Visionen der politischen Parteien für die Zukunft des tschechischen Bildungswesens. Teil 1

Hoch oben auf ihrer Prioritätenliste hatte die sozialdemokratische Regierung bei ihrem Amtsantritt vor vier Jahren die Bildungspolitik platziert und damit namentlich Schulminister Eduard Zeman betraut. Dieser trat mit großen Plänen an: Eine grundlegende Reform des Schul- und Hochschulwesens sollte her, als Richtschnur dafür wurde ein sog. Weißbuch erstellt.

Hoch oben auf ihrer Prioritätenliste hatte die sozialdemokratische Regierung bei ihrem Amtsantritt vor vier Jahren die Bildungspolitik platziert und damit namentlich Schulminister Eduard Zeman betraut. Dieser trat mit großen Plänen an: Eine grundlegende Reform des Schul- und Hochschulwesens sollte her, als Richtschnur dafür wurde ein sog. Weißbuch erstellt. Doch die konkrete Umsetzung dieser hehren Pläne scheiterte. Zemans Entwurf für ein neues Schulgesetz wurde vom Abgeordnetenhaus nach wiederholter Vorlage Ende April endgültig zurückgewiesen. Somit gilt nach wie vor das veraltete Gesetz von 1984. Warum ist es der jetzigen Regierung nicht gelungen, ihre Reformbemühungen durchzusetzen? Und welche Zukunft steht dem tschechischen Bildungswesen bevor, welche Optionen zeichnen sich hier im Falle eines Regierungswechsels ab? Fragen, über die wir uns in dieser und der nächsten Ausgabe des Themenkaleidoskops mit Schulexperten unterschiedlicher Parteien unterhalten werden. Wir beginnen heute mit der Freiheitsunion-Demokratischen Union (US-DEU) und den Christdemokraten (KDU-CSL), die als Wahlverbund in der sog. Koalition (ehemals: Viererkoalition) gemeinsam zu den Wahlen antreten. Am Mikrophon begrüßt Sie recht herzlich Silja Schultheis.

Ein Hauptmanko der sozialdemokratischen Bildungspolitik ist nach Meinung des Vorsitzenden des Schulausschusses des Abgeordnetenhauses, Petr Mares von der oppositionellen Freiheitsunion/ Demokratischen Union (US-DEU), dass sie zu sehr an Institutionen orientiert war. Wenn seine Partei an der nächsten Regierung beteiligt sei, so Mares im Gespräch mit Radio Prag, würde sie die Reform von einer anderen Seite her anpacken:

"Ich denke, das wichtigste ist, dass wir uns an die Diskussion anschließen, die heute in Europa geführt wird. Ich denke, unsere Probleme sind denen unserer Nachbarn in Deutschland sehr ähnlich. Das bedeutet, unser Schulwesen ist gegenwärtig noch ein zu sehr in sich geschlossenes System. Wir möchten dieses System vor allem öffnen, so dass Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Bildungstypen besteht und flexibler auf die Nachfrage reagiert werden kann."

Die Schulexpertin der Christdemokraten, Michaela Sojdrova, hingegen hielt die Gesetzesvorlage des Schulministers im Ansatz für ausbaufähig. Gescheitert ist sie ihrer Meinung nach an der mangelnden Dialogbereitschaft des Ministers.

Eine der wesentlichen und nach wie vor leidigen Fragen, die durch das geplante neue Schulgesetz gelöst werden sollten, ist die nach der Finanzierung des Bildungswesens. Sichtbarer Ausdruck dieses Misstandes ist nicht zuletzt das bedrohliche Abwandern von Lehrern und Professoren aus dem Bildungssektor aufgrund von schlechter Bezahlung - ein Symptom, das schon bald das Fundament des gesamten Systems erheblich ins Wanken geraten lassen könnte. Die Opposition warf dem Gesetzentwurf des Schulministers bei der geplanten Finanzierung der Schulen mangelnde Transparenz vor. Welche Finanzierungsmodelle stellen die Schulexperten der Koalition für den Fall einer Regierungsbeteiligung in Aussicht?

