jahr hindurch interessante Programme – Wettbewerbe, Lesungen, Podiumsdiskussionen mit interessanten Menschen und vieles mehr. Eine Aktion kommt besonders gut an:

„Das überhaupt schönste Beispiel ist ´Die Nacht mit Andersen.´ Das ist der mit Abstand populärste Wettbewerb. Am besten wäre es, wenn wir die Bibliothek dazu aufblasen könnten. Das Interesse an dieser Veranstaltung, bei der Kinder beider Nationalitäten zusammenkommen und das Zusammensein sehr genießen, ist sehr groß.“

Die Nacht mit Andersen findet traditionsgemäß im „Monat des Buches“ statt. Dieser Name hat sich hierzulande bereits vor vielen Jahren für den März eingebürgert. Am 28. März dieses Jahres ist es wieder so weit. Dana Zipserová:

„Die Kinder kommen am Freitag um sechs Uhr abends und übernachten hier. Wobei das Wort ´übernachten´ nicht ganz stimmt. Sie bringen zwar Schlafsäcke und andere Sachen mit, es macht ihnen aber gar keine Mühe, auch bis vier Uhr in der Früh wach zu bleiben. Wir bereiten für sie ein reichhaltiges Programm mit Quisspielen, Workshops vor oder wir laden Gäste ein. Anlässlich des 200. Geburtstages von Hans Christian Andersen hatten wir einen Schauspieler aus dem hiesigen Theater hier, der Andersens Geist spielte. Jedes Jahr können unsere Kinder mit anderen Kindern in ganz Tschechien auch chatten und erfahren, wie anderswo die Nacht mit Andersen verläuft.“

„Tešínské nebe“ oder auf Polnisch „Cieszynskie niebo“, auf Deutsch „Teschener Himmel“. So der Titel eines Musicals, das dem Publikum eine Zeitreise durch die einst multikulturelle Geschichte der Stadt präsentiert. Komponiert wurde es für diese Stadt und konkret für ihr Theater. Dieses ist seit einer Zeitlang vom Kulturleben der beiden Nationalitäten in Cesky Tesin nicht wegzudenken. Und das ist die Besonderheit: Das Theaterhaus beherbergt seit über 50 Jahren zwei Bühnen – die tschechische und die polnische. Der künstlerische Theaterdirektor ist ein Pole: Karol Suszka. Welche Rolle dem Theater heute zukommt, wollte ich von ihm wissen:

„Darüber zerbrechen wir uns schon seit langer Zeit die Köpfe. Früher war es zweifelsohne, das kann man nicht leugnen, eine politische Angelegenheit. Sowohl Tschechen als auch Polen bestanden darauf, hier ein Theater zu haben. Aus vertraulichen Quellen weiß ich, dass die Existenz der polnischen Bühne ursprünglich nur für etwa fünf, maximal zehn Jahre vorgesehen war. Mitlerweile gibt es sie schon 56 Jahre. Heutzutage geht es meines Erachtens nicht so sehr um Politik, sondern um die Kunst.“

Wenn man mit Karol Suzcka spricht, der auch als Regisseur tätig ist, ist Stolz in seiner Stimme zu hören, wenn er über „sein“ Theater spricht.

Er erwähnt zum Beispiel die Inszenierung von Dürenmatts ´Besuch der alten Damen´, für die das tschechische Ensemble mit dem Grand Prix auf der Leistungsschau des tschechischen Theaters in Hradec Králové bedacht wurde.

„Das sind Einstudierungen, mit denen man sich praktisch überall, auf jeder Theaterbühne, präsentiere. Und damit befinden wir uns bereits auf der künstlerischen Ebene und können damit unser Dasein begründen.“

Stolz ist Suszka aber auch auf das Teschener Publikum: “Meiner Meinung nach ist unser Zuschauer, ich wage zu sagen, einer der ´best geschulten´ Theaterbesucher weit und breit. Er sieht hier sechs, sieben oder acht Premieren in der Saison. Er geht bis zu acht Mal im Jahr ins Theater! Können Sie mir sagen, wer so oft ins Theater geht? Sehr wenige Menschen. Unsere Besucher bleiben uns treu.“

Tešínské divadlo, Teschener Theater, findet aber ein dankbares Publikum auch bei seinen Tourneen durch die böhmischen und mährischen Lande. Es gibt insgesamt rund 300 Vorstellungen im Jahr, die von ungefähr 150.000 Zuschauern besucht werden. Für Theaterdirektor Karol Suszka geht es dabei jedoch bei Weitem nicht nur um das Theaterspielen:

„Das, was wir her machen, und damit meine ich nicht nur ausschließlich unsere Vorstellungen, ist ausgesprochen beispielhaft für das gemeinsame Zusammenleben – etwa nach dem Motto: Man ist Mensch, zuerst und vor allem Mensch, und erst dann auch noch etwas Anderes.“