Unerfreuliches Dasein der Prager Radfahrer

In Tschechien gibt es immer mehr Menschen, die das Fahrrad als Transportmittel auf ihrem Weg zur Arbeit, zur Schule oder anderswohin benutzen - und das auch in Prag. Doch neben der mangelnden Infrastruktur - seien es Fahrspuren, Parkplätze oder Ampeln und anderes - müssen die Radler in der tschechischen Hauptstadt noch etwas anderes in Kauf nehmen: das hohe Risiko, das jeden Radfahrer beim Hindurchschlängeln durch den dichten Verkehr voller aggressiver Autofahrer begleitet. Die hohe Zahl an Autos ist zudem eine der Hauptursachen, dass Radfahrer zudem auch der hoher Luftverschmutzung ausgesetzt sind. Nun hat eine Bürgerinitiative eine ganze Reihe von Aktionen für die kommende Woche vorbereitet, in deren Rahmen sie auf die Schattenseiten für die Verkehrsteilnehmer in Prag aufmerksam machen will.

Vor ungefähr zwei Jahren erblickte ein umfassendes Dokument des tschechischen Verkehrsministeriums mit dem Titel "Nationale Strategie für die Entwicklung des Fahrradverkehrs" das Licht der Welt. Das Alltagsleben der Prager hat es aber bisher nur wenig im positiven Sinne verändert. Viele Menschen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit, zur Schule oder anderswohin fahren - und das werden immer mehr - riskieren ihr Leben, weil sie sich durch den dichten Autoverkehr voller aggressiver Autofahrer durchschlängeln müssen.

"Die Stadt anders erleben" - unter diesem Leitmotto will die informelle Vereinigung "AutoMat", die verschiedene Bürger- und Künstlerinitiativen vereint, die Öffentlichkeit auf die unerfreuliche Situation aufmerksam machen. Vor kurzem hat sie zunächst Journalisten auf den Plan gerufen, die helfen sollen. Bei dem Treffen vor dem Gebäude des Prager Magistrats gab es vorwiegend kritische Worte zu hören. Einleitend sagte Michal Krivanek, Aktivist der Organisation:

"So klug und dem Zeitgeist entsprechend, wie die Parteiprogramme konzipiert sind, so klug und schöngeistig können auch unsere Politiker reden. Gerne sprechen sie, wie zum Beispiel in der Wahlkampagne im vergangenen Jahr, über ihre Pläne für neue Fahrradtrassen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Bedingungen für die Fußgänger werden von Jahr zu Jahr schlechter. Die Zahl der Zebrastreifen nimmt ab, die Gehsteige werden schmaler. Das alles wegen des Autoverkehrs, der immer mehr Raum, also neue Fahrbahnen und Parkplätze braucht."

Man wolle also auf den Widerspruch zwischen der realen Verkehrspolitik und den modernen Verkehrskonzepten aufmerksam machen. Für die Woche zwischen dem 16. und 22. September hat AutoMat eine ganze Reihe von Veranstaltungen für Menschen vorbereitet, die - wie es in dem Pressebericht heißt - "nicht gleichgültig den Zustand in ihrer Stadt betrachten". Einige werden zugleich im Rahmen der Europäischen Woche der Mobilität stattfinden. Die Bürgerinitiative hat ein Fünf-Punkte-Programm vorgestellt, in dem sie sich künftig engagieren will. Inspirationen hat man sich auch aus dem Ausland geholt:

"In allen westlichen Städten, die sich bereits vor zehn oder vor noch mehr Jahren mit denselben Problemen auseinandersetzen mussten, wurden konkrete Konzepte zur Unterstützung der Fußgänger und Radfahrer entworfen. Dabei wurde klar festgelegt, welches Projekt in welchem Jahr für wie viel Geld und zu welchem Termin umgesetzt werden sollte."