"Wir gehen davon aus, dass eine Reform unter der Voraussetzung durchgeführt werden kann, dass wir soviel in die Bildung investieren, wie es dem Standard der OECD-Länder entspricht, das bedeutet in etwa 6% des Bruttoinlandproduktes. Das ist keine Frage, die sich innerhalb eines Jahres lösen lässt, aber wir sind überzeugt, dass wenn wir an der Regierung beteiligt wären und über dieses Ressort entscheiden dürften, wir spätestens nach Ablauf von drei Jahren imstande wären, 6% des Bruttoinlandproduktes in das Bildungswesen zu investieren."

Und woher sollen die zusätzlichen Mittel genommen werden?

"Wir sind der Meinung, dass die sozialdemokratische Regierung zuviel Geld für die Unterstützung verlustbringender Unternehmen ausgegeben hat, die unserer Meinung nach keine Perspektive haben, so wie beispielsweise einige Stahlwerke in Nordmähren. Wir glauben, dass es sinnvoller ist, in den Bildungssektor zu investieren, statt solche Betriebe aufrecht zu erhalten."

Neben der Erhöhung der staatlichen Ausgaben wolle die seine Partei die Finanzierung des Bildungswesens aber noch auf weitere Pfeiler stützen, erklärte Petr Mares im Gespräch mit Radio Prag:

"Wir würden gerne noch eine viel größere Unterstützung von tschechischen Unternehmern erreichen. Außerdem wünschen wir uns, dass sich an der Finanzierung der Hochschulen auch die neu entstandenen Landkreise beteiligen. Und sobald wir ein ausreichendes System von Anleihen und sozialen Absicherungen entwickelt haben, sind wir auch darauf vorbereitet, Studiengebühren einzuführen."

Michaela Sojdrova fügt hinzu, dass finanzielle Investitionen allein nicht ausreichten. Darüber hinaus sei noch etwas anderes von zentraler Bedeutung :

"Die Anforderung an die Qualität der pädagogischen Arbeit. Und die kommt nicht von alleine, hier muss das verstärkt werden, was man Evaluation nennt. Damit die Lehrer auch wissen, was von ihnen erwartet wird, wenn man ihnen die Gehälter erhöht. Ich halte es für einen Fehler des Zeman'schen Systems, dass es nur Gehälter erhöht hat, aber ansonsten keine neuen Entwicklungen eingeleitet hat."

Für eine gebildete und kulturelle Gesellschaft machen sich Freiheitsunion und Christdemokraten in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm stark. Damit stellt das Bildungswesen neben dem Rechtsstaat, der Gesundheits-, Familien- und Steuerpolitik sowie der europäischen Integration einen der Eckpfeiler des Programms der Koalition dar. Ob sie mit dem Stellenwert des Bildungswesens im Wahlkampf zufrieden sei, wollte ich abschließend von Michaela Sojdrova wissen:

"Während der gesamten Legislaturperiode wurde betont, dass Bildung eine Priorität der Regierung sei, und dabei blieb es dann. Ich halte die Debatte der politischen Parteien über die Qualität der Bildung für ziemlich armselig. Aber auch die Gesellschaft interessiert diese Frage nur reichlich oberflächlich. Davon haben mich die zahlreichen Debatten überzeugt, die ich im Rahmen des Wahlkampfes in den letzten Wochen geführt habe."

Soweit, verehrte Hörerinnen und Hörer, der erste Teil unserer Expertendiskussion über Perspektiven der tschechischen Bildungspolitik, diesmal mit Vertretern der Koalition aus Freiheitsunion und Christdemokraten. Im nächsten Themenkaleidoskop kommen dann Repräsentanten weiterer Parteien zu Wort. Für heute verabschiedet sich von Ihnen und dankt Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit Silja Schultheis.