Cembalistin Hönigová: In Jezeří wurde europäische Musikgeschichte geschrieben

Alena Hönigová (Foto: Martina Schneibergová)

Das Barockschloss Jezeří / Eisenberg steht am Fuße des Erzgebirges. Vor 200 Jahren war die Residenz der Lobkowitzer ein bekanntes internationales Zentrum der Musik. Seit einigen Jahren erinnert daran ein Musikfestival, das von der Cembalistin Alena Hönigová ins Leben gerufen wurde. Im folgenden Kultursalon bringen wir ein Gespräch mit der Musikerin.

Alena Hönigová  (Foto: Martina Schneibergová)
Frau Hönigová, Sie haben selbst mit einem Konzert den Musiksommer in Jezeří eröffnet. Sind Sie auch Begründerin des Festivals?

„Ja, das stimmt. Das Festival findet in diesem Jahr zum vierten Mal statt. Ich habe lange Zeit in der Schweiz Musik studiert. Über das Schloss Jezeří habe ich viel in Zusammenhang mit Fürst Franz Maximilian Lobkowitz und mit Beethoven und Dusík gelesen. Ich wusste damals nicht genau, wo sich dieses Schloss befindet, denn ich kannte es nicht. Wenn man im Ausland ist, ist man stolz darauf, etwas Bedeutendes über Tschechien zu hören. In Jezeří spielte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein wahnsinnig interessantes Kapitel der Musikgeschichte ab, als sich dort nicht nur Ludwig van Beethoven, sondern auch andere renommierte Musiker aufhielten. Fürst Lobkowitz hatte sehr gute Kontakte zu hervorragenden Künstlern. Er wollte auch in Böhmen Musik auf hohem Niveau aufführen. So gründete er in seinem Lieblingsschloss eine Kapelle mit wirklich renommierten Virtuosen wie Paul Wranitzky oder Anton Kraft. Das hat mich inspiriert, denn in diesem Schlossarchiv sehe großes Potenzial. Ich halte das Musikleben in Jezeří für ein wichtiges Kapitel in der böhmischen Musikgeschichte.“

In der Öffentlichkeit ist aber vermutlich wenig bekannt, dass das Schloss damals eine so große Bedeutung hatte. Wie kommt das?

Schloss Jezeří
„Das hängt damit zusammen, dass sich Jezeří im Braunkohlegebiet befindet. Nach dem Zweiten Weltkrieg, Anfang der 1950er Jahre wurde aus diesem Grund beschlossen, dass das Schloss nicht mehr in Stand gesetzt wird. Deswegen weiß die Öffentlichkeit nichts über das Musikleben in Jezeří im 19. Jahrhundert. Das finde ich schade. Denn von dort aus kamen Impulse für Musiker, die in ganz Europa bekannt waren. Es herrschte dort eine sehr kreative Atmosphäre, in der sich namhafte Komponisten trafen. Fürst Lobkowitz hatte großen Einfluss darauf.“

Wodurch unterscheidet sich der Musiksommer in Jezeří von anderen Festivals?

„Das Spezielle an diesem Festival ist, dass alles auf authentischen Instrumenten im Sinne der historischen Aufführungspraxis gespielt wird. Ich arbeite zum Beispiel seit längerem mit dem Berliner Camesina Quartett zusammen, das sich auf böhmische und Wiener Musik von Anfang des 19. Jahrhunderts spezialisiert hat. Zum ersten Mal wird in Jezeří das Duo Harpianissimo spielen. Die Kombination aus Fortepiano und Harfe war einst sehr beliebt. Heutzutage hört man sie nur selten.“

In diesem Jahr steht das Festival im Zeichen des Wiener Kongresses, der jedoch eher eine politische Angelegenheit war. Gab es damals am Rande der Verhandlungen auch Konzerte oder andere Kulturveranstaltungen?

„Der Wiener Kongress ordnete Europa neu nach den Napoleonischen Kriegen. In Wien kamen nicht nur zahlreiche Diplomaten, Herrscher und Politiker zusammen, sondern auch Künstler, vor allem Musiker. Es sind darüber mehrere Berichte erhalten – in der Form von Korrespondenzen oder Tagebüchern. In Wien gab es damals wahnsinnig viele Konzerte, Opernvorstellungen, Bälle und Treffen in den Salons. In diesen kleineren Kreisen wurde die wirkliche Politik gemacht, zu den offiziellen Verhandlungen sind die Politiker dann bereits mit fertigen Konzepten gekommen, die zuvor vereinbart wurden. Eine große Rolle spielte dabei die Tatsache, wie kulturell interessiert der eine oder andere Diplomat war. Für viele Komponisten stellte der Wiener Kongress einen Wendepunkt in ihrer Karriere dar. Während des Kongresses knüpften sie Kontakte oder bekamen Aufträge für neue Werke und lernten andere Musiker persönlich kennen.“

Wollen Sie mit dem Musiksommer auch auf das Schloss aufmerksam machen, das in einer Gegend steht, die durch die Braunkohleförderung beeinträchtigt ist?

Schloss Jezeří
„Ja, bestimmt. Denn in Tschechien läuft eine Diskussion, ob die Begrenzungen zur Kohleförderung aufgehoben werden oder nicht. Das Schloss gehört zur Stadt Horní Jiřetín, die seit langem um ihre Existenz bangt. Ich finde dies unglaublich, denn auf das Schloss können wir stolz sein. Die Architektur des Schlosses ist wertvoll. Die Residenz hat 250 Zimmer, von denen ein Drittel inzwischen in Stand gesetzt wurde. Zudem gibt es im Schloss ein einzigartiges Theater, das Fürst Lobkowitz errichten ließ. Dort fand die private Premiere von Beethovens dritter Symphonie, der ‚Eroica‘ statt. In Tschechien weiß davon aber kaum jemand. Das Schloss selbst ist nicht gefährdet, aber die Residenz liegt wirklich sehr nahe am Ort, der wegen der eventuellen Braunkohleförderung um seine Existenz bangt. Es gibt inzwischen ein Projekt für die Instandsetzung des Schlosstheaters und für die Wiederbelebung von Jezeří. Darum organisieren wir auch das Festival.“

Sind die Tatsachen über das Musikleben in Jezeří im 19. Jahrhundert unter den Musikexperten m Ausland bekannt?

„Ich bin selbst auf diese Informationen gestoßen, weil ich mich mit dieser Epoche intensiv beschäftigte. Viele Leute haben damals über das dortige Musikgeschehen geschrieben. Johann Wolfgang von Goethe hat das Schloss beispielsweise auch besucht. Ich würde sagen, dass die Musikwissenschaftler diese Geschichte durchaus kennen, aber die Öffentlichkeit hat kaum etwas davon gehört.“

Der Musiksommer geht in Jezeří bis 5. September. Mehr über das Programm erfahren Sie auch auf Deutsch unter www.hudebniletovjezeri.cz.