Ähnlich konkrete Pläne auch für Prag zu erstellen will nun die Vereinigung AutoMat von den zuständigen Behörden verlangen. Die restlichen Programmpunkte beinhalten konkrete Empfehlungen, wie die Situation der Fußgänger und Radfahrer in der Hauptstadt verbessert werden könnte. Dabei müsse man dafür nicht einmal bauen oder neue Investitionen tätigen, es reichten vielmehr neue Regeln im Straßenverkehr. So sollten zum Beispiel bestimmte Einbahnstraßen für Fahrradfahrer in beide Richtungen befahrbar gemacht werden. Michal Krivanek:

"Die meisten Straßen im Stadtkern oder auch im erweiterten Stadtzentrum sind Einbahnstraßen, in denen es den Radfahrern verboten ist, in Gegenrichtung zu fahren. Dabei ist es so einfach, eine sichere Durchfahrt der Radfahrer zu gewährleisten. Man muss nur diejenigen Straßen aussuchen, deren Breite ermöglicht, in beide Richtungen zu fahren."

Die AutoMat-Leute haben selbst bereits fünf Straßen ausgewählt, die sie dem Prager Magistrat empfehlen werden. Hinzu kommt die Forderung, dass an bestimmten Ampelkreuzungen für Radfahrer sichere Haltelinien vor der ersten Linie der wartenden Autos geschaffen werden sollten.

Unter Programmpunkt fünf verlangt AutoMat eine Optimalisierung der Grünphase für Fußgänger an fünf Ampelkreuzungen in Prag. Krivanek erläutert:

"Jeder kennt aus eigener Erfahrung eine ganze Reihe von Übergängen in Prag, zum Beispiel jenen am Jan-Palach-Platz oder den am Smetana-Kai vor dem Cafe Slavia, an denen man unendlich lange warten muss, bis die Autokolonne im Schneckentempo vorbeigefahren ist. Daher fordern wir, dass Fußgänger an bestimmten Trassen eine längere Grünphase bekommen. Das kann den Fußgängern die Straßenüberquerung erleichtern."

Kaiser Karl IV. habe halt mit dem Fahrrad- und Autoverkehr nicht gerechnet - derartige Hinweise manches Stadtbürokraten, die es früher gelegentlich auch zu hören gab, kommen nicht mehr als gut gemeinter Witz an. Noch weniger sind sie eine Begründung dafür, dass das Jahre lange Ringen zwischen den Auto- und Radfahrern in Prag überwiegend zugunsten der Stärkeren ausfällt. Was aber geändert werden kann und sogar muss, ist die Werteskala. Das sind die Grundfragen, die sich in Prag immer mehr Menschen stellen. Dazu gehören auch renommierte Künstler, die zu dem Treffen mit Journalisten kamen. Zum Beispiel Tonya Graves, die in Prag lebende Amerikanerin und Sängerin der Band Monkey Business:

Michal Viewegh
"Wir leben in einer schönen Stadt, aber die Luft wird durch viele Autos verschmutzt. Das muss man verändern, damit die Fußgänger und Fahrradfahrer mehr Platz haben. Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen gerne vom Auto aufs Fahrrad umsteigen würden. Das ist besser für unsere Gesundheit und insgesamt für die Umwelt. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich hier in einem Kindergarten gearbeitet habe. Die Kinder konnten manchmal wegen der hohen Luftverschmutzung gar nicht nach draußen gehen, und das wegen des dichten Autoverkehrs. Daher werde ich alles unterstützen, was zur Besserung der Lage führen kann."

Und was stört den tschechischen Schriftsteller Michal Viewegh, der auch gekommen ist?

"Es ist gar nicht möglich, Kinder selbst auf dem Zebrastreifen laufen zu lassen. Man muss sie an die Hand nehmen, denn Autos machen oft nicht Halt vor den Fußgängern. Ich habe mich heute auch daran erinnert, wie es in anderen europäischen Ländern aussieht. Ich glaube, schlimmer dran als Prag ist in dieser Hinsicht vielleicht noch Moskau. Dabei muss man sich nicht nur die idealen fahrradfreundlichen Orte wie zum Beispiel Kopenhagen zum Vorbild nehmen. Das Projekt ist mir sympathisch und deswegen bin auch ich hier."

Die tschechische Hauptstadt hat europaweit und vielleicht sogar weltweit eine wenig erfreuliche Vormachtstellung bei der Pro-Kopf-Zahl an Autos. Laut Statistik hat jeder zweite Prager ein Auto in seinem Besitz. Vielleicht hat das auch mit der Leidenschaft der Tschechen zu tun, mit dem Auto am liebsten bis ins Wohnzimmer zu fahren.