Streit um Ferdinand Porsche spaltet tschechischen Ort Vratislavice

Ferdinand Porsche (Foto: Bundesarchiv, Bild 183-2005-1017-525 / CC-BY-SA)

Verwaltungsmäßig gehört der kleine nordböhmische Ort Vratislavice / Maffersdorf zu Liberec / Reichenberg, ansonsten ist er aber kaum jemandem bekannt gewesen. Bis vor einiger Zeit ein Schilderstreit vom Zaun brach. Es ging um Schilder an den Ortseingängen. Sie zeigten das Stadtwappen und begrüßten die Durchfahrenden mit der Aufschrift „Geburtsort von Ferdinand Porsche“. Die Schilder gehören seit wenigen Wochen der Vergangenheit an. Der Gemeinderat hat sie kurz vor Weihnachten abnehmen lassen.

Ferdinand Porsche  (Foto: Bundesarchiv,  Bild 183-2005-1017-525 / CC-BY-SA)
„Die Kirsche auf der Torte der deutschen Autoindustrie. Die Marke mit Klang. In keinem anderen Auto wehen Frauenhaare so schön, wie in einem Porsche Cabrio...“ Diese Hymne ist immer noch zu lesen auf der offiziellen Webseite des Geburtsortes von Ferdinand Porsche. Vratislavice, früher Maffersdorf, ist eine 8500-Seelen-Gemeinde im Norden Tschechiens, am Fuße des Isergebirges. Vratislavice wird nun die Geister, die es rief, nicht mehr los. Das berühmteste Kind dieser Gemeinde, ist zum größten lokalen Zankapfel geworden.

Im Rathaus von Vratislavice Mitte Dezember. Nervös schiebt er die Rechtsexpertise auf dem Tisch hin und her: Bürgermeister Aleš Preisler ist erst seit September im Amt. Aber er hat Schützenhilfe. Ihm zur Seite sitzen Vize-Bürgermeister Vladimír Braun und der Linksaußen-Aktivist Pavel Hrstka. Preisler erklärt unsicher.

„Die Sache könnte uns als ´Propagierung des Nationalsozialismus´ ausgelegt werden, wir bewegen uns am Rande der Legalität. Die Schilder werden wir wohl abnehmen.“

Foto: ČT24
„Die Schilder“ stehen im Dezember noch an den Ortseingängen und heißen Gäste von Vratislavice willkommen mit dem Schriftzug „Geburtsort von Ferdinand Porsche“.

Pavel Hrstka übernimmt. Er hält ein Buch des deutschen Historikers Guido Knopp wie einen Schutzschild vor sich: „Hitlers Manager“.

„Die Porsche-Autos wurden mit dieser Legende von Ferdinand Porsche eingehüllt. Dabei war er ein SS-Oberst, der initiativ mit den größten Verbrechern verhandelte wie Himmler und Hitler. Und dadurch bekam er Zwangsarbeiter für seine Fabrik, in der Waffen hergestellt wurden. Diese Dinge wurden beim hiesigen ´Denkmal´ verschwiegen. Porsche bekam auch einen SS-Totenkopf-Ring verliehen. Erst durch unseren Protest sind diese Informationen heute in der Porsche-Ausstellung hier zu lesen - erst nach vier Jahren, das ist traurig.“

Pavel Hrstka  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Die damalige Stadtführung wollte den Namen Porsche für sich nutzen und hatte an das neue Kultur- und Bildungszentrum einen gläsernen Porsche-Denkmaltrakt anbauen lassen. Drei Porsche-Autos und ein paar Informationen hatten darin Platz. Für die nationalsozialistische Vergangenheit Ferdinand Porsches hat es nicht gereicht - Leerstelle. Und dann noch die Willkommensschilder.

Das war zu viel für Pavel Hrstka. 2009 setzte er eine Petition auf: 150 Unterschriften sammelte er und stellte Strafanzeige gegen die Stadtväter wegen „Propagierung des Nationalsozialismus“. Aber sein Ziel – die Beseitigung der Porsche-Schilder am Ortseingang – hat erst jetzt eine Chance, seit im September der alte Bürgermeister gestürzt und Aleš Preisler ins Amt gehoben wurde.

Vladimír Braun  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Ferdinand Porsche mit seiner dunklen Vergangenheit würde ich hier diplomatisch-taktisch verschweigen“, so Preisler. Und Vize-Bürgermeister Vladimír Braun:

„Bis 1989 mussten wir Denkmäler für Lenin oder Stalin aufstellen. Dann wurden die abgerissen und neue gebaut. Warum? Das gilt auch für die kleine Porsche-Aufschrift auf dem Willkommensschild. Warum müssen wir das ostentativ nach außen kehren, dass Porsche hier geborgen wurde? Dann sollten wir auch sagen, dass gleich zwei Häuser neben Porsche der Sudetenführer und Hitlergetreue Konrad Henlein geboren wurde.“

Porsche-Gedenktafel in Vratislavice  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Die Porsche-Zentrale in Stuttgart habe übrigens keinen Heller in Vratislavice investiert, erklärt Braun und redet sich in Rage:

„Aber wir sollen immer für alles dankbar sein? Wir Tschechen sollten endlich einmal stolz auf uns sein. Wie sind immer zu etwas gezwungen worden. Früher mussten wir die Sowjet-Fahne heraushängen, heute die Fahne der Europäischen Union. Warum?“



Ferdinand Porsche
Die Affäre um Ferdinand Porsche, mit dem sich nicht nur die Gemeinde selbst, sondern auch Tourismus-Veranstalter und Schulen in der Umgebung brüsten, hat viel Staub aufgewirbelt. In Vratislavice steht noch sein bescheidenes Geburtshaus, an dem seit über zehn Jahren eine Gedenktafel angebracht ist. Die meisten Bürger, die an seinem Haus vorbeikommen, haben nichts gegen die Schilder am Ortseingang. Im Gegenteil.

„Ausgezeichneter Konstrukteur, ich bin froh, dass er hier geboren wurde. Ich bin Christ, und wenn Porsche was verbrochen hat, dann vergebe ich ihm“, strahlt ein älterer Mann in abgetragener Kleidung. Die Schilder müssten bleiben, meint er.

„Ich bin stolz auf Porsche“, sagt auch der Eisenwarenhändler aus dem Nachbarhaus.

Milan Bumba  (Foto: ČT24)
Das Porsche-Geburtshaus hat kürzlich der zum Volkswagenkonzern gehörende Autohersteller Škoda gekauft. Es soll in den ursprünglichen Zustand versetzt werden.

Szenenwechsel: Milan Bumba hat auf Photoshop gezaubert. „Für Porsche Durchfahrt verboten“ heißt jetzt der Schriftzug auf dem Willkommensschild von Vratislavice. Aus Protest hat Bumba das manipulierte Foto auf die Webseite seines Porsche Classic Clubs gestellt hat. Bumba lacht amüsiert.

Porsche-Museum  (Foto: Archiv des Museums)
„Heute hat sich schon mal jemand schnell eines der Schilder vom Ortseingang unter den Nagel gerissen. Die werden bald hoch gehandelt. Aber ich war das nicht! Ich habe dem Bürgermeister offiziell angeboten, die Schilder abzukaufen. Die kommen dann in mein Museum.“

Busfahrer Bumba sammelt seit 30 Jahren Volkswagen und Porsche. Über 20 Exponate präsentiert er in seinem privaten Museum in Vratislavice. Seit 1985 veranstaltet er jedes Jahr zum Geburtstag von Ferdinand Porsche ein Treffen von über 150 Autos. Im Kommunismus wurde Bumba dafür zum Verhör vorgeladen. In seinem offenen Protest-Brief an den Bürgermeister ist von internationaler Schande die Rede, vom Rückfall in den Kommunismus. Gut, Porsche habe damals einen SS-Orden bekommen. Im Kommunismus wiederum seien die Leute hier zu Helden der Arbeit gekürt worden, vergleicht Bumba.

„Ich behaupte, er hatte keine Wahl, wenn er seine Autos konstruieren wollte. Wenn er Hitlers Hand ausgeschlagen hätte, dann wäre auch er im Knast oder im KZ gelandet.“

Seit Ende November vergangenen Jahres macht eine zweite Petition die Runde – für Ferdinand Porsche, für die Willkommensschilder. Aufgesetzt hat sie Aleš Reiner, ein 26-jähriger Programmierer aus dem benachbarten Liberec. Er braucht sein Auto nur, um von A nach B zu kommen, Porsche hat ihn nie interessiert.

Aleš Reiner  (Foto: Archiv von Aleš Reiner)
„An dieser Sache hier ärgert mich einfach die Scheinheiligkeit. Die ist unter den Tschechen weit verbreitet. Warum sollte man die Information, dass Porsche von hier stammt, streichen. Das ist doch keine Verherrlichung, kein goldenes Denkmal, das ist ein einfaches Schild, dass dieser Mensch hier geboren wurde.“

Reiners Petition zieren schon über 1600 Unterschriften. Falls man die Schilder stehen lasse, dann könne man in diesem Land ja vielleicht doch noch was verändern, hofft Aleš Reiner noch Mitte Dezember.

Die Hoffnung war vergeblich. Noch rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest hat der Gemeinderat von Vratislavice endgültig entschieden: Die Porsche-Schilder wurden umgehend abgehängt. Ein Extremismus-Experte soll den Fall Porsche noch einmal prüfen. Schon Tage zuvor hatte die Stuttgarter Porsche-Zentrale ihre drei Auto-Leihgaben aus dem Museum abgezogen. Porsche ist eben schneller.